Person der Woche

Person der Woche Elon Musk versenkt 29 Milliarden Dollar

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Der reichste Mann der Welt führt den Twitter-Konzern mit wilden Manövern in den Abgrund: Umsätze brechen ein, Werbekunden flüchten, Pornogeschäfte nehmen überhand. Nun bringt Meta auch noch eine gefährliche Konkurrenz auf den Markt. Elon Musk reagiert mit Hochmut, Vogeltötung und der X-Manie.

Elon Musk hat den Vogel abgeschossen. Das legendäre blaue Vogel-Logo von Twitter, weltweit als "Larry" bekannt, wird durch ein schnödes "X" ersetzt. Twitter soll mitsamt Vogel verschwinden, künftig wird die Welt es mit "Corp X" zu tun bekommen. Den Namen der Holdinggesellschaft hatte Musk bereits im März geändert.

Fans von Musk feiern den Schritt als "coolen Move", denn aus Twitter werde bald eine neue "Everything App", eine Universalanwendung nach dem Vorbild des chinesischen WeChat. WeChat funktioniert nicht nur als soziales Netzwerk, sondern bietet vom Online-Einkauf über Bankgeschäfte bis zu Videokonferenzen, Spielen und Foto-Video-Sharing alles in einer App. So etwas plane Musk nun auch für Twitter. Der Buchstabe "X" stehe für diese offene Vielfalt. Da Musk von einigen wie ein Popstar des Tech-Kapitalismus gefeiert wird, gilt sein "X" als Signatur seiner innovativen Produkt-Show.

Musk war 1999 einer der Mitgründer der Onlinebank X.com, aus der dann der Bezahldienst Paypal wurde. Später gründete er den Raumfahrtspezialisten SpaceX, und der von ihm geführte Elektroautohersteller Tesla hat ein Model X im Programm. Erst in diesem Jahr gründete er ein neues Unternehmen mit dem Namen xAI, das sich mit Künstlicher Intelligenz beschäftigt. Einer von Musks Söhnen heißt tatsächlich X Æ A-12, der Unternehmer nennt ihn oft einfach X. Musk sagt: "Ich mag den Buchstaben X." Das neue X-Logo sei sein "Art déco". Soweit die schillernde Seite der X-Revolution.

Auf der Kehrseite wird Musks Vogeltötung als ein Akt rauschhaften Hochmuts kritisiert: "Im 'X' offenbaren sich Chaos und Hybris des Systems Musk", titelt die "Welt". Marketingexperten sind entsetzt: Eine der erfolgreichsten Marken der Welt - "Tweets" und "twittern" sind sogar globale Vokabeln geworden - wird aus der eitlen Laune eines Milliardärs heraus abgeschafft. Musk riskiere damit den Markenwert der gesamten Plattform.

Riesiger Schuldenberg

Doch die Marken-Tötung von Twitter folgt möglicherweise nur dem geschäftlichen Niedergang. Der Konzern ist unter Musk in eine existenzielle Krise geraten. Musk selbst sagte vor einigen Monaten, der Konzern sei "auf der Überholspur in die Pleite". Das Unternehmen würde vier Millionen Dollar am Tag verbrennen. Tatsächlich hat Twitter in zehn der letzten zwölf Jahre Verluste gemacht. Die Verschuldung liegt inzwischen bei zweistelligen Milliardenbeträgen. Das Unternehmen hat alleine durch die Übernahme durch Musk neue Schulden in Höhe von fast 13 Milliarden Dollar in seine Bilanz aufgenommen und muss nun Zinskosten von mehr als einer Milliarde pro Jahr stemmen. Tendenz steigend.

Mit dem erratisch agierenden Musk stolpert Twitter in gleich sechs Bedrohungen auf einmal.

