Börsenexperte Halver zu VW & Co. "Auf die Autobranche wird mit dem Vorschlaghammer eingeschlagen"
11.09.2024, 19:28 Uhr Artikel anhören
Auch wenn manche Reaktionen auf die aktuelle Krise der Branche anderes vermuten lassen: Bei den deutschen Autofirmen gebe es kein Pleiterisiko, sagt Analyst Halver.
(Foto: picture alliance / ROPI)
Die deutschen Autobauer stecken gleich in mehreren tiefen Krisen. Börsenexperte Robert Halver von der Baader Bank glaubt dennoch, dass es für VW & Co. wieder aufwärtsgehen wird. Die aktuelle Kursentwicklung der Autowerte sei eine "Schockreaktion" des Marktes.
ntv.de: An der Börse geht es nicht nur VW an den Kragen, auch die Aktien von BMW und Daimler stürzen geradezu ab. Ist das nicht inzwischen übertrieben?
Robert Halver: In dem, was da gerade an der Börse mit den deutschen Autowerten passiert, steckt sicher auch Übertreibung drin. Andererseits ist diese Branche in einer mehrfachen Krise: Die Nachfrage ist schwach, bei den Verbrauchern gibt es einen Trend zum Angstsparen. Politisch herrscht Unsicherheit, etwa was die Zukunft des Verbrenners betrifft und die Förderung der E-Mobilität. Dazu drängen neue Konkurrenten aus Asien auf den Markt. Gerade auf dem Massenmarkt für relativ günstige Autos sind die deutschen Anbieter in diesem verschärften Wettbewerb nicht gut aufgestellt. Kommen zu dieser Gemengelage so dramatische Nachrichten wie von VW in der vergangenen Woche oder die jüngste Gewinnwarnung von BMW, dann wird an der Börse mit dem großen Vorschlaghammer auf die ganze Branche eingeschlagen.
Die deutschen Autobauer verdienen weiterhin Milliarden. Gemessen an diesen Gewinnen wirken die Aktien sehr günstig. Da scheint etwa bei VW selbst ein Pleiterisiko eingepreist zu sein.
Bei deutschen Autofirmen gibt es kein Pleiterisiko. Aber die Diskussionen um VW, die Aufkündigung der seit Jahrzehnten geltenden Standort- und Arbeitsplatzgarantien, das hat eine Schockreaktion ausgelöst, auch bei den Anlegern.
Angesicht der von Ihnen geschilderten Mehrfach-Krise: Gibt es denn Gründe, warum die Anleger ihre deutschen Autoaktien nicht sofort verkaufen sollten? Können sie in absehbarer Zeit auf Besserung hoffen?
Panik ist immer ein schlechter Ratgeber an der Börse. Es gibt immer einen neuen Morgen – auch für die deutsche Autobranche. Die Nachfrage wird wieder anziehen, wenn die globale Konjunktur in Schwung kommt. Einige Verbraucher, die in diesem Jahr ihren Autokauf aufgeschoben haben, werden das sicherlich bald nachholen müssen, wenn sie auf ein Auto angewiesen sind. Allerdings bleiben die strukturellen Probleme der Branche. Eine Rückkehr zur guten alten Zeit, in der die deutschen Autobauer weltweit führend und einzigartig waren, ist leider vorbei.
Sind alle Autobauer in Deutschland von diesen Problemen in gleichem Maße betroffen oder sind einige besser aufgestellt für die Zukunft als andere?
Diese strukturellen Probleme betreffen grundsätzlich zwar die ganze Branche. Die aktuelle Nachfrageschwäche trifft die Premiummarken allerdings nicht ganz so heftig wie die Massenmarken. Die Käufer von Mercedes, BMW, Audi oder Porsche schauen nicht so auf jeden Cent wie die Kunden im Mittelklassesegment, wo der Wettbewerb sich brutal verschärft hat.
Wenn wir von der Krise der deutschen Autobauer reden, müssen wir da nicht unterscheiden zwischen den global agierenden Konzernen, deren Absatzmärkte und Werke großteils im Ausland liegen, einerseits und dem Produktionsstandort Deutschland andererseits? Sind die Standortprobleme hierzulande aus Börsensicht überhaupt relevant?
So sehr es mich persönlich auch schmerzen mag, wenn von Jobabbau und möglichen Standortschließungen in Deutschland die Rede ist: Aus Anlegersicht ist es sogar besser, wenn die Unternehmen mehr im Ausland produzieren, wo es günstiger ist, als am Standort Deutschland, der aufgrund der hohen Kosten etwa für Arbeit und Energie immer weniger wettbewerbsfähig geworden ist.
Mit Robert Halver sprach Max Borowski
Quelle: ntv.de