ThüringenZahl ausländischer Häftlinge ist gestiegen

In Thüringen wächst die Zahl muslimischer Häftlinge. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten hält für sie eine entsprechende Gefängnisseelsorge für nötig. Doch es gibt ein Problem.
Erfurt (dpa/th) - In Thüringer Gefängnissen sitzen deutlich mehr Ausländer als früher ein. Bei einer insgesamt sinkenden Zahl Gefangener habe sich in den vergangenen drei Jahren die Zahl von Insassen nichtdeutscher Herkunft erhöht, teilte das Justizministerium in Erfurt auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Von den in diesem Jahr 1541 Inhaftierten in Thüringer Gefängnissen kamen 263 aus dem Ausland. 2016 gab es 1657 Strafgefangene, davon 177 aus dem Ausland.
Der Anteil ausländischer Gefangener stieg damit von rund 10 auf 17 Prozent. Die größten Gruppen unter den Häftlingen nichtdeutscher Herkunft stellen nach Angaben des Ministeriums Syrer, Polen, Afghanen, Algerier und Rumänen.
Laut dem Bund der Strafvollzugsbediensteten in Thüringen ist die Zahl ausländischer Inhaftierter im Vergleich zum Bundesdurchschnitt aber immer noch relativ gering. "Es gab schon immer ausländische Gefangene, neu ist aber der muslimische Herkunfts- und Kulturkreis", sagte der Landesvorsitzende Jörg Bursian. Auf den Umgang mit muslimischen Häftlingen seien die Justizvollzugsbediensteten nicht eingestellt gewesen.
Für die Bediensteten sei es oftmals schwierig zu beurteilen, ob manche Reaktionen verhaltens- oder religionsbedingt seien. "Die Anerkennung von Autoritäten und das Demokratieverständnis ist bei muslimischen Häftlingen ein anderes", erklärte Bursian. Auch gebe es häufig Vorbehalte gegenüber Frauen. Zudem hätten Gefangene aus Kriegsgebieten einschneidende Erlebnisse hinter sich.
Laut Bursian sind in der Jugendstrafanstalt in Arnstadt von den rund 200 Gefangenen etwa 30 Prozent Muslime. Für sie wäre eine entsprechende Gefängnisseelsorge wünschenswert - diese könnte auch deeskalierend wirken. "Das eigentliche Problem ist aber, in Thüringen einen Imam zu finden." Mangels Alternative besuchten daher muslimische Insassen auch christliche Gottesdienste.
Verfassungsschützer sehen unterdessen die Gefahr der Radikalisierung in Haftanstalten. Der Anteil Inhaftierter ohne Deutschkenntnisse in den Justizvollzugsanstalten sei in den vergangenen zwei Jahren bundesweit stark gestiegen.
Gebe es in den Gefängnissen keinen Imam, der muslimische Inhaftierte als Seelsorger und Ansprechpartner in religiösen Angelegenheiten zur Seite stehe, würden in der Regel zweifelhafte Mithäftlinge diese Rolle übernehmen, heißt es im aktuellen Thüringer Verfassungsschutzbericht. Das Problem der Radikalisierung in Gefängnissen besteht nach Einschätzung des Justizministeriums in Thüringen derzeit allerdings nicht.