Wer ist die Trump-Gegnerin? Bidens riskanter Plan mit Kamala Harris
22.07.2024, 08:53 Uhr Artikel anhören
Wird Kamala Harris die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten und kann sie Donald Trump besiegen?
(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)
Einst spendete Donald Trump für sie, nun soll Kamala Harris den Republikaner im US-Präsidentschaftswahlkampf besiegen. Die Vizepräsidentin könnte auf das Thema Abtreibung setzen und das Feuer einer neuen Generation entfachen. Die Attacken der Republikaner laufen aber bereits.
"Meine allererste Entscheidung als Kandidat der Partei im Jahr 2020 war es, Kamala Harris als meine Vizepräsidentin zu wählen", schrieb US-Präsident Joe Biden in seinem Brief, in dem er am Sonntag seinen Rückzug aus dem Präsidentschaftswahlkampf ankündigte: "Und es war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe." Geht es nach Biden, soll Harris seine Nachfolgerin werden. Zwar ist noch nicht klar, ob die 59-Jährige überhaupt die Kandidatin wird, aber riskant ist der Plan des scheidenden Präsidenten jetzt schon.
Die in Kalifornien als Tochter einer in Indien geborenen Mutter und eines in Jamaika geborenen Vaters zur Welt gekommene Kamala Devi Harris schrieb US-Geschichte, als sie als erste Schwarze Frau und als erstes Kind von Einwanderern zur Vizepräsidentin aufstieg. Vorher hatte sie nach ihrem abgeschlossenen Jurastudium als Bezirksstaatsanwältin von San Francisco gearbeitet, um 2010 zur Generalstaatsanwältin von Kalifornien, dem höchsten Amt der Strafverfolgungsbehörden des Staates, gewählt zu werden.
2016 wurde Harris in den US-Senat gewählt und stieg dort zu einer führenden Kritikerin von Donald Trump auf. Insbesondere griff die Demokratin ein aufs andere Mal seine Einwanderungspolitik an. Als Trump 2018 Brett Kavanaugh für den Obersten Gerichtshof vorschlug, war es die aggressive Befragungsweise der Juristin, die ihr den Aufstieg zu einem Stern am Himmel der Demokraten sicherte. 2017 hatte sie bereits den damaligen Generalstaatsanwalt Jeff Sessions über die Russland-Ermittlungen ähnlich in die Mangel genommen.
Republikaner greifen Harris wegen Einwanderungspolitik an
Bevor Harris von Biden als seine Vize ausgewählt wurde, war sie seine Konkurrentin. Während ihrer kurzlebigen Präsidentschaftskampagne für die vergangene Wahl geriet sie gar mit ihm aneinander. In einer Debatte im Jahr 2019 hatte Harris Biden auch zum Thema "race" herausgefordert und ihm vorgeworfen, im Senat mit Unterstützern von Segregation zusammengearbeitet zu haben. Anschließend nahmen Experten an, dass Harris' Chancen auf das Amt der Vizepräsidentin passé wären, aber Biden, der angekündigt hatte, eine Frau für den Job auswählen zu wollen, entschied sich trotzdem für sie.
In ihrer Amtszeit als Vizepräsidentin konnte die ehemalige Staatsanwältin, wie es meist der Fall ist in den USA, wenig Punkte sammeln. Ihre Rolle war es, die Politik ihres Chefs zu unterstützen. Das tat sie, ohne aus dem Raster zu fallen; das heißt, ohne große Sympathiepunkte zu sammeln und ohne in allzu große Fettnäpfchen zu treten.
Allerdings brachte ihr die von Biden übertragene und unliebsame Aufgabe, die Bemühungen zur Eindämmung der Migration aus Süd- und Mittelamerika anzuführen, immer wieder Kritik ein. Harris drängte stets darauf, den Schwerpunkt auf Kinder und praktische Lösungen für die Migration zu legen, während empörte Republikaner die strengere Einwanderungspolitik des ehemaligen Präsidenten Trump zurückwollten. Weil die Krise an der Grenze alles andere als gelöst ist und Trump sie zu einem seiner Schwerpunkte des Wahlkampfs gemacht hat, wird der Ex-Präsident Harris an dieser Stelle aggressiv attackieren.
Bereits zuvor waren republikanische TV-Werbungen im Umlauf, die die Vizepräsidentin mit der Grenzsicherheit in Verbindung bringen. Kurz nach Bidens Rückzug veröffentlichte das Republican National Committee ein Video, in dem es Harris wegen der Einwanderungspolitik angreift. "Das ist die Wahrheit über Kamala Harris", heißt es im Clip. "Sie ist gefährlich liberal bezüglich illegaler Einwanderung." Auf dem Parteitag der Republikaner in Milwaukee kritisierte vergangene Woche ein Redner nach dem anderen sowohl Harris als auch Biden wegen illegaler Grenzübertritte und hoher Inflationsraten.
