GDL mit eigener Leiharbeitsfirma "Dampfhammer-Clausi" will Bahn die Lokführer wegschnappen
05.06.2023, 18:30 Uhr Artikel anhören
Der Bahn fehlt es an Personal. Das will GDL-Chef Weselsky für die Tarifverhandlungen ausnutzen.
(Foto: dpa)
Mit hohen Tarifforderungen will die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) in die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn gehen. GDL-Chef Weselsky hat aber noch einen weiteren Trumpf im Ärmel: Mit einer neuen Leiharbeitsfirma will man der Bahn Personal abjagen.
GDL-Chef Claus Weselsky will mehr Lohn und weniger Arbeitszeit für Tausende Bahn-Beschäftigte erstreiten - und dann den Bahn-Unternehmen ihre Lokführer wegschnappen. In den anstehenden Tarifverhandlungen will die Lokführer-Gewerkschaft GDL 555 Euro mehr pro Monat durchsetzen, eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden für Schichtarbeiter ohne anteilige Lohnsenkung und 3000 Euro als Inflationsausgleichsprämie. Die Tarifverträge sollen eine Laufzeit von maximal zwölf Monaten haben, teilte Weselsky in Berlin mit.
Für Überraschung aber sorgt vor allem eine weitere Ankündigung des Gewerkschaftschefs: Die GDL habe eine Genossenschaft gegründet, die mittelfristig als Leihfirma für Lokführer auftreten will. Kurzum: Die GDL will indirekt selbst zum Arbeitgeber werden und eine Berufsgruppe anstellen, bei der es bereits einen deutlichen Fachkräftemangel gibt - eine äußerst ungewöhnliche Konstellation. Zunächst soll diese Genossenschaft einen Tarifvertrag aushandeln - natürlich mit der GDL.
Weselsky will damit das Tarifeinheitsgesetz und auch die aus seiner Sicht unmoralischen Entscheidungen im DB-Vorstand mit einer Genossenschaft unterlaufen, bei der nur GDL-Mitglieder Genossenschaftsanteile erwerben können. Als Arbeitnehmer sollen dann Lokführer angestellt werden, die von der Genossenschaft an Bahn-Unternehmen verliehen werden. Das sei eine Kampfansage an den "roten Riesen", also die DB, sagte Weselsky. Er selbst sei bei der Genossenschaft "außen vor", er habe lediglich privat Genossenschaftsanteile gezeichnet.
"Die Menschen, die unsere Mitglieder sind, sind es leid, von einem Arbeitgeber drangsaliert zu werden, der sich selbst die Taschen vollstopft, unmoralisch durch dieses Leben geht und denjenigen, die die Wertschöpfung bringen, mitteilt, sie müssen Maß halten", sagte Weselsky. Ob die Genossenschaftsidee funktionieren kann, ist völlig offen. Letztlich müssten Lokführer bei der DB ihre sicheren Jobs kündigen und sich auf das Wagnis "Fair Train eG" einlassen, damit Weselskys Plan funktioniert.
Zwischenzeugnis und Dampfhammer
Der Unmut unter den GDL-Mitgliedern der Bahn gegenüber war bei der Fragerunde nach der Vorstellung der Tarifforderungen deutlich zu spüren. Um den Abwanderungswillen zu demonstrieren, sollten die Mitglieder bei der Bahn ein Zwischenzeugnis einfordern, sagte ein GDL-Mitglied in der Runde. "Dann wird der Arbeitgeber ganz schön weiche Knie bekommen." Ein Lokführer der S-Bahn München schimpfte auf die Bahn, das Unternehmen kotze ihn an. "Hut ab vor den Tarifforderungen", führte er fort. "Clausi-Mausi" habe, wie erhofft, den "Dampfhammer" rausgeholt.
Was Weselsky als "Wagnis" bezeichnet, ist eigentlich eine Rechnung, die nur aufgehen kann. Obwohl die GDL verglichen mit der EVG weniger stark in den Bahn-Unternehmen vertreten ist, ist die Genossenschaft ein starkes Druckmittel. Denn die Bahn kann sich keinen größeren personellen Aderlass leisten. Schon jetzt fehlen der Bahn bereits rund 1500 Lokführer, bis 2030 dürften es durch Überalterung mehr als 74.000 sein. Weselsky wird auch nicht müde, den Fachkräfte- und Nachwuchsmangel zu erwähnen.
Die Verhandlungen zwischen der GDL und der Deutschen Bahn werden nach Ablauf der Friedenspflicht Ende Oktober beginnen. Weil die Gewerkschaft zuvor aber bereits mit anderen Bahn-Unternehmen über Tariferhöhungen verhandeln wird, hat sie die Forderung bereits jetzt vorgestellt.
Quelle: ntv.de, mba/dpa