Von wegen alles vorbei Musk gibt Trump ganz neue Möglichkeiten
30.05.2025, 11:52 Uhr Artikel anhören
Elon Musk zieht sich offiziell von Donald Trumps Seite zurück. Das Foto entstand im März.
(Foto: REUTERS)
Elon Musk ist krachend gescheitert. Den Staatsapparat der USA sollte er radikal schrumpfen, Betrug und Verschwendung finden und das Haushaltsdefizit ausradieren. Aber sein Wirken geht weit über Geld hinaus. Es eröffnet Trump ganz neue Möglichkeiten, seine Agenda umzusetzen.
Das Ende ist gekommen. Elon Musks 130 Tage als Teil der US-Regierung, in denen er als rechte Hand von Präsident Donald Trump mit der Kettensäge durch die Behörden ging, um Staatsausgaben zu kürzen, sind vorbei. Doch bevor er ging, trat der reichste Mensch der Welt ein kleines bisschen nach. Von Trumps gigantischem Haushaltspaket, um das derzeit im Kongress gerungen wird, sei er "enttäuscht", nannte es ein "Ausgabengesetz, das das Haushaltsdefizit vergrößert, anstatt es zu verringern". Es untergrabe die Arbeit seines Doge-Teams.
Was hat Doge, kurz für Department of Government Efficiency, mit seiner Arbeit seit dem 20. Januar erreicht? Die öffentlich formulierten Ziele Musks waren ambitioniert. Er hatte angekündigt, das Haushaltsdefizit der USA ausradieren zu wollen. Doch Doge musste dieses ursprünglich anvisierte Ziel von 2 Billionen Dollar Einsparungen zunächst auf 1 Billion und am Ende 150 Milliarden Dollar schrumpfen. Kritische Schätzungen gehen davon aus, dass Doge tatsächlich etwa 15 Milliarden Dollar eingespart haben könnte, also 0,2 Prozent des bisherigen Haushaltsumfangs.
Musk konnte die von ihm und ausgabenkritischen Politikern gerne zitierten Ursachen von "Verschwendung, Betrug und Missbrauch" (waste, fraud, and abuse) nicht finden. Den Zahlen nach ist er krachend gescheitert - aber Doge auf die Zahlen zu reduzieren, wäre eine verengte Perspektive. Seine scheinbar unbegrenzte Verfügungsgewalt war eine Machtdemonstration des Wahlsiegers. Nationale wie internationale Prioritäten sollten unterstrichen, Widerstände gebrochen und die Agenda vorangetrieben werden. Doge ist beileibe nicht am Ende, im Gegenteil.
Musk hat die Arbeitsweise im Staatsapparat verändert. Seine Mitarbeiter sind weiterhin aktiv und werden so etwas wie die wachsame, helfende IT-Abteilung des Weißen Hauses bleiben, die ihre Fühler in den Behörden installiert hat, und dabei helfen, Trumps Agenda effektiver umzusetzen. In seiner zweiten Amtszeit wollte Trump die Bremsen der mahlenden Mühlen der Verwaltung lösen. "Doge zu diesem Zeitpunkt zu entfernen, wäre wie der Versuch, einen Tropfen Lebensmittelfarbe aus einem Glas Wasser zu entfernen", schrieb das US-Magazin "Wired" zuletzt über das Vermächtnis des Tech-Milliardärs.
Der Zweck heiligt alle Mittel
Diese Machtdemonstration namens Doge war Trump wichtig: Er belohnte Musk mit dem einflussreichsten Regierungsposten neben dem eigenen, nachdem dieser 250 Millionen Dollar für den Wahlkampf gespendet hatte. Bei einer Siegesrally am Tag von Trumps Vereidigung ließ sich Musk vor jubelnder Menge gehen und riss den rechten Arm nach oben. Dass die ganze Welt danach über den Hitlergruß diskutierte, war dem neuen Präsidenten egal. Es ging um das Signal: Der Zweck heiligt alle Mittel, und wer treu an Trumps Seite ist, darf sie einsetzen.
Das tat Musk. Er ritt in Behörden ein, verschaffte sich durch die Seiteneingänge Zugriff auf sensibelste Daten, kombinierte sie in gemeinsame Datenbanken, ließ Software programmieren, feuerte mindestens 120.000 Staatsangestellte, alles im Sinne der Agenda des Republikaners. Schnelligkeit ging vor Sorgfalt. Das passte hervorragend zu Musks Silicon-Valley-Ethos, sich nicht vor, sondern während eines Sturzes ins Ungewisse das neue Flugzeug zu bauen, um damit zu neuen Horizonten zu fliegen.