Harris könnte mit Thema Abtreibung punkten
Ein weiteres Thema, bei dem sich Biden während seiner gesamten Präsidentschaft auf Harris stützte, war Abtreibung. Die Vizepräsidentin, mehr als jeder andere, war es, die im Weißen Haus die Rechte im Bereich der reproduktiven Gesundheit unnachgiebig vertrat. Ein Umstand, der die Republikaner und Trump in Gefahr bringen können. Harris dürfte sich nun noch offensiver für den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen einsetzen und könnte, nicht zuletzt, weil sie glaubhafter als Biden rüberkommt, den republikanischen Kandidaten in eine Debatte hineinziehen, die seine Siegchancen untergraben könnte.
Während Biden als katholischer Mann bei Abtreibungsbefürwortern oft nicht genug punkten konnte, ging Harris auf eine landesweite Tournee zum Thema. Als erste Vizepräsidentin besuchte sie eine von der Organisation "Planned Parenthood" betriebene Klinik, die Abtreibungen anbietet. Seit die drei von Trump ernannten Richter des Obersten Gerichtshofs 2022 dazu beigetragen haben, eine Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsrecht ("Roe v. Wade") zu kippen, hat sich die öffentliche Meinung in Bezug auf Abtreibung gegen die Republikaner gewandt und sogar zu einem unerwartet schlechten Abschneiden bei den Zwischenwahlen 2022 beigetragen.
In einer Umfrage des führenden US-Markt- und Meinungsforschungsinstitute Gallup gaben im Mai zweiunddreißig Prozent der Befragten an, dass sie nur für einen Kandidaten stimmen würden, der ihre Ansichten zur Abtreibung teilt. Außerdem ist etwa die Hälfte der republikanischen Wählerinnen der Meinung, dass Abtreibung in allen oder den meisten Fällen legal sein sollte, wie eine aktuelle nationale Erhebung zeigt. Demnach will sogar die Mehrheit der Frauen, die republikanisch wählen, dass Abtreibung in Fällen von Vergewaltigung, Inzest oder einem Schwangerschaftsnotfall legal ist.
Trump spendete einst für Harris
Bidens letzter großer Plan, er ist so interessant wie riskant. Kann Harris die Präsidentschaftswahlen gewinnen, so sie denn die Kandidatin der Demokraten wird? Als Trump 2011 5000 US-Dollar für Harris' Wiederwahlkampagne als Generalstaatsanwältin von Kalifornien spendete, ahnte er noch nicht, dass er mal im Präsidentschaftswahlkampf gegen sie antreten könnte. In seinem kurzen CNN-Interview behauptete er jüngst, Harris sei leichter zu schlagen als Biden. Bei seiner Rede auf dem Parteitag schimpfte er sie mehrfach "verrückt".
Jüngste Umfragen, die nach Bidens schwacher Leistung bei der TV-Debatte gegen Trump durchgeführt wurden, ließen zwar nicht darauf schließen, dass Harris Trump im November eher schlagen könnte als der derzeitige Präsident. Anhänger der Vizepräsidentin - vor allem ihre Super-Fans, die sich selbst "KHive" ("hive" bedeutet Bienenstock) taufen - argumentierten aber, dass sich diese Umfragen ändern könnten, sobald Biden aus dem Rennen ist.
Zumindest ist nun die Dynamik des Rennens bis zum November weitaus weniger klar, da Trump ein neuer Gegner, zudem eine Gegnerin, gegenübersteht. Viele Demokraten und unentschlossene Wähler in den USA haben sich zuletzt intensiv nach einer Veränderung im Wahlkampf gesehnt. Manche gar nur nach einer halbwegs normalen Option unter den Kandidaten. Harris verfügt über umfangreiche Führungserfahrung und könne in einer Zeit, in der die Demokratie und die Rechte von Frauen angegriffen werden, eine starke Stimme werden.
Zur riesigen Zielscheibe der republikanischen Kritik wird Kamala Harris auch werden, schon weil sie eine Schwarze Frau ist. Dennoch ist Biden mit seinem Rückzugsbrief bereits eine kleine Staffelstabübergabe gelungen. Harris kann für eine kämpferische, vielfältige und mutige Zukunft stehen. Für das nötige neue Feuer im Wahlkampf. Für eine neue Generation von Demokraten, die dem rückschrittlichen Gedankengut von Donald Trump und seinen "Make America Great Again"-Anhängern die Stirn bietet.
Quelle: ntv.de