Politik

Vater, Veteran, Trainer, Jäger Running Mate von Harris - wer ist Tim Walz?

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Tim Walz wird von den Schülerinnen und Schülern der Webster-Grundschule umarmt. Im März hatte er ein Gesetz unterzeichnet, das kostenlose Schulmahlzeiten garantiert.

Tim Walz wird von den Schülerinnen und Schülern der Webster-Grundschule umarmt. Im März hatte er ein Gesetz unterzeichnet, das kostenlose Schulmahlzeiten garantiert.

(Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire)

Mit Tim Walz als Vizepräsidentschaftskandidaten zieht Kamala Harris in den US-Wahlkampf. Bis vor Kurzem kannte den Gouverneur aus Minnesota kaum jemand jenseits des Bundesstaats im Mittleren Westen. Dabei kann Walz einen ungewöhnlichen Lebenslauf vorweisen. In der Politik ist er ein Spätzünder.

Die Demokratin Kamala Harris hat sich mit Tim Walz als Vizekandidaten einen Mann an ihre Seite geholt, dessen biografisches Profil einen starken Kontrast zu ihrer eigenen Vita zeichnet. Die frühere Staatsanwältin in Kalifornien setzt auf einen ehemaligen Lehrer aus dem Mittleren Westen, einen Veteranen und Jäger.

Seinen senkrechten Aufstieg hat der 60-jährige frühere Nationalgardist, Lehrer, Football-Trainer und Abgeordnete nicht zuletzt einem Schlagwort zu verdanken, das er in den vergangenen Wochen mit Riesenerfolg in die Wahlkampagne gegen Donald Trump eingeführt hat: "weird". Das Attribut bedeutet "seltsam" oder "merkwürdig" und wird von Walz auf Trump wie auch dessen Vize-Kandidaten J.D. Vance angewendet.

Es ist nicht so verunglimpfend, wie die von Trump permanent verbreiteten Beschimpfungen, stempelt die republikanischen Rivalen aber zu Figuren mit schrägen und realitätsfernen Ansichten ab - und damit zu Lachnummern.

Walz machte es vor - und "weird" ist seither zu der Bezeichnung geworden, die Vizepräsidentin Harris und andere Vertreter ihrer Partei permanent auf Trump und Vance anwenden. Mit dem griffigen Attribut hat Walz seine für die Harris-Kampagne wertvolle Fähigkeit bewiesen, einfach und schlagkräftig zu formulieren - in Worten, die den Zugang auch zu Wählern ohne akademische Bildung erschließen.

Bodenständig und direkt

Der 60-jährige Walz ist seit 2019 Gouverneur des Bundesstaats Minnesota und saß vorher viele Jahre als Abgeordneter im Repräsentantenhaus. Vor seiner politischen Laufbahn war er Lehrer. Der zweifache Vater hat kein starkes nationales Profil, ist aber bekannt für seine bodenständige und direkte Art, politische Botschaften zu transportieren.

Walz wurde 1964 in einer Kleinstadt im ländlichen Bundesstaat Nebraska geboren. Häufig spricht er darüber, wie seine Mutter nach dem Tod seines Vaters darum kämpfte, über die Runden zu kommen. Sein Vater war Verwalter einer öffentlichen Schule und starb an Krebs, als Walz 19 Jahre alt war.

Schon als 17-Jähriger schrieb er sich bei der Nationalgarde ein, von der er im Laufe seiner insgesamt 24-jährigen Zugehörigkeit an die unterschiedlichsten Orte entsandt wurde, unter anderem in die Arktis. 1989 machte er einen Abschluss in Sozialwissenschaften an einer Hochschule in Nebraska.

Walz verbrachte ein Jahr als Lehrer im Ausland, bevor er in die USA zurückkehrte, um Vollzeit in der Nationalgarde zu dienen und schließlich eine Stelle als Lehrer und Football-Trainer an einer Highschool anzunehmen. Als Lehrer war Walz unter anderem in einem Indigenen-Reservat im Bundesstaat South Dakota und - im Rahmen eines Programms der Harvard-Universität - in China tätig.

