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Gauck und seine "wilde Ehe" Willkommen im 21. Jahrhundert!

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Joachim Gauck mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt.

(Foto: dpa)

Die Ernennung Joachim Gaucks zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten bereitet einigen Unionspolitikern Bauchschmerzen. So beklagt CSU-Mann Geis seine "wilde Ehe" und die noch nicht vollzogene Scheidung Gaucks von seiner von ihm getrennt lebenden Frau. Geis und seine familienpolitischen Anhänger laufen aber ins Leere.

Die Union macht es sich wirklich nicht leicht. Angela Merkel musste zähneknirschend ihr Ja zu Joachim Gauck als neuen Bundespräsidenten geben, weil der dahinsiechende Koalitionspartner FDP sich öffentlich auf den Mecklenburger festgelegt hatte - ohne Rücksicht auf CDU und CSU. . Die politische Schauspielkunst betreffend, legte die eigentlich zurückhaltend und sachlich-nüchtern argumentierende Bundeskanzlerin daraufhin alle ihren bescheidenen Möglichkeiten in die Waagschale, um die Lösung mit dem 72-Jährigen auch als die ihre zu verkaufen. Es fiel ihr allerdings sichtlich schwer, sich an die Spitze der Pro-Gauck-Bewegung zu stellen.

Der Tochter eines evangelischen Pfarrers ging es natürlich zuallererst um ihre eigene Stellung. Sie wollte nicht als Umfallerin dastehen, denn vor gut zwei Jahren hatte sie Gaucks Kandidatur mit großer Mühe ins Leere laufen lassen. Vielleicht ahnte Merkel auch, was ihr kurz nach der Ernennung Gaucks zum Kandidaten für Schloss Bellevue seitens der starken katholischen Fraktion in der Union, die es nur schwer verschmerzen kann, dass mit ihm ein evangelischer Politiker an die Spitze des Staates kommt, blüht. Und sie sollte sich nicht irren. , tönt es aus der CSU. Ihr familienpolitischer Hardliner Norbert Geis drückt damit das aus, was viele in seiner Partei, aber auch bei der großen Schwester CDU denken. Für Merkel ist an dieser Front Schadensbegrenzung angesagt, damit diese Debatte nicht weiter ausufert. Und es sieht ganz danach aus, dass sie das Fass, das der gebürtige Großwallstädter aufgemacht hat, wieder schließen könnte - zum Glück für Deutschland.

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Norbert Geis verlangt von Gauck geordnete Familienverhältnisse.

(Foto: dapd)

Geis ist ein Konservativer durch und durch. Dem 1939 geborenen Rechtsanwalt sind sogenannte ungeordnete Familienverhältnisse ein Dorn im Auge. So lief er seinerzeit vehement gegen die unter Rot-Grün gesetzlich fixierte gleichgeschlechtliche Partnerschaft Sturm. 1993 arbeitete er sich an der Girlie-Show der US-Popsängerin Madonna ab und wollte der damals sehr Freizügigen sogar den Auftritt in Deutschland untersagen. Es ist noch nicht so lange her, dass Geis eine Erklärung gegen die aus seiner Sicht "totalitären Bestrebungen der Lesben- und Schwulenverbände" mitunterzeichnete. Und nun also Gauck, der in "wilder Ehe" mit der Journalistin Daniela Schadt lebt, gleichzeitig aber noch mit der seit mehr als 20 Jahren von ihm getrennten Mutter seiner vier Kinder, Gerhild, verheiratet ist.

Das überwiegende negative Echo auf Geis' Äußerungen macht deutlich: Deutschland ist hinsichtlich der Familienpolitik - trotz nach wie vor existierender mittelalterlich anmutender Stimmen - weiter als ein Teil seiner Repräsentanten. Dass der schwule Außenminister Guido Westerwelle Geis zurechtweist, ist wenig verwunderlich, lebt er doch mit dem Unternehmer Michael Mronz in einer eingetragenen Partnerschaft. Auch, dass der CSU-Mann in dieser Frage bei SPD und Grünen auf Granit beißt, ist alles andere überraschend. So warnt der katholische Bundestagsvize Wolfgang Thierse davor, daraus eine Staatsaffäre zu machen. "Ich unterstelle mal, dass er seine Lebenspartnerin auch liebt", bringt der Sozialdemokrat die Problematik auf den Punkt.

Bemerkenswert ist, dass Geis von seiner eigenen Partei - ob ehrlich oder nur aus reinem machtpolitischen Kalkül - eingenordet wird. So reagiert CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt - auch er ist römisch-katholisch - sachlich. Für ihn sei "ob jemand und wie jemand heiratet, eine ganz private Entscheidung", so der christsoziale Lautsprecher. Gut so, Herr Dobrindt, hoffentlich denken Sie auch später noch an Ihre jetzt geäußerten Worte. Nur so ganz nebenbei bemerkt: - er ist derzeit immerhin amtierendes Staatsoberhaupt - hat auch familiäre Turbulenzen hinter sich, die seine Regierungstätigkeit damals in Berlin und jetzt in Bayern überhaupt nicht beeinträchtigt haben beziehungsweise beeinträchtigen. Von Geis hat man übrigens dazu nichts vernommen.                        

Die Wahl Joachim Gaucks zum Bundespräsidenten bedeutet - familienpolitisch gesehen - nicht das Ende des Abendlandes. Er wird seine familiären Verhältnisse so regeln, wie er das für richtig hält. Es ist seine Freiheit und seine Verantwortung. Die Union wird nicht lange brauchen, um zu erkennen, dass der künftige erste Mann im Staat , die mit Vehemenz um seinen Einzug ins Schloss Bellevue gekämpft haben.

An Norbert Geis und seine sich in Deckung befindlichen Mitstreiter sei in diesem Zusammenhang gesagt: Willkommen im 21. Jahrhundert!

Quelle: ntv.de

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