Hamburg & Schleswig-Holstein Debatte um Köhlbrandbrücke: Schönheit allein reicht nicht
09.08.2023, 09:11 Uhr
(Foto: Markus Scholz/dpa)
Lange waren Neubau oder eine Tunnellösung im Gespräch - jetzt wird in Hamburg auch wieder über den Erhalt der Köhlbrandbrücke diskutiert. Nachdem schon der Umweltsenator dazu seine Meinung geäußert hat, meldet sich nun auch der Kultursenator zu Wort.
Hamburg (dpa/lno) - Die Diskussion um die Zukunft der in die Jahre gekommenen Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen geht weiter. Am Mittwoch setzte sich der Denkmalverein Hamburg für einen Erhalt der über dreieinhalb Kilometer langen Schrägseilbrücke ein. Die Köhlbrandbrücke sei ein Wahrzeichen der Stadt, ein bedeutendes denkmalgeschütztes Ingenieurbauwerk und ein wichtiges Zeugnis der Hamburger Verkehrsgeschichte, ließ der Verein wissen. Der Senat wurde aufgefordert, die Erhaltungsfähigkeit "in vertiefenden und unabhängigen ingenieur- und verkehrstechnischen Untersuchungen eingehend, gewissenhaft und ergebnisoffen prüfen zu lassen".
Kultursenator Carsten Brosda (SPD) hält hingegen wenig davon, die 1974 fertiggestellte Köhlbrandbrücke zu erhalten - auch nicht als Fußgänger- oder Fahrradbrücke. "Wenn die Brücke ihren Zweck nicht mehr erfüllt, ich diesen Zweck aber brauche, nennen wir das im Denkmalrecht ein überragendes Interesse, das den Eingriff in den Denkmalschutz rechtfertigt", sagte er in einem NDR-Interview. "Dann kann ich sie individuell noch so schön finden. Dann reicht Schönheit allein nicht aus."
Wer etwas anderes fordere, "muss sich zumindest fragen lassen, ob er eigentlich wissentlich oder willentlich die Funktionsfähigkeit des Hamburger Hafens in Frage stellen will", sagte der Senator.
Die Köhlbrandbrücke verbindet die westlichen Hafenbereiche mit denen auf der Elbinsel Wilhelmsburg. Zugleich ist sie Anbindung des Hafens an die Autobahnen nach Flensburg, Kiel, Hannover und Bremen. Mit einer Durchfahrtshöhe von gut 50 Metern dürfte die Brücke künftigen Anforderungen nicht mehr entsprechen; auch deshalb sollte sie nach bisherigen Planungen 2036 ersetzt werden.
Der Denkmalverein fordert dennoch, die weiteren Planungen zur Köhlbrandquerung erst einmal bis zum Abschluss einer Erhaltungsprüfung ruhen lassen. Auch sei die "Entscheidung über Erhalt oder Abriss der Köhlbrandbrücke erst auf der Basis der Ergebnisse und unter Einbeziehung der Hamburgerinnen und Hamburger zu treffen".
Auch Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hatte sich dafür ausgesprochen, einen möglichen Erhalt der Brücke prüfen zu lassen - und war dafür von SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf heftig attackiert worden.
In der Wirtschaftsbehörde werden derzeit die Planungen zu einem Ersatz der Brücke überarbeitet - und zwar sowohl die für einen Neubau als auch die für eine Tunnellösung. Grund war ein erheblicher Preisanstieg bei der Tunnelvariante, auf die man sich bereits festgelegt hatte. Zunächst nicht bekannte Schwierigkeiten mit dem Bau-Untergrund führten dazu, dass die Kostenschätzung auf 5,31 Milliarden Euro stieg.
Eine Erhaltung der Brücke wäre günstiger und ökologisch sinnvoller als ein Neubau oder gar eine Tunnellösung, argumentierte der Denkmalverein. So würden ein unnötiger Abriss eine "erhebliche Verschwendung grauer Energie und der Neubau einer Brücke oder eines Tunnels hohe Investitionskosten und gigantische Mengen an CO2 erzeugen". Mit grauer Energie wird die Menge an Energie bezeichnet, die zur Errichtung eines Gebäudes aufgewendet wurde.
Die Debatte um einen möglichen Erhalt der Köhlbrandbrücke war durch einen Bericht der "Zeit" über ein 15 Jahres altes Gutachten losgetreten worden. Die von der Hamburg Port Authority in Auftrag gegebene Studie kam demnach nicht zu dem Schluss, dass die Brücke abgerissen werden müsse. "Dies gelte für die beiden östlich und westlich gelegenen Stahlbetonrampen, nicht jedoch für die architektonisch und städtebaulich prägende Stahlkonstruktion der Brücke selbst mit ihren hochaufragenden Pylonen und der elegant geschwungenen, an Stahlseilen aufgehängten Fahrbahn", so der Denkmalverein.
Der Erhalt "dieses wichtigen Baudenkmals" liege "zweifellos im Interesse der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt", erklärte der Verein, um auch darauf hinzuweisen, dass "schon aus weitaus nichtigeren Gründen Volksbegehren initiiert wurden".
Quelle: dpa