Währenddessen ließ der Präsident im gesamten Staatsapparat Gleichstellungsmaßnahmen abschaffen, die Verantwortlichen feuern oder versetzen. Kontrollinstanzen oder mutmaßliche Bremsklötze für die eigene Politik schaffte das Weiße Haus mit Hilfe von Musk ab. DEI, die Abkürzung für Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion, nutzt Trumps Regierung als Vorwurf, um ihr Vorgehen gegen jahrzehntelange bürgerrechtliche Standards abzuschaffen. Die internationale humanitäre Hilfsorganisation USAID hat Musk so weit wie möglich zusammengestrichen.
Das Weiße Haus hat mit Musks Hilfe unliebsame Angestellte im öffentlichen Dienst entlassen und andere eingeschüchtert. Das Vorgehen rechtfertigt so auch die vorgesehenen Steuersenkungen - mit der Behauptung, das angeblich eingesparte Geld nutze dem Steuerzahler. Trumps Regierung hat nun auch Zugriff auf die umfangreichste Datensammlung in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Im Sinne seiner Unternehmen wird Musk den Weg zu zukünftigen Regierungsaufträgen gesichert haben. Die bisherigen gehören zur Basis seines finanziellen Reichtums. Doge-Mitarbeiter sind weiterhin in den Behörden aktiv, die seine Unternehmen regulieren sollen.
Daten sind die Grundlage
Insbesondere die veränderte Nutzung von Daten wird die zukünftige Regierungsarbeit prägen. Mit der Kombination von Informationen, die bislang getrennt voneinander und bestimmten Abteilungen in den jeweiligen Behörden zugänglich waren, kann die Politik mit wesentlich weniger Einschränkungen ihre Ziele verfolgen. Beispiel Abschiebungen: Mit den Angaben kann die Migrationsbehörde ICE per Rasterfahndung Menschen finden, festnehmen und ausfliegen. Die angekündigten millionenfachen Abschiebungen, sollte der Kongress die entsprechenden Gelder bewilligen, werden wahrscheinlicher.
Das Justizministerium und damit die Generalstaatsanwaltschaft können mit solchen Angaben unter Anordnung des Weißen Hauses auch ganz anders gegen unliebsame Personen vorgehen; Steuer- und Sozialversicherungsangaben verraten fast ein ganzes Leben. Die Doge-Mitarbeiter füttern und trainieren mit potenziell sensiblen Daten auch den KI-Bot Grok, berichtet Reuters. Es ist nicht klar, mit was genau, zu welchem Zweck und ob das legal ist.
Musks anfänglicher Elan hat sich im Verlaufe der Monate in Frust verwandelt. Der Staat erwies sich in den ersten Monaten als anderes Kaliber als ein Unternehmen. Es gelten andere Regeln und Gepflogenheiten. "Die Situation in der Verwaltung ist viel schlimmer, als ich gedacht habe", sagte er der "Washington Post": "Ich wusste, dass es Probleme gibt, aber es ist, gelinde gesagt, ein harter Kampf, die Dinge in Washington zu verbessern."
Musks Versuch, Washington wie ein Unternehmen zu trimmen, wird nicht der letzte gewesen sein. Die Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten hat in den vergangenen beiden Jahrzehnten deutlich zugenommen, liegt inzwischen bei etwa 122 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Das macht sich bereits an den Finanzmärkten bemerkbar. Je tiefer die Vereinigten Staaten in den Schuldensumpf rutschen, desto lauter wird der Ruf nach einem radikalen Kurswechsel werden.
Musks Einsatz als radikaler Sparkommissar mit Startup-Flair hatte im vergangenen Jahr mit einem scheinbar unverfänglichen Gespräch auf X begonnen. Da unterhielt er sich mit Trump in einem Audio-Livestream darüber, wie schlimm alles in den USA sei, und wie die Republikaner nach einem Wahlsieg endlich aufräumen würden. Musk bot seine Hilfe an, Trump zeigte sich offen für die Idee. Man kann davon ausgehen, dass die beiden in diesem Moment nicht zum ersten Mal darüber gesprochen hatten. Sie dürften auch nicht das letzte Mal miteinander gesprochen haben.
Quelle: ntv.de