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Querelen um Gesetzesnovelle Wissing droht mit Fahrverboten am Wochenende

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Wegen einer anhaltenden Ölkrise wurden 1973 erstmals und mehrmals autofreie Sonntage verhängt.

Wegen einer anhaltenden Ölkrise wurden 1973 erstmals und mehrmals autofreie Sonntage verhängt.

(Foto: picture alliance /Michael Moesch)

Um die Ziele beim Treibhausgasausstoß zu erreichen, will die Ampel-Regierung es eigentlich möglich machen, weniger auf einzelne Sektoren wie Verkehr oder Bau zu schauen, sondern auf das Gesamtbild. Doch beim endgültigen Beschluss hierzu gibt es noch keine Einigung - was den Verkehrsminister in die Enge treibt.

Im monatelangen Streit über das neue Klimaschutzgesetz droht Verkehrsminister Volker Wissing nun mit Fahrverboten am Wochenende. "Dass die Novelle nach wie vor nicht in Kraft ist, führt zu erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Unsicherheiten, die weder dem Klima noch dem Ansehen der Bundesregierung dienen", schreibt der FDP-Politiker an die Fraktionschefs der Ampelkoalition in einem Brief.

Sollte das neue Gesetz nicht vor Mitte Juli in Kraft treten, müsse er dem aktuellen Klimagesetz zufolge auch mit Fahrverboten reagieren. Nur so könnten die Emissionen seines Sektors gesetzeskonform reduziert werden. "Eine entsprechende Reduzierung der Verkehrsleistung wäre nur durch restriktive und der Bevölkerung kaum vermittelbare Maßnahmen wie flächendeckende und unbefristete Fahrverbote an Samstagen und Sonntagen möglich."

Hintergrund ist, dass der Verkehrssektor wiederholt seine bestehenden Vorgaben hinsichtlich des erlaubten Ausstoßes von CO2 überschritten hat. Dies wurde ihm im März mit Blick auf das Jahr 2023 erneut nachgewiesen. Am kommenden Montag wird der Expertenrat für Klimafragen voraussichtlich die Zahlen bestätigen und darauf hinweisen, dass Wissing dem Gesetz zufolge ein Sofortprogramm vorlegen muss, um wieder auf Klimakurs zu kommen.

Grünen-Politikerin und Greenpeace weisen Wissings Behauptung zurück

In der Vergangenheit hatte Wissing dies ignoriert und darauf verwiesen, dass das Gesetz geändert werden soll. Es soll den einzelnen Sektoren mehr Spielraum geben und einen Ausgleich mit anderen Bereichen wie der Energiewirtschaft bei den Jahresvorgaben möglich machen. Die Ampel-Koalition konnte sich in den vergangenen neun Monaten aber nicht auf einen Beschluss im Bundestag verständigen.

Die stellvertretende Grünen-Fraktionschefin Julia Verlinden reagierte auf die Fahrverbots-Drohung von Wissing und wies sie zurück. "Diese Behauptung ist schlichtweg falsch", sagte sie. "Ein Minister sollte nicht unbegründet Sorgen bei den Menschen schüren." Das aktuell geltende Recht verlange von Wissing lediglich, ein Klimaschutzprogramm vorzulegen, "in dem sinnvolle Vorschläge enthalten sind, die zu mehr Klimaschutz im Verkehrssektor führen", führte sie aus.

"Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten, wie etwa ein Tempolimit. Es wäre an der Zeit, dass der Minister gute Vorschläge macht." Wissing und die FDP lehnen ein von den Grünen seit langem gefordertes allgemeines Tempolimit auf Autobahnen strikt ab.

Auch Greenpeace kritisierte die Warnungen von Wissing scharf und betonte den ÖPNV Ausbau. "Der Verkehrsminister versucht so schamlos wie durchschaubar, mögliche Konsequenzen des eigenen Versagens in politischen Druck umzumünzen", sagte Greenpeace-Mobilitätsexpertin Clara Thompson. "Zwei Jahre hat Wissing damit vergeudet, jede Klimaschutzmaßnahme im Straßenverkehr zu blockieren - jetzt malt er Horrorszenarien an die Wand, um auch in Zukunft nichts tun zu müssen", sagte Thompson.

Das sei ein "politisches Armutszeugnis" und gefährde die Klimabilanz des ganzen Landes. Vielmehr müssten "die Weichen Richtung Mobilitätswende gestellt werden, damit der Klimarückstand im Verkehr nicht immer größer wird", so Thompson.

Verbindliche Regelung von Klimazielen

Im Klimaschutzgesetz sind die deutschen Klimaziele verbindlich geregelt. Es sieht vor, dass die Emissionen von klimaschädlichen Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Für einzelne Sektoren wie Industrie, Energiewirtschaft, Verkehr und Gebäude wurden zulässige Jahresemissionsmengen festgelegt.

Kernpunkt ist bisher folgender Mechanismus: Wenn Sektoren Vorgaben verfehlen, müssen die zuständigen Ressorts der Bundesregierung in Form von Sofortprogrammen nachsteuern - um die Einhaltung der Emissionsmengen sicherzustellen.

Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll die Einhaltung der Klimaziele künftig nicht mehr rückwirkend nach den verschiedenen Sektoren kontrolliert werden - sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Die Bundesregierung als Ganzes soll künftig entscheiden, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die zulässige CO2-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden soll - allerdings erst, wenn es zwei Jahre in Folge zu einer Zielverfehlung kommt. Vorgaben zur Emissionsminderung in den einzelnen konkreten Sektoren sollen damit abgeschafft werden. Vor allem die FDP dringt auf eine Reform.

Quelle: ntv.de, mpe/rts/dpa

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