Hamburg & Schleswig-HolsteinNabu: Seit Jahren gibt es infizierte Jung-Aale in der Schlei
Viele in der Schlei ausgesetzte Jungaale sind einer Studie zufolge mit einem gefährlichen Herpesvirus infiziert. Der Nabu kritisiert, dass die zuständigen Behörden nichts tun. Das Fischereiministerium hält dagegen.
Neumünster (dpa/lno) - Die seit vielen Jahren zur Bestandsstützung in der Schlei ausgesetzten jungen Aale sind einer Studie zufolge zu einem großen Teil mit einem gefährlichen Herpesvirus infiziert. Die bereits 2017 veröffentlichte Untersuchung von Fischforschern der Universität Hamburg liegt den Landesbehörden vor, wie der Naturschutzbund Deutschland (NABU) am Freitag mitteilte. Konsequenzen habe es bislang jedoch keine gegeben. Das Fischereiministerium in Kiel wies den Vorwurf der Untätigkeit zurück.
Die Uni Hamburg hat den Nabu-Angaben zufolge festgestellt, dass kranke Aale ausgesetzt wurden und dass seit Beginn der Besatzmaßnahmen in der Schlei die Infektionsrate der Aale im Freiland von null auf mehr als 60 Prozent gestiegen ist. "Der Aal ist durch Überfischung und Gewässerzerstörung bereits europaweit bedroht", sagte Nabu-Geschäftsführer Ingo Ludwichowski. "Es ist unverantwortlich, dass bei Besatzmaßnahmen gefährlich infizierte Fische in natürliche Ökosysteme gelangen, und dabei womöglich auch noch die letzten natürlich vorkommenden Aale anstecken."
Hintergrund ist, dass die natürliche Vermehrung des Aals nicht mehr ausreicht, um einen befischbaren Bestand zu sichern. Angelvereine und Schleifischer setzten daher jedes Jahr Tausende junge Aale in der Schlei aus, die zuvor einige Zeit in Zuchtanlagen gehalten wurden.
Dabei werden sie laut Nabu wahrscheinlich - absichtlich oder unabsichtlich - mit einem Herpesvirus infiziert. Das Virus kann Aale in Stresssituationen wie Futtermangel, Wasserverschmutzung oder Wärme töten. Bislang sei unklar, ob die infizierten Aale die 6000 Kilometer weite Rück-Wanderung zu ihrem Laichgebiet im Atlantik vor der Küste Floridas schaffen.
Das für Fischerei zuständige Umwelt- und Landwirtschaftsministerium in Kiel erklärte, es habe bereits 2009 eine breit angelegte Untersuchung zum Thema gegeben. "Insgesamt ergab sich eine weite und scheinbar weitgehend zufällige Verbreitung des Virus, auch in Küstengewässern." Lediglich an 6 von 26 Probennahmeorten konnte bei keinem der insgesamt 454 beprobten Aalen das Aal-Herpesvirus (HVA) nachgewiesen werden. Ein offensichtlicher Zusammenhang der Nachweishäufigkeit von HVA mit einem vorangegangenem Aalbesatz oder der Tiergröße habe nicht gefunden werden können.
Man habe sich damals an das Nationale Referenzlabor - das Friedrich-Löffler-Institut (FLI) - mit der Frage gewandt, wie beim Aalbesatz mit der Thematik HVA weiter zu verfahren sei. "Das FLI empfiehlt hier klar den Besatz mit infizierten Aalen, da bei diesen von einer erworbenen Immunität auszugehen ist", teilte der Sprecher mit.
Die vom Nabu zitierte Studie stehe hinsichtlich der dort getroffenen Feststellungen im diametralen Widerspruch zur der Empfehlung des Nationalen Referenzlabors. Der Sprecher betonte, sollten die neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse eine Neubewertung der Handlungsempfehlungen erfordern, müsste dies vom Nationalen Referenzlabor vorgegeben werden. "Dazu liegt uns bislang nichts vor, aber wir werden eine Neubewertung erbitten."