Politik

Dekret nach Dekret nach Dekret Trump erklärt die USA zum Land des Notstands

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Regiert mit deklarierten Notständen und Dekreten: US-Präsident Donald Trump.

Regiert mit deklarierten Notständen und Dekreten: US-Präsident Donald Trump.

(Foto: REUTERS)

In seiner zweiten Amtszeit umgeht US-Präsident Trump den Kongress, wann er nur kann, deklariert Notstand auf Notstand, unterschreibt Dekret nach Dekret. Aufhalten könnte ihn nur der Supreme Court. Aber der ist ihm bislang wohlgesinnt.

Nun soll der Supreme Court entscheiden, ein weiteres Mal, so schnell und mit so wenig Bedenkzeit für die Richter wie möglich. Darf Donald Trump im Handstreich Zölle gegen Importe aus anderen Ländern verhängen?

Der US-Präsident hat es einfach getan, damit die Weltwirtschaft in Unsicherheit gestürzt und "Deals" erpresst, die andere Länder ohne die Gebühren wohl nicht akzeptiert hätten. Jetzt behauptet er gegenüber dem Obersten Gericht, ein Urteil gegen seine Zölle würde die Vereinigten Staaten "buchstäblich zerstören". Trumps Regierung beruft sich auf eine Notlage wegen des US-Handelsdefizits und Drogenschmuggels, weshalb der Präsident laut dem "International Emergency Economy Powers"-Gesetz aus dem Jahr 1977 in Eigenregie Zölle verhängen dürfe. In anderen Zeiten liegt die Entscheidung darüber beim Kongress.

Das ist nur ein Beispiel dafür, wie Trump in seiner bisherigen zweiten Amtszeit vorgeht. Mit Notständen und am Rand der Erpressung. Der Republikaner erklärt schon seit Jahren, die Vereinigten Staaten seien in einer permanenten Krise. Das erleichtert die Dinge für ihn. Trump geht vor wie anderswo Autokraten und Diktatoren: Ist Widerstand gegen deinen Willen möglich, erkläre flugs einen Notstand. Einen umfassenden verfassungsmäßigen Notstand, wie in manch anderem Land, der Rechte und Regeln aussetzt, gibt es in den USA nicht. Wohl aber eine Handvoll, auf bestimmte Themenbereiche bezogene Gesetze, auf die er sich in seinen Dekreten beruft.

Hunderte Maßnahmen

Diese Gesetze sind neben dem International Emergency Economy Powers Act der Alien Enemies Act. Danach darf der Staat Ausländer im Kriegsfall oder bei einer nicht näher definierten "Invasion" schnell abschieben. Der Präsident kann zudem laut eines Gesetzes die Nationalgarde im eigenen Land einsetzen, um Recht und Gesetz zu verteidigen. Für die Hauptstadt Washington gibt es eine Regelung, die das Weiße Haus im Falle eines "Kriminalitätsnotfalls" dazu befugt, die Polizei zu befehligen.

Darauf fußen Hunderte von Trumps direkt verhängten Maßnahmen, die sonst vom Kongress verabschiedet oder langwierig überprüft werden müssten. Daher kommen die Vorwürfe, Trump gehe wie ein Autokrat vor. Schon jetzt kommt Trump auf rund 200 Anordnungen von seinem Schreibtisch, fast so viele wie in seiner gesamten ersten Amtszeit. Macht er so weiter, wird er 2028 mehr Dekrete erlassen haben als jeder andere US-Präsident seit der Großen Depression und der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg: In seiner ersten Amtszeit von 1933 bis 1937 unterschrieb Franklin D. Roosevelt 1707 Anordnungen.

Fast ein Jahrhundert später hat Trump bislang zehn Notstände - sowohl gesetzlich geregelte als auch rhetorische - ausgerufen, auf deren Basis seine Regierung vorgeht, hat die "New York Times" gezählt. Regierungsgegner und NGOs ziehen gegen nahezu alles vor Gericht, da es angesichts der bislang Trump-treuen, wenn auch knappen Mehrheiten der Republikaner im Senat und Kongress die einzige Möglichkeit ist, Trump Stoppschilder vor die Nase zu setzen. Selbst der Republikaner sagt: Ein Urteil des Supreme Court würde er nicht ignorieren. Nach und nach gelangen diese grundlegenden legalen Konflikte an das Oberste Gericht. Das segnet mit seinen Urteilen die Politik Trumps ab, untersagt oder beschränkt sie.

Eine grobe Übersicht über Trumps bisherige Notstände und Maßnahmen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Notstand an der Südgrenze zu Mexiko. Ausbau der Grenzanlagen und Einsatz des Militärs
  • Erklärung des Notstands wegen ausländischer Drogenkartelle, negativer wirtschaftlicher Folgen und Gefahr für die nationale Sicherheit. Deklarierung als Terrororganisationen. Abschiebungen von Ausländern und Militäreinsätze
  • Nationaler Energienotstand. Lizenzvergabe für Förderung fossiler Energieträger auf öffentlichen Ländereien, Umgehung von Umweltauflagen
  • Gesundheitsnotstand wegen Opioiden. Zölle wegen Fentanyl-Schmuggels oder Komponenten gegen Kanada, Mexiko und China, Sanktionen gegen China, Militäreinsätze
  • Bedrohung der nationalen Sicherheit durch Brasilien. Hohe Zölle gegen die größte südamerikanische Volkswirtschaft Hintergrund: Prozess gegen Brasiliens Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro, ein Verbündeter Trumps, wegen Putschversuch
  • Notstand wegen der Bedrohung der nationalen Sicherheit durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Sanktionen gegen Mitglieder des Gerichtshofes. Gründe: Haftbefehl gegen Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sowie Ermittlungen gegen Israelis und US-Bürger
  • Kriminalitätsnotstand in der Hauptstadt Washington. Präsenz von Nationalgarde und Sicherheitsbehörden, Übernahme des Hauptbahnhofs
  • Berufung auf Gesetz gegen "ausländische Feinde" (Alien Enemies Act). Abschiebungen von Migranten
  • Durchsetzung von Recht und Gesetz. Einsatz der Nationalgarde in Los Angeles wegen angeblicher Bedrohung von Bundesgebäuden und Mitarbeitern der Migrationsbehörde durch Demonstranten

Manche Begründungen sind fragwürdig (Washington), mindestens wacklig (Internationaler Strafgerichtshof) oder offensichtlich konstruiert (Brasilien). Auch zur Wahrheit gehört: Notstände sind Auslegungssache. So haben die USA seit Jahrzehnten ein größer werdendes Handelsdefizit, Trump hat dies nun schlicht zum Anlass genommen, Diplomatie und Industriepolitik mit Zöllen zu verbinden.

Viele Maßnahmen bleiben in Kraft, bis die Justiz entscheiden wird, ob Trumps Notstände auch welche sind. Darin sind Richter historisch gesehen schlecht: "Es ist auffallend, wie wenig die Gerichte böse Absicht erwägen", wird Verfassungsrechtler David Pozen von der Columbia Law School in der "New York Times" zitiert.

Der Supreme Court, vor den die Regierung die Fälle mit ihren Berufungen treibt, ist zudem konservativ dominiert und hat Trump schon einige Male den Rücken gestärkt. Die Gerichte arbeiteten mit wenigen Präzedenzfällen, vagen Gesetzesformulierungen und einer traditionellen Ehrerbietung gegenüber der Exekutive, so Pozen weiter: "Das fällt alles potenziell zu Trumps Gunsten aus."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen