Unternehmer - und Bachelor "Auch im Krieg kann man Geschäfte machen"
19.02.2023, 12:07 Uhr
Die Angst vor dem Krieg in der Ukraine mache auch mutiger, geschäftliche Risiken einzugehen, sagt Unternehmer Oleksij Tryhubenko.
(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)
Vor drei Jahren war Oleksij Tryhubenko einer der Kandidaten in der ersten ukrainischen Staffel "Bachelorette". Er kam zwar ins Finale, erhielt aber nicht die letzte Rose. Bereits vor seiner Zeit im Reality-TV hatte er zusammen mit einem Freund eine Firma in Kiew gegründet, die Autos an Taxifahrer vermietet. Mit ntv.de spricht er darüber, wie sich das Geschäft seit Beginn des russischen Überfalls verändert hat.
ntv.de: Vor einem Jahr ist Russland in die Ukraine einmarschiert. Wie haben Sie das erlebt?

Oleksij Tryhubenko hat eine Autovermietung für Taxifahrer. Er arbeitet parallel in einer Hilfsorganisation, die er gegründet hat.
(Foto: Privat)
Oleksij Tryhubenko: Als die Kämpfe in Kiew begannen, war ich zusammen mit meiner Familie auf dem Weg in die Westukraine. Ich hatte nur wenig Geld in der Tasche und dachte, dass ich sonst alles verloren hätte. Meine Freunde riefen mich an und sagten mir, dass unklar ist, was morgen passieren wird. Wenn ich heute daran denke, dann stelle ich fest, ich hätte zu Hause bleiben sollen, ich hätte mir nicht so viele Sorgen machen müssen. Aber damals wusste ich nicht, was ich tun sollte. Als Leute mich dann um Hilfe baten, begannen wir, die Menschen aus Kiew zu holen, zum Bahnhof oder in sichere Städte in der Ukraine zu fahren. Wir stellten Familien Evakuierungsfahrzeuge zur Verfügung. Viele Menschen kamen zu uns, nahmen die Autos und fuhren in die Westukraine.
Jetzt wohnen Sie wieder in Kiew?
Ja, meine Familie ist auch hier, meine Mutter und mein Vater. Meine Schwester ist momentan in Deutschland. Mein Vater hat sich der Territorialverteidigung angeschlossen. Manchmal fahre ich nach Dnipro, da haben wir ein Lager eröffnet.
Ein Lager?
Wir haben eine Organisation gegründet, "Taktik des Sieges". Wir koordinieren damit die Arbeit von Freiwilligen, die unserem Militär Kleidung, Schlafsäcke und Ähnliches bringen. Aber wir kaufen auch Wärmebildkameras, manchmal Drohnen und Zielgeräte. Unser Land, unser Leben hängt vom Militär ab, deshalb arbeiten wir für sie.
Und Ihr Unternehmen macht parallel weiter?
Unser Unternehmen konzentriert sich in erster Linie auf die Hilfe. Es war die Freiwilligenarbeit, die uns zu Beginn des Kriegs dazu gebracht hat, wieder das Gehirn einzuschalten. Diese Art von Arbeit gab uns Motivation und den Glauben an die Zukunft zurück. Nach und nach haben wir damit angefangen, parallel zur Freiwilligenarbeit wieder an unserem Geschäft zu arbeiten. Mittlerweile läuft beides parallel.
Hilft Ihnen Ihre Bekanntheit aus der "Bachelorette" bei Ihrer ehrenamtlichen Arbeit oder bei Ihren Geschäften?
Wenn ich an einen neuen Ort komme, gibt es normalerweise eine Person, die mich aus dem Fernsehen kennt, sodass es einfacher ist, Kontakt aufzunehmen. Dadurch stoße ich auf mehr offene Türen. Für die Freiwilligenarbeit habe ich einen Instagram-Account eingerichtet, damit mehr Menschen von unserem Projekt erfahren und sich angesprochen fühlen zu helfen. Natürlich ist es ein Nachteil, dass ich mein Leben offen zeige, aber die Vorteile sind doch größer.