Erstens brechen die Werbeerlöse, von denen Twitter bislang zu 90 Prozent lebt, dramatisch ein. Die "New York Times" hat vor Kurzem interne Daten veröffentlicht, wonach die Werbeumsätze im Frühjahr 59 Prozent unter dem Vorjahr gelegen haben. Die Erlöse für die fünf Wochen vom 1. April bis zur ersten Maiwoche betrugen demnach nur noch 88 Millionen Dollar. Im ersten Halbjahr soll der Werbeumsatz um etwa die Hälfte eingebrochen sein. Musk sagte dazu, dass Werbekunden in Europa und Nordamerika "extremen Druck" auf das Unternehmen ausgeübt hätten, was dazu geführt habe, dass "die Hälfte unserer Werbung" verschwunden sei. "Sie versuchen, Twitter in den Bankrott zu treiben", jammerte er.

Zweitens erleidet Twitter mit Musk einen gewaltigen Image-Schaden. Da Musk die Plattform politisiert und nach rechts rückt, ziehen sich immer mehr Kunden und Nutzer bewusst zurück. Mit dem Zusammenstreichen der Content-Moderation und dem Entsperren teils extremistischer Nutzer hat er einen Anstieg von Hassreden, Antisemitismus und Verschwörungstheorien ausgelöst. Eine Reihe großer Kunden hat sich deshalb demonstrativ von der Plattform verabschiedet.

Drittens hat Musk einen Kahlschlag beim Personal durchgezogen. Tausende von Mitarbeitern sind mit rüden Methoden gefeuert worden. Nun hat das Unternehmen keine 2000 Mitarbeiter mehr, vor der Übernahme waren es 7500. Das aber löst zusätzliches Chaos im Konzern aus, denn nicht nur einige der besten Führungskräfte haben Twitter inzwischen fluchtartig verlassen. Auch viele Programmierer sind weg, woraufhin die Plattform mit immer größeren technischen Problemen zu kämpfen hat.

Viertens sieht sich Twitter verstärktem Wettbewerb gegenüber. Der Meta-Konzern hat mit Threads eine direkte Konkurrenz-App auf den Markt gebracht, Threads knackte in nur fünf Tagen die 100-Millionen-Nutzer-Marke. Der Chatbot ChatGPT hatte zwei Monate für die 100 Millionen Nutzer gebraucht, bei Tiktok waren es gar neun Monate. Twitter selbst hatte über fünf Jahre für diese Nutzerzahl benötigt. Wenn es Meta tatsächlich gelingen sollte, einen neuen Kurznachrichtendienst zu etablieren, dürfte Twitter dies kaum überleben.

Fünftens hat der Kurznachrichtendienst zusehends ein Porno-Problem. Twitters Anzeigenverkäufer sind besorgt, dass Werbetreibende durch einen Anstieg von Pornografie sowie durch immer mehr Anzeigen für Online-Glücksspiele und Marihuana-Produkte verschreckt werden könnten. Es gibt inzwischen Wochen, in denen unter den größten Werbekunden von Twitter in den USA schillernde Anbieter von Fantasy-Sportwetten über Pornoseiten und Erektionshilfen bis zu Cannabis-Zubehör sind.

Elon Musk stürzt Twitter ins Chaos.

Elon Musk stürzt Twitter ins Chaos.

(Foto: REUTERS)

Sechstens führt der Einbruch im Kerngeschäft zu einer veritablen Bilanzschieflage. New Yorker Finanzanalysten warnen lautstark, dass Musk mit den 44 Milliarden viel zu viel bezahlt und sich überhoben haben könnte, weil eine steigende Zinslast auf ihn zurolle. Aus eigener Kraft werde der überschuldete Twitter-Konzern die Lasten nicht mehr stemmen können, Musk müsse Kapital in ein immer wertloser werdendes Unternehmen nachschießen. Der Investmentfonds-Riese Fidelity, der Aktien von Twitter besitzt, beziffert den Wert von Twitter derzeit nur noch mit 15 Milliarden.

Musk hätte damit in nur einem Jahr 29 Milliarden Dollar vernichtet. Die Wall Street hat den Konzern gewissermaßen schon ausge-x-t. Musks neues Logo kann man daher auch wie eine Pointe zum Ruin von Twitter ansehen.

Quelle: ntv.de

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