Streetart hilft Bürgern Wie die Wirtschaftskrise Athens Szene belebt
23.11.2017, 07:39 Uhr
Die Behörden in Athen lassen die Künstler gewähren.
(Foto: imago/fosphotos)
Die einschneidende Wirtschaftskrise in Griechenland trifft auch die Hauptstadt Athen deutlich. Doch trotz der misslichen Lage - oder gerade deswegen - entdeckt sich die Athener Kunstszene wieder neu. Vor allem die Streetart boomt.
"Jede Fassade eines verlassenen Gebäudes ist für uns eine Leinwand", sagt Cacao Rocks. Auf vielen dieser Wände hat er seine Spuren hinterlassen - er ist einer der bekanntesten Graffiti-Sprayer in Athen. Aber bei Weitem nicht der einzige. Die Finanz- und die anschließende Flüchtlingskrise hätten die griechische Hauptstadt zu einem Treffpunkt der internationalen Straßenkunstszene werden lassen, sagt er. Das Stadtzentrum mit all den leerstehenden Ladenlokalen und Wohnhäusern sowie die niedrigen Mieten lockten Künstler an und boten ihnen Raum, sich auszuprobieren.
Auf dem Höhepunkt der Krise waren es die Graffiti, die das Elend, die Enttäuschung und die Wut der Griechen zum Ausdruck brachten und über die Medien in die Welt trugen. Streetart-Künstler wie iNO, Lotek, Cacao Rocks und WD machten sich damit einen Namen und nutzen ihre Bekanntheit, um den Alltag im heutigen Griechenland zu illustrieren. Inzwischen sind ihre Werke bunter und futuristischer geworden.
Freier Raum für Kreativität
Auch Touristen interessieren sich mittlerweile für die Fassadenkunst. Der Anbieter "Alternative Athens" lädt Besucher jeden Tag zu einer Tour mit einem der Künstler durch die Stadt ein. "Athen wird nicht mehr nur mit den antiken Relikten wie dem Pantheon in Verbindung gebracht", sagt Tina Kyriaki von der Agentur "Alternative Athens". "Vor allem die Touristen aus Nordeuropa interessieren sich für den Alltag, von dem die Hauswände erzählen, für die wirtschaftliche und soziale Situation der Stadt." Athen gehe anders mit der Straßenkunst um als andere europäische Metropolen, sagt Nik Karison. "Die Toleranz der Behörden ist größer, weil es keine strengen Gesetze dazu gibt. Dadurch entsteht ein Raum für Kreativität, wie es ihn früher auch in den heruntergekommenen Vierteln von London, Kopenhagen, Amsterdam, Barcelona, Paris oder Berlin gegeben hat."
Karison ist der Kurator der Ausstellung "Artists in Athens - City of Crisis" ("Künstler in Athen - Stadt der Krise"), die die deutsche Rosa-Luxemburg-Stiftung zusammen mit der griechischen Stiftung Michael Cacoyannis organisiert hat. Sie zeigt die Werke von 14 Künstlern, die während der Krise entstanden. "Athen ist das neue Berlin", sprühte Cacao Rocks 2012 auf eine Wand im Stadtzentrum. Das war zu Beginn des künstlerischen Frühlings und Rocks zog eine Parallele zum Berlin der Nachwendezeit, als Künstler aus der ganzen Welt dorthin strömten und die leer stehenden Häuser für sich einnahmen.
Doch die Zeiten haben sich nicht nur in Berlin, sondern auch in Athen geändert. "Jetzt, da es eine wirkliche Kunstszene gibt, wünsche ich mir, dass die Stadt oder der Staat die gegenwärtige künstlerische Produktion unterstützen - so wie es andere europäische Hauptstädte auch getan haben", sagt Cacao Rocks. 2016 formulierte er daher seinen Slogan um. "Berlin ist das neue Athen", ist seither auf einer Hauswand zu lesen.
Quelle: ntv.de, Hélène Ccolliopoulou, AFP