Politik

"Unantastbar" im Weißen Haus Stephen Miller - Trumps treuer Stratege mit Nähe zu Rassisten

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Ist schon lange an Donald Trumps Seite: Stephen Miller.

Ist schon lange an Donald Trumps Seite: Stephen Miller.

(Foto: AP)

Seit einem Jahrzehnt hält Stephen Miller dem US-Präsidenten die Treue, so lange wie niemand sonst im Weißen Haus. Der Steuermann und Propagandist von Donald Trump verantwortet vieles: die extreme Rhetorik gegen politische Gegner, die massenhaften Abschiebungen - und die Begründungen dafür.

Die USA unter Donald Trump zeigen rund ein Jahr nach der Wahl autokratische Tendenzen mit rassistischen Tönen. Und wenn es so etwas wie einen Propagandisten gibt in seiner zweiten Präsidentschaft, ist es Stephen Miller. Deutlich wurde das nicht zuletzt bei der zur entsprechenden Veranstaltung verzerrten Trauerfeier für den rechten Aktivisten Charlie Kirk. "Wir sind der Sturm. Sie können sich nicht vorstellen, was sie erweckt haben (..) weil wir für das Gute, das Tugendhafte, das Edle stehen", tönte dort der stellvertretende Stabschef des Weißen Hauses von der Bühne.

"Unsere Abstammung und unser Erbe reichen zurück bis nach Athen, Rom, Philadelphia und Monticello. Unsere Vorfahren haben die Städte gebaut. Sie haben die Kunst und die Architektur geschaffen. Sie haben die Industrie aufgebaut", behauptete er zudem, und beschimpfte die politischen Gegner als "nichts". Die bezeichnete Miller bei der Veranstaltung im Bundesstaat Arizona als Feinde. "(Das Feuer in unseren Herzen) brennt mit einem gerechten Zorn, den unsere Feinde weder begreifen noch verstehen können." Trump sagte beim Andenken an den Aktivisten, Kirk sei "jetzt ein Märtyrer". "Ich hasse meine Gegner", feuerte Trump zudem ins Publikum.

Doch es war Millers Rede, die extremistisch klang; gegen einen ungefähren Feind in "Wir gegen die"-Rhetorik. Manche sahen sogar Parallelen zur Wahlkampfrede "Der Sturm bricht los" von NSDAP-Propagandist Joseph Goebbels im Jahr 1932 in Berlin. Darin war der von Kommunisten erschossene Horst Wessel zum Märtyrer der Bewegung verklärt worden.

Viele Jahre hat Miller damit verbracht, dorthin zu kommen, wo er jetzt ist. Viele Jahre, in denen er geplant und vorbereitet hat, was Trumps Regierung jetzt durchführt. Die Dekrete über Einwanderer als Terroristen, die erklärten Notstände, die mitunter brutalen Abschiebungen, den Ausbau der Abschiebegefängnisse, der Angriff auf die Staatsbürgerschaft bei Geburt - verantwortlich dafür ist Miller. "Amerika den Amerikanern. Und nur den Amerikanern", tönte der im vergangenen Jahr bei der Rally der Republikaner im New Yorker Madison Square Garden. Rund eine Woche später gewann Trump die Wahl.

"Das goldene Zeitalter" soll auch Miller mit einleiten - Trump begrüßt den Vizestabschef bei seiner Rally zu den ersten 100 Tage der zweiten Präsidentschaft.

"Das goldene Zeitalter" soll auch Miller mit einleiten - Trump begrüßt den Vizestabschef bei seiner Rally zu den ersten 100 Tage der zweiten Präsidentschaft.

(Foto: REUTERS)

Für die Atmosphäre des permanenten Notstands mit verantwortlich ist Miller. Seit einem Jahrzehnt, und damit länger als jeder andere im Weißen Haus, ist Miller an Trumps Seite. Miller sei "unantastbar", sagte ein Vertrauter Millers zu "NBC". Seit seinem Amtsantritt im Januar unterschreibt der Präsident im Stakkato neue Anordnungen. Aber Trump ist nicht derjenige, der seine Nächte damit verbringt, sie zu schreiben und auf eine rechtliche Basis zu stellen. Dafür ist vor allen anderen Miller verantwortlich, heißt es in US-Medien. "Er macht einen phänomenalen Job", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, über Miller: "Der Präsident vertraut ihm absolut. Er liefert."

