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Thüringen Immer mehr Kliniken führen medizinische Versorgungszentren

Die Zahl der Medizinischen Versorgungszentren hat sich in Thüringen vervierfacht. Zwischen Patientenwohl, Ärztemangel und wirtschaftlichen Interessen – die Kontroverse um die neuen "Polikliniken".

Weimar/Erfurt (dpa/th) - Die Anzahl medizinischer Versorgungszentren (MVZ) in der Trägerschaft von Krankenhäusern hat sich in Thüringen seit Ende 2008 vervierfacht. Wie aus Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung hervorgeht, lag die Anzahl solcher Einrichtungen Ende vergangenen Jahres bei 108. 

Damit werden mehr als zwei Drittel der insgesamt 150 Medizinischen Versorgungszentren in Thüringen von Kliniken betrieben. Auch insgesamt ist die Anzahl der MVZ in Thüringen gestiegen: Inzwischen gibt es dreimal so viele dieser Einrichtungen wie noch Ende 2008.

Die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen sieht diese Entwicklung kritisch: MVZ würden häufig von Kliniken dazu genutzt, um stationäre Fälle aus der ambulanten Versorgung heraus zu akquirieren, sagte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. "Hier steht dann nicht der ambulante Profit im Vordergrund. Vielmehr werden sogar ambulante Verluste toleriert, um die stationären Erlöse zu steigern."

Profit oder Patientenwohl? Ein Streit um Motive

Dem Vorwurf der Profitmaximierung tritt die Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen entgegen: "Auch für angestellte Mediziner steht das Wohl der behandelten Patienten bei der Empfehlung für die Weiterbehandlung in einem Krankenhaus im Vordergrund", sagte Geschäftsführer Rainer Poniewaß der Deutschen Presse-Agentur. 

Der Gesetzgeber habe die Möglichkeit der MVZ 2004 geschaffen. Ihre Entstehung sei ausdrücklicher politischer Wille gewesen - insbesondere zur Unterstützung der ambulanten Versorgung im ländlichen Raum. 

Zudem werde mit den Zentren auch ein Wunsch der Ärzteschaft bedient: Viele Nachwuchsmediziner wollten sich heute nicht mehr als "Einzelkämpfer" in Praxen niederlassen, so Poniewaß, weil sie das Risiko und den zeitlichen Aufwand einer Selbstständigkeit fürchten würden. Für Patienten seien die Versorgungszentren zudem praktisch, da sie im besten Fall alle wesentlichen Fachrichtungen unter einem Dach vorfinden würden. 

"MVZ sind für Krankenhäuser auch ein Wettbewerbsvorteil"

"Aber natürlich gehört auch dazu, Krankenhäuser müssen wirtschaftlich sein und ein MVZ hat natürlich auch für ein Krankenhaus einen Wettbewerbsvorteil, das muss man fairerweise sagen", so Poniewaß.

Die KVT kritisiert auch die aus ihrer Sicht häufig wechselnde Besetzung in MVZ-Praxen. Patienten würden das als Nachteil empfinden, da es häufig an der Vertrautheit fehle, die ein klassisches Arzt-Patienten-Verhältnis ausmache

. Dem hält die Landeskrankenhausgesellschaft entgegen, dass die Ärzte in den Zentren und im Krankenhaus sich kennen und daher in einem besonders intensiven Austausch stehen würden. "Nicht wenige Patienten wählen gerade auch aus diesem Grund die Behandlung im MVZ", so der Chef der Landeskrankenhausgesellschaft Poniewaß.

Brombeer-Regierung will "Poliklinik 2.0"

Der Begriff der "Poliklinik 2.0" findet sich auch im Koalitionsvertrag der Regierung von CDU, BSW und SPD. Mit ihrer Hilfe wolle man das Gesundheitsnetz zukunftsfest machen, heißt es in dem Papier. Im jährlich erhobenen Thüringen-Monitor hatten sich zudem bereits 2019 rund 99 Prozent der Thüringer für ein Comeback der Polikliniken in Form ambulanter medizinischer Versorgungszentren ausgesprochen.

Den Zahlen zufolge arbeiteten Ende vergangenen Jahres 1.559 angestellte Ärztinnen und Ärzte in Medizinischen Versorgungszentren in Thüringen. Auch diese Zahl hat sich seit 2019 beinahe verdoppelt. Der größte Anteil der Ärzte dort sind Hausärzte (225), gefolgt von Chirurgen und Orthopäden (199) sowie Internisten (122) und Frauenärzten (108).

Fast 60 Prozent der MVZ haben ihren Sitz den Zahlen zufolge in mittelgroßen Städten mit 20.000 bis 100.000 Einwohnern. Rund ein Viertel liegt in Kleinstädten zwischen 5.000 und 20.000 Einwohnern.

Quelle: dpa

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