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Erdogan verfehlt Mehrheit Türkei geht in historische Stichwahl

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Erdogan verpasste die absolute Mehrheit und muss nun in die Stichwahl.

Erdogan verpasste die absolute Mehrheit und muss nun in die Stichwahl.

(Foto: dpa)

Nach einer langen Auszählung herrscht Klarheit: In der Türkei wird in einer Stichwahl über den künftigen Präsidenten entschieden. Während die türkische Bevölkerung zwischen Recep Tayyip Erdogan und Kemal Kilicdaroglu entscheiden muss, könnte ausgerechnet der dritte Kandidat zum Königsmacher werden.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan muss sich einer Stichwahl stellen. Erdogan verfehlte in der ersten Runde der Präsidentenwahl die absolute Mehrheit, wie die Wahlbehörde in Ankara mitteilte. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu lag nach dem vorläufigen Endergebnis knapp hinter ihm, womit keiner der beiden Bewerber mehr als 50 Prozent der Stimmen erhielt und es am 28. Mai in die Stichwahl geht.

Erdogan erhielt demnach 49,51 Prozent der Stimmen, sein Herausforderer Kilicdaroglu kam auf 44,88 Prozent. Der Ultranationalist Sinan Ogan lag abgeschlagen auf dem dritten Platz. Auf ihn könnte damit die Rolle des Königsmachers zukommen.

Wegen der zu erwartenden innen- und außenpolitischen Auswirkungen galt die Wahl in der Türkei als eine der weltweit wichtigsten in diesem Jahr. Der 69 Jahre alte Erdogan ist seit 20 Jahren an der Macht, nun muss er erstmals seit Amtsantritt in die Stichwahl. Umfragen hatten ein knappes Rennen vorausgesagt. Der Präsident hat seit der Einführung eines Präsidialsystems 2018 weitreichende Befugnisse und regierte in der Regel an den 600 Parlamentariern vorbei. Erdogan wurde 2003 Ministerpräsident, seit 2014 ist er Staatspräsident. Im Wahlkampf hatte er mit Großprojekten in der Infrastruktur und Rüstungsindustrie geworben. Diese präsentierte er als Erfolge seiner Regierung. Angesichts einer grassierenden Inflation versprach er Wahlgeschenke wie Lohnerhöhungen für Beamte und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst.

Kilicdaroglu mit Versprechen auf mehr Rechtsstaatlichkeit

Das Ergebnis der Parlamentswahl gab die Wahlbehörde zunächst nicht bekannt. Es zeichnete sich jedoch ab, dass Erdogans Regierungsallianz ihre Mehrheit verteidigen konnte. Der Präsident hat seit der Einführung eines Präsidialsystems 2018 weitreichende Befugnisse, das Parlament mit seinen 600 Abgeordneten ist dagegen geschwächt. Die Wahl galt als richtungsweisend. Es wird befürchtet, dass das NATO-Land weitere fünf Jahre unter Erdogan noch autokratischer werden könnte.

Kilicdaroglu trat als Kandidat für ein breites Bündnis aus sechs Parteien an. Er verspricht die Rückkehr zu einem parlamentarischen System, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Auch international wurden die Entwicklungen in der Türkei aufmerksam beobachtet wegen ihrer Bedeutung für Konflikte in der Region wie dem Syrien-Krieg und für das Verhältnis zur EU und Deutschland. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Michael Roth, sagte, der Ausgang der Wahl sei ernüchternd "für all diejenigen, die sich eine demokratische und rechtsstaatliche Türkei wünschen". Er rechne damit, dass Erdogan den Wahlkampf im Fall einer Stichwahl weiter mit aller Härte führen werde, sagte Roth im ZDF-"Morgenmagazin".

Die prokurdische Oppositionspartei HDP, die Kilicdaroglu bei der Präsidentenwahl unterstützt, zeigte sich enttäuscht. Die endgültigen Ergebnisse stünden noch nicht fest, "dennoch ist vollkommen klar, dass wir hinter unseren Zielen zurückliegen", sagte Co-Parteichef Mithat Sancar. Er beklagte zudem Repressionen gegen seine Partei beim Wahlkampf. Die Stimmauszählung in der Nacht lief teils chaotisch ab. Die Opposition hatte der Regierungspartei vorgeworfen, die Werte für Erdogan zu schönen.

Quelle: ntv.de, mba/dpa

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