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Vorbereitung der Gegenoffensive Ukraine verstärkt Angriffe auf elektronisches Kriegsgerät

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Das russische  Borisoglebsk 2 ist ein multifunktionales EWS. Es dient dazu, Satellitenkommunikation und Funknavigation zu stören und kann Befehls- und Kontrollfunknetze sowie Kommunikationsleitungen erkennen, lokalisieren und stören (Quelle: @gepardtatze).

Das russische Borisoglebsk 2 ist ein multifunktionales EWS. Es dient dazu, Satellitenkommunikation und Funknavigation zu stören und kann Befehls- und Kontrollfunknetze sowie Kommunikationsleitungen erkennen, lokalisieren und stören (Quelle: @gepardtatze).

(Foto: picture alliance/dpa)

Eine massive Steigerung der Angriffe auf Aufklärungsradar und anderes russisches elektronisches Kriegsgerät deutet laut unabhängigen Analysten auf eine bevorstehende Gegenoffensive der Ukraine hin. Das war bereits bei vorangegangenen Offensiven so und könnte erneut mitentscheidend sein.

Dass die Ukraine für dieses Frühjahr eine große Gegenoffensive plant, ist kein Geheimnis. Schon Anfang Januar kündigte sie Geheimdienstchef Kyrylo Budanow in einem ABC-Interview an. Die härtesten Kämpfe erwartete er im März. Am 25. März sagte Präsident Selenskyj einer japanischen Zeitung, die Gegenoffensive könne noch nicht starten, es fehlten schwere Waffen und Kampfjets. Verteidigungsminister Resnikow nannte am Tag danach im estnischen Fernsehen, je nach Wetterlage sei die Offensive im April oder Mai zu erwarten.

Die Vorbereitungen laufen offenbar aber schon seit März auf Hochtouren, wie die Recherche von unabhängigen Analysten der OSINT-Plattform Molfar ergeben hat. Die Experten sammelten dafür bestätigte Informationen über durch die Ukraine zerstörte oder erbeutete elektronische Kriegssysteme der russischen Truppen seit dem Start der Invasion im Februar 2022. Dazu gehören vor allem mobile Radar- und Störsysteme.

Molfar betont, dass die Analyse keine strategischen Geheiminformationen über die Pläne des ukrainischen Generalstabs verrät. Die Auswertung der Daten bestätige aber die Angaben der Militärführung in Kiew.

Extrem starker Anstieg im März

Hier ist der enorme Anstieg im März gut zu erkennen.

Hier ist der enorme Anstieg im März gut zu erkennen.

(Foto: Molfar)

Die Analysten zählten bis zum 14. April insgesamt 133 zerstörte oder erbeutete (13,5 Prozent) Systeme im Gesamtwert von geschätzt mehr als 1,1 Milliarden Euro. Dabei fiel ihnen auf, dass deren Anzahl jeweils kurz vor den bisherigen ukrainischen Großangriffen signifikant zunahm. Während sich in "normalen" Monaten die Erfolge im einstelligen Bereich bewegten, wurden vor den Gegenoffensiven der ukrainischen Streitkräfte in Kiew und Charkiw 18 Systeme zerstört oder erbeutet. Vor der Befreiung von Gebieten in der Region Cherson und anderen südlichen Regionen waren es 13.

Alleine in diesem März zählten die Analysten 34 verlorene russische Radar- und Störsysteme, während es im Februar nur neun waren. Bis zum 14. April registrierten sie bereits mindestens zehn weitere ukrainische Erfolge, ein Zeichen dafür, dass die Intensität der Angriffe auf Gerät der russischen elektronischen Kriegsführung weiter hoch ist.

90 Prozent der Drohnen ausgefallen

Wie wichtig es für das ukrainische Militär ist, russische Radarsysteme und andere elektronische Kampfsysteme (EWS/Electronic Warfare Systems) auszuschalten, zeigt eine Studie des Londoner Royal United Services Institute (RUSI), für die Militärexperten die ersten fünf Monate des Angriffskrieges auswertete. Demnach wurden 90 Prozent der ukrainischen Flugdrohnen (Unmanned Aerial Vehicles/UAV) bis zum Juli 2022 abgeschossen oder stürzten ab.

Unmittelbar nach Beginn der Invasion setzte das ukrainische Militär seine Drohnen noch sehr erfolgreich ein. Dann brachten die Russen aber ihre überlegenen Einheiten der elektronischen Kriegsführung (Electronic Warfare Systems/EWS) mit bis zu zehn Komplexen pro 20 Kilometer-Frontabschnitt in Stellung.

"Gemeinsam haben diese Komplexe die Navigation entlang der Front effektiv gestört und Peilungen durchgeführt, um Artillerie und elektronische Angriffe auf ukrainische Flugzeuge und UAVs zu lenken", schreiben die Verfasser der Studie. Sowohl die massenhaft eingesetzten kleinen Copter als auch größere Starrflügler wie die türkischen Bayraktar-Drohnen der ukrainischen Armee seien von da an wie Fliegen vom Himmel gefallen, schrieb "The Forbes".

Ein Copter übersteht nur drei Tage

"Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Quadcopters betrug durchschnittlich drei Tage", heißt es in der RUSI-Studie. Bei Starrflüglern seien es sechs Tage gewesen. Insgesamt sei nur noch ein Drittel der Drohnen-Einsätze erfolgreich verlaufen. Das ist kritisch für die ukrainische Armee, die zur Aufklärung und Zielführung stark auf den Drohneneinsatz angewiesen ist. Vor allem dann, wenn sie in die Offensive geht.

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"Die elektronische Kriegsführung ist heute das Herzstück der modernen Kriegsführung, eine ergänzende Komponente oder sogar ein Ersatz für den traditionellen Kampf", heißt es in einem Artikel auf "The Cyber Edge". "Schlachten und Kriege können gewonnen oder verloren werden, indem der technologische Vorteil des Gegners im Funkfrequenzspektrum besiegt wird ..."

"Die entscheidende Frage"

Auch die Ukraine besitzt EW-Systeme und hat sich wahrscheinlich an die Situation in den vergangenen Monaten angepasst. Dass die russischen Störsender aber nach wie vor ein großes Problem sind, geht aus einem Video hervor, das Anfang Januar nahe Bachmut von Radio Free Europe/Radio Liberty aufgenommen wurde. Ukrainische Artilleristen koordinieren darin das Geschützfeuer mithilfe von Coptern. Die entscheidende Frage sei, ob die Drohnen durch die russischen Störungen kämen, sagen sie. "Sie prüfen uns, das kann ich aus Erfahrung sagen, manchmal aus schmerzvoller Erfahrung", sagt einer der Piloten. Der einzige Weg, keine Verluste zu haben, sei nicht zu fliegen. "Aber wir brauchen Drohnen."

Quelle: ntv.de

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