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HessenStaatsanwaltschaften: Mehr als 407.000 Ermittlungen in 2022

10.08.2023, 12:59 Uhr
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(Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/)

Kriminalität im Darknet, Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und Erfolge in "Cold Cases": Die Hessischen Staatsanwaltschaften haben im vergangenen Jahr einen Anstieg der Ermittlungsverfahren verzeichnet. Auch die Klimaproteste haben dazu beigetragen.

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Die Zahl der neu eröffneten Ermittlungsverfahren bei den hessischen Staatsanwaltschaften ist im vergangenen Jahr auf mehr als 407.000 gestiegen. Das sei ein Anstieg um rund 3,9 Prozent, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft zur Jahresbilanz der Anklagebehörden. Die Zahl der abgeschlossenen Ermittlungsverfahren stieg um etwa 2,7 Prozent auf mehr als 393.000. In mehr als 20.000 Fällen endeten die Ermittlungen mit einer Anklage und in knapp 36 500 Fällen mit einem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls.

Zu den Ermittlungen, die im vergangenen Jahr mit besonders großer Aufmerksamkeit begleitet wurden, gehörte der "Mordfall Ayleen" um eine 14 Jahre alte Schülerin aus Baden-Württemberg, deren Leiche in Hessen gefunden wurde. Der Staatsanwaltschaft Gießen gelang es innerhalb von acht Tagen, einen Tatverdächtigen zu identifizieren und festzunehmen. Derzeit steht der mutmaßliche Täter in Gießen vor Gericht. In einem umfangreichen Ermittlungskomplex wegen versuchten Auftragsmordes an einem Unternehmer aus Vellmar konnte die Staatsanwaltschaft Kassel sechs Tatverdächtige identifizieren und anklagen.

"Unser Blick darf sich jedoch nicht nur auf aktuelle Kapitalverbrechen beschränken, auch ungeklärte Tötungsdelikte aus den vergangenen Jahren und Jahrzehnten werden von den hessischen Staatsanwaltschaften mit Unterstützung der Cold-Case-Unit des Hessischen Landeskriminalamts regelmäßig auf Wiederaufnahmemöglichkeiten und neue kriminalistische Ansätze überprüft", sagte Generalstaatsanwalt Torsten Kunze. In Hessen seien derzeit mehr als 300 ungeklärte Tötungsdelikte seit dem Jahr 1980 erfasst.

Der neue Blick auf einen solchen Fall kann nach langer Zeit doch noch zur Lösung führen. So gelang es der Staatsanwaltschaft Frankfurt im vergangenen Jahr, 28 Jahre nach einem Raubmord an einem Optikermeister einen Verdächtigen anzuklagen, der im Juli 2022 zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. "Wir sind es den Opfern schwerer Straftaten schuldig, ihre Fälle nie aus dem Blick zu verlieren", betonte Kunze.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die Sanktionen der Europäischen Union führten im vergangenen Jahr zu einem erheblichen Anstieg an Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG). So bearbeitete die darauf spezialisierte Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Frankfurt den Angaben zufolge insgesamt 158 Ermittlungsverfahren aus diesem Bereich - ein Jahr zuvor waren es 24 Verfahren gewesen.

Wichtige Ermittlungserfolge verzeichnete im vergangenen Jahr auch die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. So gelang es der ZIT und dem Bundeskriminalamt im April 2022, die in Deutschland befindliche Serverinfrastruktur des weltweit größten illegalen Darknet-Marktplatzes "Hydra Market" sicherzustellen und im Rahmen einer international koordinierten Aktion der Strafverfolgungsbehörden zu schließen. Dabei wurden Bitcoins in Höhe von umgerechnet rund 23 Millionen Euro sichergestellt.

Ermittlungserfolge gab es auch bei der Verfolgung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern im Darknet und von Hetze im Netz. Insbesondere mit Blick auf die Verfolgung von sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen und der Verbreitung entsprechender Bilder im Internet forderte der hessische Justizminister Roman Poseck (CDU) eine Regelung für die begrenzte Speicherung von IP-Adressen. "Die Handlungsunfähigkeit auf Seiten der Bundesregierung hat Ermittlungserfolge verhindert und Täter geschützt, vor allem im Bereich des Kindesmissbrauchs", sagte er am Donnerstag. "Dies wird auch durch die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft im Rahmen der Bilanz für das Jahr 2022 eindrucksvoll belegt. Die Schilderungen aus der hessischen Praxis zeigen die Notwendigkeit der Speicherung von Verkehrsdaten auf, um Fälle des Kindesmissbrauchs effektiver bekämpfen zu können."

Im Zusammenhang mit Protestaktionen von Klimaaktivisten wurden den Angaben zufolge 2022 zahlreiche Ermittlungsverfahren eingeleitet. Allein wegen einer Serie von Straßenblockaden der Gruppe "Letzte Generation" im April 2022 bearbeite die Frankfurter Staatsanwaltschaft 67 Ermittlungs- und Strafverfahren gegen 109 Tatverdächtige, hieß es. Ermittlungsverfahren gegen Klimaaktivisten werden auch bei den Staatsanwaltschaft Gießen, Darmstadt, Kassel, Wiesbaden und Marburg geführt. "Auch mit wichtigen Anliegen dürfen sich Einzelne nicht über Recht und Gesetz stellen. Wo Blockadeaktionen die Grenze zur Strafbarkeit überschreiten, muss der Rechtsstaat Konsequenzen aufzeigen", sagte Generalstaatsanwalt Kunze.

Quelle: dpa

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