Politik

Hatte "Corelli" Kontakt zum NSU? Verfassungsschutz kontrollierte V-Mann kaum

Selbst das zuständige Ministerium sieht schlimme Versäumnisse.

Selbst das zuständige Ministerium sieht schlimme Versäumnisse.

(Foto: picture alliance / dpa)

14, 19 oder vielleicht sogar 30 Handys? Der Verfassungsschutz hat offenbar keinen Überblick über die Kommunikationsmittel seines Neonazi-V-Manns "Corelli". Nicht nur die Opposition, auch das Innenministerium erhebt schwere Vorwürfe gegen die Behörde.

In der Affäre um den ehemaligen V-Mann "Corelli" zeichnet sich der Umfang der Fehler und Versäumnisse beim Bundesamt für Verfassungsschutz immer klarer ab. Inzwischen sind mehr als ein Dutzend Handys des 2014 gestorbenen Spitzels für die Neonazi-Szene aufgetaucht. Das geht aus einem Untersuchungsbericht des Bundesinnenministeriums hervor, wie Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags in Berlin durchblicken ließen.

Die Abgeordneten sprachen von klaren Verstößen gegen Vorschriften in dem Amt, "eklatanten Defiziten" sowie einem erheblichen Mangel an Kontrollen und einer Distanzlosigkeit des V-Mann-Führers zu seinem V-Mann. Der Fall ist brisant im Zusammenhang mit der Mordserie der Neonazi-NSU-Terrorzelle. Denn nicht restlos ausgeräumt ist, dass "Corelli" einen Hinweis oder sogar Kontakt zu den mutmaßlichen Mördern der NSU-Terrorzelle hatte. 

Auch die jüngsten Untersuchungen hätten aber keinen direkten Bezug zum NSU erkennen lassen, sagte der Ausschussvorsitzende Clemens Binninger. Zuvor hatten der frühere Ministerialdirektor Reinhard Rupprecht, der für das Innenministerium die Affäre untersucht hatte, sowie Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen den Abgeordneten Rede und Antwort gestanden.

In Etappen war in den vergangenen Monaten ans Licht gekommen, dass beim BfV ein riesiger Panzerschrank voller Handys, SIM-Karten und anderer Materialien "Corellis" aufgetaucht war. Trotz aller Untersuchungen rund um den NSU-Terror waren die Dinge vielfach noch nicht ausgewertet worden. Angesichts jahrelangen Behördenversagens gegenüber dem NSU-Terror sorgte das für Empörung. Die Opposition forderte den Rücktritt von Maaßen.

Opposition sieht Verantwortung bei de Maizière

Die Linke-Vertreterin Petra Pau stellte nun fest, "dass es bis heute im BfV keinen Überblick über die genutzten Kommunikationsmittel des V-Manns und des V-Mann-Führers gibt". Mit der Floskel, "Corelli" habe keinen NSU-Bezug, versuche man die Dinge zu verschleiern. Es habe weder eine Kontrolle noch eine Aufsicht darüber gegeben, was der Spitzel und sein V-Mann-Führer gemacht hätten. SPD-Vertreter Uli Grötsch sagte: "Die Verantwortung liegt bei Innenminister Thomas de Maizière." Im BfV selbst ziehe sich die Verantwortung bis zur Amtleitung, sagte die Grünen-Vertreterin Irene Mihalic.

"Corelli" sei eine sehr ergiebige Quelle gewesen. Er habe Einblicke und auch Zugriffe in der Neonazi-Szene ermöglicht, sagte der CDU-Abgeordnete Armin Schuster. Allerdings habe sein BfV-Kontaktmann viel zu lange mit ihm zusammengearbeitet. Der V-Mann-Führer sei zudem überlastet gewesen. Ob es nun 30, 24 oder 19 Handys bei "Corelli" gewesen seien, sei nun Sache der Regierung, sagte Schuster. Binninger sprach von 14 oder mehr Handys.

Noch ist nicht alles ans Licht gekommen. Die Auswertung der Handys läuft teils noch, wie es hieß. Auf einem bereits ausgewerteten Telefon "Corellis" aus der Zeit nach dem Auffliegen der NSU-Terrorzelle waren aber wohl keine Hinweise auf Kontakte zu der Zelle. Mit Spannung werde nun ein weiterer Untersuchungsbericht erwartet, den der ehemalige Grünen-Abgeordnete Jerzy Montag vorlegen soll.

Quelle: ntv.de, mbo/dpa

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