BayernEuropäische Träume und nationale Ziele: CSU im Spannungsfeld

Die CSU nennt es Europaparteitag - letztlich ist die Veranstaltung in München aber nur eine Wahlkampfveranstaltung. Für Parteichef Söder geht es um mehr als die künftige Europapolitik.
München (dpa/lby) - So richtig kann und will CSU-Chef Markus Söder nicht aus seiner Haut. Kämpferisch spricht er gleich zu Beginn seiner knapp 45-minütigen Rede auf dem Europaparteitag in München über die große Bedeutung Europas für Bayern und Deutschland. Am Ende dürfte etwas anderes in den Köpfen seiner Zuhörer hängen bleiben: Die Wahl am 9. Juni ist vor allem eine Abstimmung gegen die Grünen und die Arbeit der Ampelregierung.
"Es ist wichtig, mit dieser Wahl zum Europäischen Parlament eine stabile Mehrheit zu organisieren, die am Ende ohne Grüne ist. Wir wollen keine grüne Dominanz in Europa und ich sage es auch sehr deutlich, auch in Deutschland nicht. Darum bleiben wir als CSU dabei: Kein Schwarz-Grün für Deutschland", sagt Söder.
Praktisch im selben Atemzug kommt Söder auf einen Punkt, der (nicht nur) in der CSU mehr oder weniger schon traditionell der EU vorgeworfen wird: "Die Europäische Union ist in der Welt die größte Rechtssetzungsinstanz" und genau wegen der damit einhergehenden Bürokratie bedeute die CSU-Europapolitik schon immer "ein gewisses Spannungsfeld".
Natürlich seien der Binnenmarkt als Basis für den wirtschaftlichen Erfolg, die Freizügigkeit und der Frieden "höchste Güter", gleichwohl gebe es aber viel zu verbessern: "Es wäre schon eine wirkliche Errungenschaft, wenn man mal eine Zeit lang einfach keine neuen Vorschriften, keine Richtlinien machen würde."
Söders europäische "ja, aber"-Argumentation ist nicht neu. Schon immer hat sich die CSU in ihren Wahlkämpfen auf Entscheidungen aus Brüssel. Straßburg oder Berlin fokussiert, die nicht in ihren Wertekompass passen. Im anstehenden Wahlkampf ist dies etwa die europäische Absage an klimaschädliche Verbrennermotoren ab dem Jahr 2035.
Obwohl Söder selbst in jungen Jahren dafür eingetreten ist, fordert er nun wie auch beim einst von ihm geforderten deutschen Atomausstieg die vollständige Rückabwicklung. Auch CSU-Spitzenkandidat und EVP-Chef Manfred Weber sowie jeder andere CSU'ler fordert im aktuellen Wahlkampf mantraartig den Ausstieg aus dem Verbrenner-Aus.
Angesichts guter Umfragewerte hebt Söder für seine Partei bei der Europawahl das Wahlziel an. "Wir wollen für uns diese Wahl gewinnen und am besten sieben Abgeordnete ins Europaparlament senden. Sieben plus x, das wäre ein gutes Ergebnis". Aktuell ist die CSU mit sechs Abgeordneten im EU-Parlament vertreten.
Laut der wenigen bisher für Bayern vorliegenden Umfragen zur Europawahl liegt die CSU bei der Abstimmung im Freistaat mit Werten von mehr als 40 Prozent weit vor der Konkurrenz. 2019 hatte die CSU 40,7 Prozent der Stimmen erhalten und damit das Ergebnis von 2014 sogar leicht (0,2 Prozentpunkte) verbessern können. Die Ausgangslage für die Wahl sei 43 Tage vor der Wahl "gar nicht so schlecht", sagt Söder. Nun müsse im Wahlkampf mobilisiert werden, um Europa gegen seine Feinde zu verteidigen.
Hier meinen Söder und auch Weber insbesondere die AfD. Söder nennt sie eine Partei "mit einem fiesen Gesicht", die immer wieder betone: "Europa muss sterben". Weber geht noch einen Schritt weiter: "Die AfD gehört zu den Radikalen unter den Radikalen." Diese "verrottete und korrupte Partei" sei im EU-Parlament sogar anderen rechten Parteien längst zu extrem geworden. Anders als Söder nutzt er seine rund einstündige Rede aber auch dazu, zu betonen, was die EU in den vergangenen Jahren zum Wohle Bayerns beschlossen hat.
Doch zurück zu Söders Dauerkritik an der Bundesregierung: "Diese ganze Ampel löst keine Probleme. Diese Ampel ist das Problem. Und darum bleibt es auch und muss diese Europawahl ein Signal sein: Die Ampel in Deutschland muss weg." Einmal mehr fordert Söder umfassende Steuersenkungen, eine Rückkehr zur Kernenergie und eine klare Absage an jegliche Neuverschuldungen. Für eine Partei hat er einen besonderen Appell: "Liebe FDP, diese Stunden, diese Tage entscheiden über die Glaubwürdigkeit für das nächste Jahr. Und deswegen sage ich euch, entweder ihr beendet es oder ihr seid Teil des großen Problems."
Wie Söder sich die Bundespolitik nach der nächsten Wahl vorstellt, teilte er in der "Welt am Sonntag" mit: "Wenn man sich die zentralen Felder der Politik anschaut - von der Wirtschafts- über die Außen- bis zur Migrationspolitik, dann weiß man: Mit den Grünen ist kein Staat zu machen und mit Olaf Scholz auch nicht mehr", sagte er der Zeitung. Für ihn könnte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) der neue starke Mann der Sozialdemokraten werden, mit ihm "als Juniorpartner lässt sich mehr vorstellen".
Söders kategorische und erneute Absage an die Grünen ist in der Union alles andere als Konsens. So werden etwa in der CDU-Spitze derartige Vorfestlegungen kritisch gesehen, da sie die Verhandlungsspielräume der Union drastisch einschränken. CDU-Chef Friedrich Merz, heißt es aus seinem Umfeld, teilt Söders Vorbehalte gegen die Grünen nicht. Spätestens auf dem CDU-Parteitag Anfang Mai wird sich zeigen, wie viel Applaus Söder in Berlin erhält.