Ein Grund dürfte sein, dass der stellvertretende Stabschef gnadenlos mit jedem ist, der sich gegen den Präsidenten stellt oder dessen Agenda kritisiert; ganz nach Trumps üblicher aggressiver Vorgehensweise. Personen in deren Umfeld sprechen über den 40-Jährigen deshalb mit einer ganzen Reihe von Spitznamen, schreibt der "Rolling Stone": "Ministerpräsident", der "wahre Generalstaatsanwalt", "Chef des Heimatschutzministeriums", "Schattenverteidigungsminister" oder gar "Präsident Miller". Demnach tue auch "Kriegsminister" Pete Hegseth, was Miller wolle. Etwa die Nationalgarde, die das Pentagon befehligt, in demokratisch regierte Städte entsenden.

Wer mitmacht, bekommt 50.000 Dollar

Unter Miller ist die Einwanderungsbehörde ICE gefürchtet: Ihre Mitarbeiter setzen Menschen wegen ihres Aussehens fest, treten vermummt auf, gehen mit körperlicher Gewalt vor. Unter ihren Opfern sind auch US-Bürger. Einwanderer, die einmal ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung ins Land kamen, gelten unter der neuen Regierung ihr Leben lang als kriminell. Verjährung gibt es nicht. Manchen Latinos werden Mitgliedschaften in Drogenkartellen oder Banden angedichtet, möglicherweise, um die laut US-Medien vorhandenen Verhaftungsquoten mehrerer Tausend Einwanderer täglich zu erfüllen.

Dafür braucht ICE viel mehr Personal. "Amerika braucht Dich", zeigt Uncle Sam auf der Rekrutierungs-Website auf Interessierte. Wer Millers und Trumps "größte Abschiebung der Geschichte" mit ermöglicht, dem wird eine Einstellungsprämie von 50.000 US-Dollar, ein Studierendenkrediterlass von 60.000 US-Dollar sowie ein Jahresgehalt von bis zu 100.000 Dollar versprochen. Auch dorthin geht das Geld, das die Republikaner in ihrem riesigen Gesetzespaket bei der staatlichen Krankenversicherung gestrichen haben. Ende des Jahres verlieren deshalb rund 5 Millionen Niedrigverdiener ihren Versicherungsschutz. Insgesamt wird mit etwa 17 Millionen Menschen gerechnet, die in den kommenden zehn Jahren aus der Krankenversorgung herausfallen.

Ein Beispiel: Zuletzt wurde der Aufsichtsleiter des größten Schulbezirks der Stadt Des Moines verhaftet. Der frühere Olympionike Ian Roberts aus Guyana war 2009 mit einem Studierendenvisum eingereist, hatte in den USA studiert, lange als Lehrer gearbeitet. Im Mai 2024 erhielt er eine Ausreiseaufforderung. Die Polizei fand eine Handfeuerwaffe bei ihm, keine Seltenheit in den USA. Das Heimatschutzministerium, dem ICE untersteht, beschreibt den 54-Jährigen nun als "kriminellen Illegalen" und als Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Mitarbeiter und Schüler sagen das Gegenteil - Roberts sei ein geachtetes Mitglied der Gemeinschaft gewesen.

Doch in öffentlichen Äußerungen der US-Regierung sind die Grenzen zwischen Migranten und Kriminellen so gut wie verschwunden. Extremistische Provokationen gehören zum Repertoire. An Mikrofonen und im Fernsehen attackiert Miller die politischen Gegner mit martialischen, radikalen Worten. Einwanderer bezeichnet er als "ausländische Invasoren", die "dieses Land überfluten". "Das amerikanische Volk schreit nach einem Präsidenten, der es vor dieser Invasion rettet", behauptete er im Mai. Trump entmenschlichte Migranten im Wahlkampf als "Ungeziefer" und "Tiere". "Sie vergiften das Blut unseres Landes", behauptete er einmal vor einer aufgebrachten Menge.

Äußerst resolute Positionen: Stephen Miller.

Äußerst resolute Positionen: Stephen Miller.

(Foto: REUTERS)

Nähe zu Rassisten

Millers Radikalisierung begann einer Biografie zufolge schon in dessen Schulzeit in Kalifornien. Demnach kündigte er unter anderem seine Freundschaft mit einem Latino wegen dessen Herkunft, später tauchte er ein in die Nachrichtenwelt der radikalen Rechten, tauschte sich mit Rassisten (white supremacists) wie Richard Spencer aus. Dann ging er nach Washington, wo er als Mitarbeiter des Südstaaten-Senators Jeff Sessions eine parteiübergreifende Einwanderungsreform im Kongress zu Fall brachte. Sie sollte unter anderem Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung unter bestimmten Umständen den Weg zum Bleiberecht öffnen.

