Wirtschaft

Kollaps des Signa-Imperiums "Benko hat ein Spinnennetz geknüpft"

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
René Benko.

René Benko.

(Foto: picture alliance / ATP photo agency)

Signa-Pleitier René Benko soll in einem Untersuchungsausschuss in Wien erstmals seit der Insolvenz öffentlich Fragen beantworten. Der österreichische Abgeordnete Yannick Shetty kündigt neue Enthüllungen an.

In den vergangenen Wochen hat René Benko drei Mal seine Aussage abgesagt. Der Ausschuss droht deshalb damit, ihn von der Polizei vorführen zu lassen. Wird er zu dem Termin am Mittwoch freiwillig erscheinen?

Yannick Shetty: Benko hat angekündigt, dass er nach den drei Absagen dieses Mal freiwillig erscheinen wird. Wir wissen, dass das Parlament und die zuständigen Behörden dazu in Abstimmung mit ihm und seinen Anwälten sind. Daher gehen wir davon aus, dass Benko heute auf jeden Fall erscheinen wird – ob freiwillig oder unfreiwillig. Uns als Abgeordneten ist es wichtig zu betonen, dass es Benkos Bürgerpflicht ist, der Einladung des Untersuchungsausschusses nachzukommen. Er kann sich nicht selbst aussuchen, ob er erscheint oder nicht.

Benko war seit der Pleite seines Konzerns im Herbst 2023 lange abgetaucht, hat öffentlich noch kein Wort dazu gesagt. Was erwarten Sie von seinem Auftritt?

Die Aussage von Benko ist wichtig. Schließlich ist er der Mann, der die bisher größte Insolvenz in der österreichischen Geschichte zu verantworten hat. Schon deshalb ist er in der Verantwortung, der Öffentlichkeit Rede und Antwort zu stehen. Das gilt insbesondere in Bezug auf die im Raum stehenden Vorwürfe, wonach es eine Beeinflussung von Beamten, Politikerinnen und Politikern und öffentlichen Einrichtungen gegeben hat. Allerdings gehen wir davon aus, dass sich Benko bei seiner Aussage in großem Stil entschlagen wird.

Also wegen der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen wird.

Das ist auch sein gutes Recht. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist nicht die Staatsanwaltschaft. Aber wir haben auch Fragen zu Komplexen, bei denen nach unserem Kenntnisstand keine Strafverfahren laufen. Bei diesen Themen besteht entsprechend auch kein Recht, die Aussage zu verweigern.

Welche konkreten Themen sind das?

Wir können Fragen stellen zur mutmaßlichen Bevorzugung von Milliardären, der Benko zum Untersuchungszeitpunkt jedenfalls war, durch die ÖVP-geführte Bundesregierung. Konkret interessieren wir uns für die Corona-Förderung für einige von Benkos Unternehmen sowie die Steuerverfahren bezüglich seines Privatjets, seines Feriendomizils Chalet N und seiner Villa in Innsbruck-Igls. Ferner interessieren uns auch die Geschäfte rund um den Tuchlaubenkomplex in der Wiener Innenstadt, der von Benko und seinen Firmen ge- und verkauft wurde. Dabei gab es massive Unregelmäßigkeiten, bis hin zu einer Verlegung des Firmensitzes während eines laufenden Steuerverfahrens. Wie wir heute wissen, hat Benko durch die Verlegung des Firmensitzes nach Innsbruck mehrere Millionen Euro an Steuern gespart. Dabei besteht der Verdacht, dass es bei den Entscheidungen des dortigen Finanzamts nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Dazu werden wir Benko befragen.

Mit Spannung warten alle darauf, ob sich Benko endlich auch einmal zu den Gründen für den Zusammenbruch seines Unternehmens und den Folgen der Pleite äußert. Können Sie da etwas nachhelfen?

Leider nur sehr begrenzt. Wonach wir fragen können, sind nur Benkos Wahrnehmungen zu bestimmten Vorgängen und Tatsachen, die in den Untersuchungszeitraum fallen. Da gehören seine Wahrnehmungen der letzten Monate nicht dazu.

Viele fragwürdige Vorgänge im Signa-Reich sind nach der Insolvenz schon öffentlich geworden. Haben Sie für die Sitzung noch einen Knaller in der Hinterhand?

Wir haben schon den einen oder anderen Vorgang, der öffentlich bislang nicht bekannt ist und den wir Benko vorlegen möchten. Ich kann jetzt nur andeuten, worum es dabei geht – nämlich um den Hinweis eines Whistleblowers aus der Signa selbst an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Aus diesem ergibt sich der Verdacht, dass Benko eine eigene Datenbank für Zuwendungen – sprich: mögliche Bestechungen – angelegt haben soll. Dieser Verdacht wurde aber nicht weiter verfolgt, weil die Vorgänge bereits verjährt waren. Zu diesem Vorwurf wollen wir Benko befragen.

Das ist sehr interessant, denn bisher hieß es immer, bei Signa gebe es grundsätzlich keine Parteispenden. Um welchen Zeitraum geht es dabei?

Die Vorwürfe beziehen sich auf einen Zeitraum, der mehr als zehn Jahre her ist, konkret auf 2010 und 2011. Strafrechtlich sind sie deshalb verjährt.

Bekannt ist, dass Benko bei seinem Aufstieg zu einem der führenden Unternehmer Österreichs von seinem exzellenten Netzwerk in der Politik profitierte. Haben Sie dazu in den Akten des Ausschusses neue Erkenntnisse gewonnen?

Durchaus. Wir waren überrascht, wie intensiv Benkos politisches Netzwerk war. Es war ein wahres Spinnennetz, das Benko geknüpft hat, insbesondere zu Politikerinnen und Politikern von ÖVP und SPÖ. Er hatte engste Kontakte in diese Parteien, in den vergangenen Jahren natürlich zu Sebastian Kurz und dem früheren SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Überraschend war aber auch, wie intensiv die Kontakte in die oberste Ebene der Verwaltung waren. Da hat man sich gemeinsam auf Drinks getroffen, man hat sich über einzelne Steuerverfahren unterhalten, Benko hat persönlich mehrfach Privattermine in Ministerien bekommen. Wie eng diese Kontakte waren, haben wir erst durch die Akten und Chatauswertungen gesehen.

Sebastian Kurz hat sich schon während seiner Amtszeit als Bundeskanzler für Benko eingesetzt. Nach seinem Ausscheiden gab er dann für Millionenhonorare den Klinkenputzer bei Investoren. Werden Sie auch dazu nachbohren?

Dass Sebastian Kurz nach seiner Tätigkeit als Bundeskanzler sein Telefonbuch versilbert und seine Kontakte in der Welt zu Geld gemacht hat, finde ich persönlich moralisch verwerflich. Die Bürgerinnen und Bürger sollten im Hinterkopf behalten, wie Kurz tickt, solange er mit dem Gedanken spielt, in die Politik zurückzukehren. Das ist weit weg von dem Image, das er sorgsam pflegt. Aber ich sehe darin nicht per se ein Vergehen, das vom Untersuchungsausschuss beleuchtet werden müsste.

Mit Yannick Shetty sprach Thomas Steinmann

Dieser Interview erschien zuerst bei capital.de

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen