Politik

Angst vor Toten bei Hungerstreik Vermittlungsversuch scheitert

Vogel und Glück wollen die Lage entschärfen.

Vogel und Glück wollen die Lage entschärfen.

(Foto: dpa)

In München verschärft sich die Lage. Rund 50 Asylbewerber befinden sich hier im Hungerstreik und lehnen jede medizinische Versorgung ab. Zwei erfahrene Politiker versuchen zu vermitteln, doch es kommt zu keiner Einigung.

Die rund 50 Asylbewerber in München wollen ihren lebensgefährlichen Hungerstreik fortsetzen. Der Vermittlungsversuch des früheren SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel und des ehemaligen CSU-Politikers Alois Glück ist gescheitert. Dies gaben Vogel und Glück am späten Samstagabend bekannt. Zuvor hatten sie das Zeltlager der Asylbewerber auf dem Rindermarkt in der Innenstadt besucht und mit Vertretern der Gruppe im benachbarten Stadtmuseum ein Gespräch im kleinen Kreis geführt.

Die Asylbewerber aus mehreren afrikanischen und asiatischen Ländern fordern die sofortige Anerkennung ihrer Asylanträge. Seit einer Woche verweigern sie die Nahrungsaufnahme, seit Dienstag trinken sie nichts mehr - in der Regel verdursten Menschen nach wenigen Tagen ohne Wasser. Das Angebot einer Asyl-Schnellprüfung innerhalb von zwei Wochen lehnt ihr Sprecher Ashkan Khorasani - der selbst nicht hungert - kategorisch ab.

"Es erfüllt uns mit großer Sorge und Trauer", sagte Vogel sichtlich erschüttert. Die Streikenden befänden sich in unmittelbarer Lebensgefahr. "Wir gehen hier bedrückt weg", sagte Glück, der dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken vorsteht.

Die Asylbewerber aus mehreren afrikanischen und asiatischen Ländern fordern die sofortige Anerkennung ihrer Asylanträge. Seit einer Woche verweigern sie die Nahrungsaufnahme, seit Dienstag trinken sie nichts mehr - in der Regel verdursten Menschen nach wenigen Tagen ohne Wasser.

Lebensfrist von sechs bis sieben Tagen

Ihr Sprecher Ashkan Khorasani verlangte eine sofortige unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für die Asylbewerber. "Ich habe dargelegt, dass das eine unerfüllbare Forderung ist", betonte Vogel. Die Rechtslage lasse das nicht zu. Vogel und Glück bedauerten, dass sie nicht ausführlich mit den Hungerstreikenden selbst sprechen konnten, sondern nur mit deren Sprecher.

Khorasani kritisierte, die beiden Vermittler hätten keine politischen Angebote gemacht: "Die Behörden haben gezeigt, dass nichts getan wurde, um Vertrauen zu schaffen." Der Vorschlag von Glück und Vogel, mit den Behörden erneut zu verhandeln, wenn der Streik sofort beendet würde, sei nicht ausreichend. "Ich glaube nicht, dass es unmöglich ist, eine Lösung zu finden. Ich bin mir sicher, dass das Gesetz es möglich machen kann." Die Verantwortung für das Leben oder Sterben der Streikenden liege auf den Schultern der Behörden, so Khorasani.

Vogel verwies auf Expertenaussagen, nach denen Menschen im trockenen Hungerstreik eine Lebensfrist von sechs bis sieben Tagen bleibe: "Fünf Tage sind bereits vorbei. Innerhalb von 48 Stunden ist eine Prüfung der 49 Einzelfälle nicht erfüllbar." Vogel und Glück traten nach eigenen Angaben nicht als Unterhändler auf, "sondern als lebenserfahrene Menschen, die helfen wollen, den Tod von 49 Streikenden zu verhindern".

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hatten sich bei einem Krisentreffen in der Staatskanzlei auf den Vermittlungsversuch verständigt. Der Landtagswahlkampf soll angesichts des Ernsts der Lage zurückstehen. Ude tritt bei der Wahl im September als SPD-Spitzenkandidat gegen Seehofer an. "Bei derart schwierigen Entscheidungen, bei denen es nicht rhetorisch, sondern tatsächlich möglicherweise schon in kurzer Zeit um Leben und Tod geht, ist es gut, wenn es einen breiten Konsens gibt", sagte Ude.

Ärzten kommen nicht ins Zeltlager

Vor dem Krisentreffen verweigerten die Unterstützer erneut Ärzten den Zutritt zu dem kleinen Zeltlager in der Münchner Innenstadt. Am frühen Abend wurde dann wieder einem Arzt der Zutritt gestattet. Er ließ einen Mann ins Krankenhaus bringen. Das Hungercamp wurde von Dutzenden Polizisten überwacht. Wie schon in den Vortagen lieferten sich Passanten Wortgefechte.

Am Vortag hatte der Sprecher der Gruppe in einer mit "unsere letzte Nachricht" betitelten Erklärung mit Toten gedroht: "Entweder die Erfüllung der exakten Forderung der hungerstreikenden Asylsuchenden oder Bobby Sands und Holger Meins auf den Straßen Münchens." Meins und Sands waren Terroristen von RAF und IRA, die sich 1974 beziehungsweise 1981 zu Tode gehungert hatten.

Ude ließ keinen Zweifel, dass der Krisenstab von Stadt und Staatsregierung Tote in München verhindern will: "Der absolute Vorrang gebührt dem Schutz von Leib und Leben." Doch wollen die Behörden eine Zwangsräumung des Hungerlagers durch die Polizei offenbar vermeiden. Das "Demonstrationsgeschehen" sei rechtmäßig, sagte Ude dazu.

Die Behörden vermuten aber, dass zumindest einige der hungerstreikenden Asylbewerber von Khorasani und seinen Helfern für politische Zwecke benutzt werden. Die "Rädelsführer" hätten sich selbst auf eine Ebene mit Terroristen gestellt, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU): "Ich bin persönlich nicht überzeugt, dass das dem Bewusstsein und dem Willen aller Teilnehmer dieser Aktion entspricht und dass sie sich überhaupt bewusst werden, wie sie politisch vereinnahmt werden."

In Köln versuchten rund 30 Demonstranten, beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) einzudringen und so Solidarität mit den Asylbewerbern in München zu zeigen. Wie ein Sprecher der Polizei sagte, trommelten sie gegen die Türen eines WDR-Gebäudes, gelangten aber nicht in das verschlossene Haus.

Quelle: ntv.de, dpa

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