Bei der rechten Website "Breitbart", die Trumps politischen Aufstieg medial flankierte, agierte er als Hilfschefredakteur, der Inhalte zur Veröffentlichung empfahl. Seit Januar 2016 ist er ein Mitarbeiter Trumps, schrieb zunächst dessen Reden - auf Empfehlung des rechten Politikstrategen Steve Bannon - und radikalisierte damit dessen Rhetorik. In der ersten Präsidentschaft Trumps war Miller zudem für die Familientrennung an der Grenze sowie den Muslim-Einreisebann verantwortlich. Er erfuhr dabei, wie eine Präsidentschaft sich in den Weiten der Behörden versumpfen kann. Das würde ihm in dieser Form kein zweites Mal passieren, wie inzwischen klar ist.

In Trumps zweiter Amtszeit hat es Miller neben den Massenabschiebungen zu einer Priorität gemacht, den Einsatz von US-Truppen auf amerikanischem Boden zu normalisieren - nicht für Notfälle, sondern für innenpolitische Zwecke. Der Widerstand gegen ICE und die Abschiebungen sind laut Miller ein "Aufstand" und "inländischer Terrorismus", entsprechend könne Trump auch mit dem Militär im Innern dagegen vorgehen.

Ende September rief "Kriegsminister" Hegseth seine komplette Militärführung, rund 800 Offiziere, in einer Kaserne nahe Washington zusammen und erklärte ihnen, ab jetzt sollten sie auch "den Feind im Innern" bekämpfen. Trump riet den Generälen an derselben Stelle, die Einsätze in Städten als "Trainingsgelände" des Militärs zu nutzen.

"Wir sind der Sturm"

Der Mann mit der groben Mimik ist der Kopf hinter Trumps beabsichtigten Einwanderungsreformen und Politik der harten Hand im eigenen Land. Wessen Widerstand gebrochen werden soll? Die Demokraten, sagte Miller einmal, "sind keine politische Partei. Es ist eine inländische terroristische Vereinigung." Trump hat die Grenzen des Sagbaren in der US-Politik verschoben; Miller hat ihm den Weg aufgezeigt.

Nach der Ermordung Kirks unterschrieb Trump zwei Dekrete, in denen er die Behörden anweist, gegen "politische Gewalt" vorzugehen. Dazu gehört auch der schwammige Tatbestand "Einschüchterung". Die Anordnungen sind äußerst breit angelegt und könnten als Grundlage für politische Verfolgung und Ermittlungen gegen unliebsame Personen, NGOs und deren finanzielle Unterstützer verwendet werden. Das sagen auch Experten aus Republikaner-nahen Denkfabriken.

In einer Reihe von E-Mails, veröffentlicht von der renommierten Bürgerrechtsorganisation Southern Poverty Law Center (SPLC), hatte sich Miller schon vor Jahren unter anderem mit dem Nazi-Mythos eines Völkermords an Weißen und mit Eugenik auseinandergesetzt. "In seinen E-Mails macht Miller deutlich, wie sehr er eine andere Epoche des Landes schätzt, als Präsident Calvin Coolidge das Einwanderungsgesetz von 1924 unterzeichnete, das die Einwanderung aus bestimmten Teilen der Welt stark einschränkte", schreibt "NBC". Asiaten durften entsprechend dem Gesetz über Jahrzehnte gar nicht einwandern, Weiße wurden stark bevorzugt. Der Kongress ersetzte es 1965 im Zuge der Bürgerrechtsbewegung. Coolidge werde von Nazis bewundert, so das SPLC.

Trumps wichtigste Stunden sind also auch Millers. Der stellvertretende Stabschef hat einen enormen Einfluss darauf, welche Schritte der Präsident und die Regierung unternehmen. Er leitet den Heimatschutzrat im Weißen Haus. In vorherigen Regierungen war dieses Gremium schlussendlich dem Nationalen Sicherheitsrat untergeordnet. Jetzt nicht mehr. Damit hat Miller sich praktisch eine Position in der Regierung geschaffen, aus der er nur dem Präsidenten direkt untersteht. Und für seine und Trumps Prioritäten als Stratege agiert.

Quelle: ntv.de

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