Die ukrainische Wirtschaft befindet sich in einer dramatischen Lage. Was bedeutet der Krieg für Ihr Unternehmen?
Unser Unternehmen hat sich völlig verändert. Wir haben ständig Probleme mit Stromausfällen. Manchmal ist es für uns schwierig, Bestellungen zu erhalten oder Autos zu tracken, weil das GPS nicht richtig funktioniert. Wenn es kein Licht gibt, ist das Fahren in der Stadt gefährlich, sowohl für Autofahrer als auch für Fußgänger. Auch die Ampeln funktionieren nicht. Aber die Menschen gewöhnen sich daran.
Die Realität des Marktes sieht folgendermaßen aus: Als der Krieg begann, gab es Menschen, die volles Verständnis hatten und kein Geld von den Unternehmern nahmen oder zumindest nicht die volle Miete verlangten - und es gab die anderen. Wir hatten ein bisschen Pech, denn uns wurden die Mieten weiterhin in voller Höhe in Rechnung gestellt. Und so häuften wir Schulden an. Es war sehr unangenehm. Aber wir haben alles bezahlt, die großen Büros geschlossen und andere, kleinere Büros eröffnet.
Gibt es auch gute Veränderungen?
Wir vermieten nicht nur Autos an Taxifahrer, wir bieten auch Dienstleistungen an wie Autokauf, Reparatur, Versicherung und so weiter. Und man kann sein Auto von uns verwalten lassen und so Dividenden erzielen. Wir arbeiten mit allen möglichen Plattformen wie Uber, Bolt und Uklon zusammen. Vor der Invasion hatten wir ein Problem: Wir waren nicht in der Lage, unsere Autoflotte maximal auszulasten. Im Sommer konnten wir das Problem lösen, heute können wir eine beliebige Anzahl von Fahrzeugen verwalten. Das liegt daran, dass unsere Angst vor dem Krieg viel größer ist als die Angst vor geschäftlichen Entscheidungen. Damit ist es einfacher für uns, unsere Komfortzone zu verlassen, alles auszuprobieren und Risiken einzugehen.
Haben Sie jemals daran gedacht, Ihr Unternehmen zu schließen und in den Krieg zu ziehen?
Natürlich, wie jeder andere auch. Am zweiten Tag der großen Invasion packte ich meine Sachen und wollte in den Kampf ziehen. Ich rief meine Freunde beim Militär an und sagte ihnen, sie sollten auf mich warten, ich würde mitkommen. Ich kaufte Fahrkarten und wollte gerade in den Zug steigen. Mein bester Freund hielt mich jedoch davon ab, er sagte: "Du gehst nirgendwo hin." Am nächsten Tag gingen wir zusammen zu einem Treffen mit Leuten von der Armee. Die waren groß und stark - nicht wie ich. Ich erzählte ihnen, dass ich in den Krieg ziehen wollte. Sie antworteten mir darauf: "Jeder Mensch hat Stärken und Schwächen. Du wirst im Krieg der Schwächste sein. Du hast keine militärische Ausbildung. Aber du kannst dich um Logistik kümmern und die Wirtschaft unterstützen. Denk darüber nach." Da habe ich erkannt, dass ich machen sollte, worin ich gut bin.
Sind die Zeiten für Unternehmen in der Ukraine nicht unglaublich hart?
Auch unter den Bedingungen des Kriegs ist es möglich, in der Ukraine Geschäfte zu machen. Zum Beispiel haben viele russische Unternehmen die Ukraine verlassen. Es gibt Unternehmen, deren Umsatz sich verdreifacht hat, weil ein russischer Wettbewerber den Markt verlassen hat. Und ich habe gemerkt, dass die Ukrainer hauptsächlich Kleidung von ukrainischen Herstellern kaufen - ich bin da keine Ausnahme. Natürlich gibt es Regionen, die so stark unter dem Krieg gelitten haben, dass es unmöglich ist, dort Geschäfte zu machen. Aber an ruhigeren Orten kann man Nischen finden. Das Wichtigste ist jetzt, dass wir weitermachen.
Mit Oleksij Tryhubenko sprach Maryna Bratchyk
Quelle: ntv.de