Wie westliche Waffen einsetzen? Ukraine bekommt Unterstützung für mehr Befugnisse
29.05.2024, 20:47 Uhr Artikel anhören
Ein französischer Jet mit Scalp-Raketen bestückt.
(Foto: picture alliance / abaca)
Bei den Diskussionen um Waffenlieferungen steht derzeit für die Ukraine nicht im Vordergrund, welches militärische Material sie bekommt, sondern was sie damit anstellen darf. Vor dem NATO-Treffen in Prag machen mehrere Bündnisländer Druck im Sinne der Ukraine.
US-Außenminister Antony Blinken hat eine "Anpassung" der westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine in Aussicht gestellt. Bei einem Besuch in Moldau antwortete Blinken auf die Frage eines Journalisten, ob er die bislang gültigen Beschränkungen für den Einsatz von US-Waffen auf russischem Staatsgebiet befürworte: "Bei jedem Schritt auf dem Weg haben wir uns angepasst und nach Bedarf umgestellt. Und genau das werden wir auch in Zukunft tun."
Zuletzt hatten mehrere Medien berichtet, dass Blinken US-Präsident Joe Biden dazu dränge, der Ukraine auch Angriffe auf militärische Ziele auf russischem Staatsgebiet zu ermöglichen. Bei seinem Besuch in Moldau am Vorabend eines Treffens der NATO-Außenminister in Prag sagte Blinken, seit der russischen Invasion der Ukraine hätten "sich die Bedingungen geändert, das Schlachtfeld hat sich verändert, und Russland hat seine Aggressions- und Eskalationspolitik geändert, sodass wir uns angepasst und umgestellt haben".
Polen, Finnland und Kanada machen Druck
Während sich aus Blinkens vagen Äußerungen noch lange keine Schlüsse ziehen lassen, machen mehrere NATO-Länder in der Frage aber Druck im Sinne der Ukraine. So erklärte Polens stellvertretender Verteidigungsminister Cezary Tomczyk, die Ukraine sei frei darin, die von Polen gelieferten Waffen zu nutzen, "wie immer sie wollen". Tomczyk fordert die westlichen Länder auf, "ebenfalls ihre Beschränkungen aufzuheben".
Die kanadische Außenministerin Melanie Joly sagte auf einer Pressekonferenz in Schweden, ihr Land knüpfe Waffenlieferungen an keine Bedingungen und werde mit den Streitkräften der Ukraine weiter zusammenarbeiten. Man werde das Thema bei anstehenden NATO-Beratungen ansprechen. Wie die Online-Zeitung "Uusi Suomi" berichtet, erklärte auch die finnische Außenministerin Elina Valtonen, die Ukraine könne mit von ihrem Land bereitgestellten Waffen Russland angreifen - im Einklang mit dem Völkerrecht.
Scholz bisher vage
Zwar wäre für die Ukraine ein Placet von Ländern bedeutender, die Langstreckenwaffen liefern - allen voran der USA - nichtsdestotrotz scheint in der NATO-internen Diskussion um die Verwendung westlicher Waffen nun die Position derer gestärkt, die der Ukraine mehr Handlungsmöglichkeiten einräumen wollen. Denn das Bündnis ist in der Frage gespalten. Kürzlich hatte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gefordert, bestehende Beschränkungen aufzuheben, was den Einsatz westlicher Waffen in Richtung von militärischen Zielen auf russischem Territorium angeht.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dessen Land der Ukraine immerhin Scalp-Marschflugkörper mit mehreren Hundert Kilometern Reichweite geliefert hat, äußerte sich jüngst auf Schloss Meseberg im Sinne der Forderung Stoltenbergs. "Wir denken, dass wir ihnen erlauben sollten, die Militärstandorte, von denen aus die Raketen abgefeuert werden, und im Grunde genommen die militärischen Standorte, von denen aus die Ukraine angegriffen wird, zu neutralisieren", sagte Macron nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz zum Abschluss seines dreitägigen Staatsbesuchs in Deutschland. Er stellte jedoch klar: "Wir sollten nicht erlauben, andere Ziele in Russland zu treffen, zivile Kapazitäten natürlich oder andere militärische Ziele."
Bundeskanzler Scholz äußerte sich weniger klar als Macron zu der Frage, ließ aber durchblicken, dass er keine rechtlichen Einwände gegen ein solches Vorgehen hätte. Die Ukraine habe völkerrechtlich alle Möglichkeiten für das, was sie gegen die russischen Angreifer tue. "Das muss man ausdrücklich sagen: Sie ist angegriffen und darf sich verteidigen." Für die Nutzung der von den USA, Frankreich und Deutschland gelieferten Waffen gelte, dass das Völkerrecht einzuhalten sei. "Das hat bisher praktisch gut funktioniert und wird es auch sicher", betonte Scholz.
Scholz hatte bisher immer betont, dass Deutschland sich nicht direkt an dem Krieg gegen Russland beteiligen wird. Das spielt auch bei seiner Ablehnung der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern in die Ukraine die zentrale Rolle.
Quelle: ntv.de, mpe/AFP/dpa