Spätzünder in der Politik

Seine Ehefrau Gwen lernte er in seinem Heimatstaat Nebraska kennen. Sie heirateten 1994 und zogen später in Gwens Heimatstaat Minnesota, wo die beiden an derselben Highschool als Lehrer arbeiteten und er auch als Football-Trainer tätig war.

Erst in der Mitte seiner Laufbahn wechselte Walz in die Politik: 2006 wurde er in das Repräsentantenhaus in Washington gewählt, 2018 dann zum Gouverneur von Minnesota. 2022 wurde er wiedergewählt. In seinem politischen Profil verbindet sich das volksnahe Auftreten und die klare Sprache mit linken inhaltlichen Positionen.

So setzte Walz als Gouverneur etwa Gesetze zur Legalisierung von Cannabis, für den verbesserten Schutz von Arbeitnehmerrechten und erweiterte Überprüfungen von Schusswaffenkäufern in Kraft. Auch setzt er sich für das Abtreibungsrecht und den Klimaschutz ein - alles Positionen, die ihn mit Harris verbinden.

"Wir haben dieselben Werte. Wir glauben, wir können den Mittleren Westen gewinnen", sagte Walz bereits vor zwei Wochen über Harris. Nachdem er dann am Dienstag von ihr als Vizekandidat rekrutiert worden war, zeigte er sich aufgeregt: "Es erinnert mich ein bisschen an den ersten Schultag", bekannte er auf X - und fügte sogleich kämpferisch mit Blick auf die Wahlkampagne hinzu: "Nun lasst uns das erledigen, Leute!"

Frühstück und Mittagessen für alle Schüler

Derzeit ist Walz Vorsitzender der Democratic Governors Association (DGA), einer Vereinigung von Gouverneuren, die den Demokraten angehören. Er sitzt auch in mehreren Ausschüssen der Partei auf Bundesebene. Die frühere demokratische Senatorin Heidi Heitkamp sagte der "New York Times", Walz erwecke den Anschein, "jemand mit einer Lebenserfahrung zu sein, die mit der vieler Menschen im ländlichen Amerika vergleichbar ist".

Als Gouverneur setzte er sich etwa für die Bereitstellung kostenloser Schulmahlzeiten, den Schutz des Rechts auf Abtreibung, die Stärkung des Wahlrechts, den Ausbau erneuerbarer Energien, Steuersenkungen für die Mittelschicht und die Ausweitung des bezahlten Urlaubs für Arbeitnehmer in Minnesota ein.

Seine Haltung zu Waffen hat sich im Laufe der Jahre verändert. "Ich bin ein Veteran, ein Jäger und ein Waffenbesitzer. Aber ich bin auch ein Vater. Und viele Jahre lang war ich Lehrer", schrieb er Ende Juli auf der Plattform X. Waffengesetze seien keine Bedrohung seiner Rechte. "Es geht darum, unsere Kinder zu schützen."

Kontrast zu Kamala Harris

Als weißer älterer Mann soll Walz die Komplementärfigur zu Harris sein, die als erste Frau, Schwarze und Person asiatischer Herkunft der US-Geschichte das Präsidentenamt übernehmen könnte. Mit dem Gouverneur von Minnesota hat sie also eine strategische Wahl getroffen, mit der sie die Attraktivität ihrer Kampagne über die Kernklientel der Demokraten hinaus erweitern will.

So soll Walz der Vizepräsidentin dabei helfen, solche Wählergruppen zu überzeugen, in denen die Demokraten oft als abgehoben und elitär gelten. Und als Repräsentant des Mittleren Westens soll er dazu beitragen, für den Wahlausgang womöglich entscheidende "swing states" seiner Region zu gewinnen.

Zwar gehört das traditionell die Demokraten favorisierende Minnesota selbst nicht zum Kreis jener Bundesstaaten, in denen sie akut eine Niederlage bei der Wahl im November befürchten müssen. Aber Harris setzt darauf, dass Walz viele Wähler in anderen Mittelweststaaten wie Wisconsin und Michigan ansprechen kann, die zum engeren Kreis der bei der Wahl auf der Kippe stehenden Bundesstaaten gezählt werden.

Quelle: ntv.de, gut/dpa/AFP

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