Politik

Interview mit Alexander Dobrindt "Wer sich ausgegrenzt fühlt, neigt zu Protest"

Alexander Dobrindt ist seit September 2017 Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Davor war er Bundesverkehrsminister.

Alexander Dobrindt ist seit September 2017 Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Davor war er Bundesverkehrsminister.

(Foto: REUTERS)

Die Zeiten haben sich geändert, sagt Alexander Dobrindt am Rande der Klausurtagung seiner CSU-Landesgruppe im Kloster Seeon im Interview mit n-tv.de. Angesichts der neue Situation im Bundestag müsse die CSU "die Kanten schärfen für das bürgerlich-konservative Lager".

n-tv.de: Herr Dobrindt, Sie sind nun schon einige Wochen Chef der Landesgruppe der CSU im Deutschen Bundestag. Ihre Vorgängerin Gerda Hasselfeldt war bekannt für ruhige und bestimmte Töne. Wie wollen Sie die CSU-Abgeordneten in Berlin führen?

Alexander Dobrindt: Wir sind nicht der 16. Landesverband der CDU. Die CSU im Deutschen Bundestag ist eine eigenständige Kraft - mit eigenständigem Profil und eigenem Gestaltungsanspruch. Wir müssen wahrnehmbar unsere Positionen als eine Mitte-Rechts-Partei klar machen.

Braucht es denn in der heutigen Zeit einen konfrontativen Kurs, um erfolgreich zu sein?

Wir sind immer konstruktiv. Doch die Zeiten haben sich auch geändert. Wir haben jetzt eine Situation mit sieben Parteien im Bundestag und eine davon - die AfD - ist am äußersten rechten Rand. Da müssen wir die Kanten schärfen für das bürgerlich-konservative Lager, um klar erkennbar zu sein. Wir müssen auch anders formulieren, als es in der Vergangenheit der Fall war. Das ist ein Auftrag aus der letzten Bundestagswahl. Wir müssen dafür sorgen, dass sich langfristig nicht eine Partei am rechten Rand im Bundestag etablieren kann. Das ist aber nicht alleine unsere Aufgabe. Da hat auch die SPD eine Verantwortung. Linkspartei und SPD haben bei der Bundestagswahl zusammen eine Millionen Wähler an die AfD verloren.

Viele Verantwortliche in der Union sind überzeugt, dass CDU und CSU die Wahl in den letzten vier Wochen vor der Wahl verloren haben. Vielen Bürger scheint erst durch die "Wahl-Arenen" und "Townhall-Talks" im Fernsehen ein Gefühl für Ungerechtigkeiten in Deutschland bekommen zu haben. Und das, obwohl es unserem Land wirtschaftlich hervorragend geht. Welche Erkenntnisse nehmen Sie daraus in die anstehenden Sondierungsgespräche mit?

Wir wissen, dass in den letzten Wochen vor der Wahl das Thema Migration noch einmal deutlich stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung gekommen ist. Das hat auch etwas mit den politischen Debatten vor der Wahl zu tun, in denen sich ein Teil der Bevölkerung mit ihrer Meinung nicht wiedergefunden hat. Wer sich ausgegrenzt fühlt, wer sich mit seiner Meinung in der Politik nicht mehr vertreten fühlt, der neigt zum Protest. Das haben wir erlebt. Das gilt es zügig wieder zu korrigieren. Deshalb braucht es eine breitere Debattenkultur. Ich habe bei unserer Klausur in Seeon deutlich gemacht, dass wir eine bürgerlich-konservative Wende brauchen. Die Mehrheit der Menschen in unserem Land lebt und denkt bürgerlich. Diese Bürger fühlen sich von einem oft linken Meinungsmainstream nicht vertreten oder widergespiegelt. Die Bundestagswahl hat es auch wieder gezeigt: Deutschland ist kein linkes Land. Das werden wir in den politischen Auseinandersetzungen wieder stärker deutlich machen.

Manche Bürger scheinen sich zurückgelassen zu fühlen. Wie reagieren Sie darauf?

Die sozialen Themen wie Rente stehen ganz oben auf der Agenda. Wir wollen - wie bei der Mütterrente - die Gerechtigkeitslücken im Rentensystem schließen. Wir wollen mit einer Erhöhung des Kindergeldes, einem Baukindergeld und der Ergänzung des Ehegattensplittings mit einer Kinderkomponente die Familien in unserem Land noch stärker unterstützen. Bei der Pflege wollen wir ein Sofortprogramm starten, mit dem die Personalausstattung in der Altenpflege und im Krankenhaus gezielt verbessert werden kann. Dabei ist auch die Pflege der Pflegenden ein wichtiger Aspekt: Wir müssen uns mehr um die Menschen kümmern, die andere pflegen - das gilt sowohl zu Hause als auch in den Pflegeheimen. Auch diese sozialen Fragen sind in den letzten Wochen vor der Bundestagswahl zu kurz gekommen. Wir müssen die großen Themen zusammen denken: die Modernisierung unseres Landes, die innere Sicherheit, die soziale Sicherheit und das wirtschaftliche Wachstum.

Bei den sozialen Themen geht es ja auch in den Sondierungen um die Grundsicherung, nicht ausreichende Renten, Kita-Versorgung und das Lieblingsthema der SPD: die Bürgerversicherung. Ist die Bürgerversicherung mit der Union so zu haben?

Die Bürgerversicherung ist eine alte Klamotte, die selbst in rot-grünen Regierungsjahren keine Chance hatte, umgesetzt zu werden. Die sogenannte Bürgerversicherung wäre das Ende des Wettbewerbs im Krankenversicherungssystem. Mit der Einheitsversicherung sollen auch zusätzliche Einnahmen zum Beispiel aus Vermietung von Wohneigentum zur Finanzierung der Krankenversicherungsbeiträge herangezogen werden. Ich glaube, das ist nicht der richtige Weg. Ich bin der Meinung, dass wir Wettbewerb brauchen, um ein Optimum in unseren Gesundheitssystemen zu erreichen. Ich glaube, dass mit der Bürgerversicherung vor allem ein sehr altes Gefühl der Sozialdemokratie bedient wird. Aber daraus kann keine reale Politik entstehen.

Mit Alexander Dobrindt sprach Hero Warrings

Quelle: ntv.de

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