Politik

Türkei wappnet sich UN: Rebellen setzten Giftgas ein

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Ein Rebell feuert bei Daraa eine Granate ab.

(Foto: REUTERS)

Bereits in kleinster Dosis kann Sarin tödlich ist. Nun soll die chemische Substanz in Syrien verwendet worden sein - und die UN sind sich so gut wie sicher: Nicht Präsident Assad steckt hinter dem Einsatz, sondern die Rebellen. Die Türkei bereitet sich schon einmal auf die Behandlung möglicher Giftgasopfer vor.

Im Bürgerkrieg in Syrien haben die Aufständischen nach UN-Informationen Giftgas eingesetzt. "Nach Zeugenaussagen, die wir gesammelt haben, haben die Rebellen chemische Waffen eingesetzt, Sarin-Gas", sagte die UN-Ermittlerin und frühere Chefanklägerin des UN-Tribunals für das ehemalige Jugoslawien, Carla del Ponte, dem Schweizer Rundfunk. Die Untersuchung müsse zwar noch "vertieft" werden, aber nach den "bislang" vorliegenden Erkenntnissen gehe der Giftgas-Einsatz auf "Gegner des Regimes" zurück.

Sarin ist eine chemische Substanz, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland entdeckt wurde. Das Nervengas wurde auf verschiedenen Kriegsschauplätze n und beim Anschlag in der U-Bahn von Tokio 1995 eingesetzt. Schon der einfache Kontakt mit der Haut kann zum Tod durch Ersticken und Herzstillstand führen. Bei einem Erwachsenen liegt die tödliche Dosis bei einem halben Milligramm. Das Gas ist nicht sichtbar und riecht nicht.

Ein Sprecher der Freien Syrischen Armee (FSA) versicherte, die FSA habe damit nichts zu tun. Luai al-Mekdad sagte: "Wir besitzen kein Sarin-Gas, und wir streben auch nicht danach, es in unseren Besitz zu bringen."

Rebellen und syrische Regierung werfen sich seit einigen Wochen gegenseitig den Einsatz von Giftgas vor. US-Präsident Barack Obama hatte den Einsatz chemischer Waffen durch die syrischen Streitkräfte als "rote Linie" bezeichnet, bei deren Überschreitung eine Intervention möglich sei. Neben den Gefahren für die syrische Bevölkerung sehen westliche Geheimdienste auch das Risiko, dass die chemischen Waffen, die das Regime von Präsident Baschar al-Assad hortet, Terrorgruppen in die Hände fallen könnten.

"Regierung kann Chemiewaffeneinsatz nur schaden"

Der Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt, Günter Meyer, äußerte schon vor einer Woche Zweifel daran, dass Assads Soldaten Giftgas eingesetzt haben könnten. "Der Regierung kann der Chemiewaffeneinsatz nur schaden, weil sie damit ihren Gegnern den Grund für Waffenlieferungen an die Aufständischen und die Einrichtung einer Flugverbotszone liefert", sagte der Mainzer Professor. Dagegen könnte die syrische Opposition mit einem solchen Einsatz ihrer Forderung nach Waffenlieferungen Nachdruck verleihen.

Nach Berichten über den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien hatte die russische Regierung am Wochenende vor einem Militäreinsatz in dem Land gewarnt. Die Informationen dürften nicht als "Vorwand" für eine Intervention in Syrien genutzt werden, sagte Vize-Außenminister Michail Bogdanow. US-Präsident Barack Obama kündigte eine "eingehende Prüfung" der Informationen an und mahnte zur Besonnenheit.

Ranghohe US-Regierungsmitglieder hatten es am Donnerstag als wahrscheinlich bezeichnet, dass in Syrien Chemiewaffen "in geringen Mengen" eingesetzt worden seien. Auch der britische Geheimdienst sprach von "begrenzten, aber überzeugenden Hinweisen". Obama hatte einen Chemiewaffenangriff in der Vergangenheit als "rote Linie" für ein mögliches Eingreifen in den Bürgerkrieg bezeichnet.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle forderte Damaskus auf, unabhängige Beobachter ins Land zu lassen, um den angeblichen Einsatz von Chemiewaffen aufzuklären. "Wer chemische Waffen in Syrien einsetzt, gleich von welcher Seite, begeht ein schweres Verbrechen", sagte Westerwelle. "Wer über welche Beweise auch immer verfügt, dass eine der Seiten solche Waffen einsetzt, möge sie mit der internationalen Gemeinschaft teilen und auf den Tisch legen", fügte er hinzu. Die Regierung in Damaskus müsse unabhängigen Beobachtern ungehinderten Zugang im Land gewähren, damit diese eventuellen Verdachtsmomenten auf den Grund gehen können.

Türkei wappnet sich

Die Türkei bereitet sich indes auf die Behandlung von Opfern atomarer, biologischer oder chemischer Kampfstoffe aus dem benachbarten Syrien vor. Es gelte, auf alle möglichen Bedrohungen vorbereitet zu sein, sagte der zuständige Regierungsbeamte Veysel Dalmaz der türkischen Zeitung "Zaman". Demnach werden in Flüchtlingslagern der türkischen Grenzprovinzen Sanliurfa und Gaziantep spezielle Dekontaminierungszelte eingerichtet. In den vergangenen Wochen hatten sich Regierung und Rebellen in Syrien gegenseitig vorgeworfen, im Bürgerkrieg chemische Kampfstoffe eingesetzt zu haben.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte vergangene Woche von einem C-Waffen-Einsatz durch Syriens Regierung gesprochen. Nach Presseberichten will Erdogan seinen Vorwurf unter anderem mit Hilfe von Blutproben mutmaßlicher Opfer syrischer Chemiewaffen untermauern. In zehn Tagen will Erdogan bei einem Besuch in Washington mit US-Präsident Barack Obama über die Lage in Syrien sprechen. Am Wochenende sagte Erdogan mit Blick auf Meldungen über erneute Massaker syrischer Regierungstruppen, der syrische Präsident Baschar al-Assad werde für die Verbrechen einen "sehr hohen" Preis bezahlen.

Seit Ausbruch des Konflikts im südlichen Nachbarland Syrien hat die Türkei nach offiziellen Angaben knapp 200.000 syrische Flüchtlinge in Lagern entlang der Grenze untergebracht. Hinzu kommen mehrere zehntausend Syrer, die außerhalb der Lager bei Verwandten oder in angemieteten Wohnungen in der Türkei leben. Auch im Libanon und Jordanien leben inzwischen jeweils mehr als 400.000 syrische Flüchtlinge. Die Länder sind bereits an den Grenzen ihrer Belastbarkeit angekommen, wie internationale Hilfsorganisationen betonen.

Der Aufstand gegen Assad hatte im März 2011 begonnen und entwickelte sich inzwischen zu einem Bürgerkrieg. Dabei wurden nach UN-Schätzungen mehr als 70.000 Menschen getötet.

Quelle: ntv.de, ghö/AFP/dpa

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