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Sachsen-AnhaltArbeitgeberverband: "Wir brauchen Pflicht zum Optimismus"

19.12.2025, 04:31 Uhr
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Lithium in der Altmark, Chancen für KI und Batteriechemie: Welche Branchen Sachsen-Anhalt retten könnten – und wo es Veränderungen gibt.

Magdeburg (dpa/sa) - Angesichts wirtschaftlicher Herausforderungen hat der Vorsitzende des Arbeitgeberverbands Sachsen-Anhalt, Marco Langhof, mehr Veränderungsbereitschaft von Politik und Unternehmen gefordert. "Wir brauchen die Pflicht zum Optimismus", sagte Langhof im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Unternehmen müssten sich neu ausrichten, aber Politik müsse auch verlässlich sein und eine klare Strategie zeigen.

Frage: Herr Langhof, wie blicken Sie auf das Wirtschaftsjahr 2025 in Sachsen-Anhalt?

Marco Langhof: Wir sind hoffnungsvoll ins Jahr gestartet mit der Wahl – oder sagen wir: mit der Möglichkeit, dass sich grundlegend etwas ändert. Aber an vielen Stellen war es dann doch ernüchternd. Das heißt nicht, dass gar nichts passiert ist. Aber man kann an den Unternehmen ablesen: Strukturell hat sich wenig getan. Der Aufschwung konnte nicht gelegt werden – und ohne Wachstum wird es eng. Ich würde jetzt nicht vom perfekten Sturm sprechen, aber wir haben viele Herausforderungen.

Frage: Die wären?

Langhof: Einmal die Energiepreise. Wir haben in Mitteldeutschland 300.000 Arbeitsplätze in Unternehmen, die stark oder sehr stark energieintensiv sind. Wir haben in der Chemieindustrie Schlüsseltechnologien, die wie mit dem Cracker in Böhlen, drohen wegzufallen. Dahinter beginnt dann ein Dominoeffekt. Und wenn ich mir die Autobranche anschaue, dann werden in Sachsen-Anhalt viele Komponenten gebaut, die viel mit dem Verbrenner zu tun haben. Das funktioniert bei Elektroautos aber nicht. Da haben wir vor Jahren schon drauf hingewiesen.

Frage: Dann sind die Unternehmen aber im Grunde selbst schuld, wenn sie den Wandel verschlafen haben!

Langhof: Die Unternehmen tun, was Unternehmen tun: Sie handeln nach Marktlogik. Wenn aus dem Ausland auf Sachsen-Anhalt geschaut wird, spielen Wettbewerbsfähigkeit und Standortbedingungen eine Rolle. Und da sieht es nicht gut aus: hohe Arbeitskosten, stagnierende Nachfrage und hohe Energiekosten. Es ist kein Zufall, dass zentrale Entscheidungen gegen den Standort getroffen werden.

Frage: Einige fordern: Zurück zu alter Stärke, mehr Schutz für heimische Industrie, Subventionen. Funktioniert das?

Langhof: Nein. Wer glaubt, man könne die Zeit zurückdrehen, verkennt die Realität. Wir müssen uns fragen: Wovon wollen wir künftig leben? Und dann gezielt in neue Bereiche investieren – etwa Batteriechemie, Halbleiter oder KI. Sachsen-Anhalt hat Potenziale, sogar Lithiumvorkommen in der Altmark oder Natrium, wenn wir Richtung Kalimandscharo in Zielitz schauen. Aber es fehlt eine klare Strategie, an mutiger Zukunftsplanung.

Frage: Müsste das nicht Aufgabe der Politik sein? Wir haben ja einen Wirtschaftsminister, der im nächsten Jahr Ministerpräsident werden will!

Langhof: Ich will es mal so formulieren: Wir versuchen sehr intensiv, unsere Sicht bei der Politik zu platzieren. Wenn ich dann aber so etwas sehe wie das Bildungsfreistellungsgesetz, wo Arbeitnehmer fünf Tage pro Jahr noch mal Zeit bekommen für politische Bildung, da fragen wir uns schon, ob jemand den Schuss nicht gehört hat. Das ist absurd in dieser Situation. Und das verstärkt Zweifel, dass die Politik versteht, wie ernst die Situation ist. Auf der anderen Seite: Die Landesregierung arbeitet vergleichsweise ruhig und erfolgreich, aber oft zu leise.

Frage: Das waren zu Weihnachten jetzt Wünsche an die Politik. Was müssen die Unternehmen selbst machen?

Langhof: Wir brauchen die Pflicht zum Optimismus. Auch wenn es schwerfällt: Unternehmen müssen innovativ bleiben, neue Märkte erschließen, experimentieren. Gleichzeitig müssen sie klar benennen, wo es hakt – damit Politik überhaupt reagieren kann.

Frage: Was stimmt Sie trotzdem zuversichtlich für 2026?

Langhof: Es gibt Stärken: Sachsen-Anhalt ist weltoffen und ein familienfreundliches Land mit niedrigen Lebenshaltungskosten – das kommt oft viel zu kurz. Wenn es uns gelingt, neue Industrien anzusiedeln, die gut bezahlte Arbeitsplätze mit echter Wertschöpfung schaffen, dann hat dieses Land eine Perspektive. Dafür brauchen wir eine klare Richtung – und den Mut, Dinge neu zu denken.

Quelle: dpa

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