Rheinland-Pfalz & SaarlandBeweisaufnahme könnte wiederaufgenommen werden
Der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe schloss im April seine Beweisaufnahme, am Abschlussbericht wird gearbeitet. Nun könnte der Zeitplan durcheinandergewirbelt werden - Grund ist ein Gutachten.
Mainz (dpa/lrs) - Die Arbeit des Untersuchungsausschusses des rheinland-pfälzischen Landtages zur Flutkatastrophe könnte in die Verlängerung gehen. Hintergrund ist, dass die Fraktion der Freien Wähler einen neuen Beweisantrag gestellt hat. Es geht um ein von der Staatsanwaltschaft Koblenz in Auftrag gegebenes Gutachten. Das möchte der Obmann der Freien Wähler in dem Ausschuss, Stephan Wefelscheid, in dem parlamentarischen Gremium erörtern, wie er am Freitag in Mainz mitteilte.
In dem Gutachten war der Berliner Professor für Führung und Bevölkerungsschutz, Dominic Gißler, nach früheren Angaben der Staatsanwaltschaft Koblenz zu dem Schluss gekommen, dass der Katastrophenschutz im Landkreis Ahrweiler zum Zeitpunkt der Katastrophe im Sommer 2021 nicht optimal organisiert gewesen sei. Der Kreis habe kein ausreichend entwickeltes Einsatzführungssystem vorgehalten.
Das Gutachten lag den Obleuten des U-Ausschusses nach Angaben der Freien Wähler seit Dienstagmittag dieser Woche vor. Darin steckten Ansatzpunkte, die in der bisherigen Beweisaufnahme zu kurz gekommen seien, sagte Wefelscheid der Deutschen Presse-Agentur. Deswegen habe er sich für den Beweisantrag entschieden. Das Gutachten müsse seiner Meinung nach in einer Sitzung des Ausschusses eingeführt werden. Denn nur das, was eingeführt werde, könne auch Eingang in den Abschlussbericht finden.
Eigentlich war geplant, dass der Abschlussbericht bereits im Dezember im Landtag diskutiert wird. Ende April hatte der Ausschuss seine Beweisaufnahme eigentlich formell geschlossenen. Nun könnte sich das Ganze in die Länge ziehen. Die Obleute der Fraktionen müssen über das weitere Vorgehen beraten. Wann dies geschieht, war zunächst noch nicht klar. Er werde eine mögliche Vernehmung Gißlers vorbereiten, sagte Wefelscheid am Freitag. Je nachdem, wie die dann laufe, sei anschließend auch möglich, dass Umweltstaatssekretär Erwin Manz (Grüne) und der Präsident der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), Thomas Linnertz, ein weiteres Mal geladen werden.
Bei der Flutkatastrophe in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 waren in Rheinland-Pfalz 136 Menschen ums Leben gekommen, davon 135 in der Ahr-Region und einer im Raum Trier. Darunter ist auch ein Mensch, der für tot erklärt, aber bisher nicht gefunden wurde. Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt gegen den ehemaligen Ahr-Landrat Jürgen Pföhler (CDU) und einen Krisenstab-Mitarbeiter des Kreises wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung. Pföhler hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Die ADD hatte am 17. Juli 2021 die Einsatzleitung übernommen.
Der Experte Gißler sieht in dem Gutachten laut Staatsanwaltschaft die Schuld nicht persönlich bei den einzelnen Mitgliedern der Technischen Einsatzleitung, sondern "im aufbau- und ablauforganisatorischen Bereich". "Die anwesenden Personen haben alles gegeben – das Führungssystem ließ nur nicht mehr zu", wurde der Sachverständige zitiert. Ein "regional-risikospezifiziertes, leistungsfähiges, vollständig entwickeltes Einsatzführungssystem" hätte die Chancen, Menschenleben zu retten, verbessert.
Wefelscheid von den Freien Wählern sagte, schon nach Bekanntwerden des seinerzeit durch die Staatsanwaltschaft beauftragten Gutachtens sei für ihn offen gewesen, ob bis Jahresende der U-Ausschuss seinen Abschluss finden könne. Gißler hatte zuvor auch schon ein Gutachten für den U-Ausschuss angefertigt.