Übernahme kaum abzuwenden "Das Commerzbank-Management hat allen Grund, in Panik zu geraten"
12.09.2024, 18:53 Uhr Artikel anhören
Im Commerzbank-Tower in Frankfurt herrscht Berichten zufolge Alarmstimmung zu Recht, sagt Analyst Dieter Hein.
(Foto: picture alliance / Arne Dedert/dpa)
Seit der Rettung der Commerzbank während der Finanzkrise ist der Bund größter Aktionär des Geldhauses. Doch nun steigt der Staat aus und hat ein erstes Aktienpaket an die italienische Großbank Unicredit verkauft. Für den langjährigen Branchenkenner Dieter Hein vom Analysehaus Fairesearch ist klar: Die Tage der Commerzbank als eigenständiges Unternehmen sind gezählt.
ntv.de: Die Commerzbank ist vielen Menschen vor allem als Krisenbank und Dauersanierungsfall in Erinnerung. Was macht die Bank aktuell interessant als Übernahmekandidat?
Dieter Hein: Die Commerzbank hat - wie die Deutsche Bank auch - nach der Finanzkrise große Probleme gehabt, nachhaltig profitabel zu werden. Von etlichen Restrukturierungsprogrammen sind die meisten gescheitert. Erst dem jetzigen Vorstandschef Manfred Knof ist es gelungen, ein akzeptables Level an Profitabilität zu erreichen. Das heißt, die Aktionäre müssen zumindest nicht mehr Kapital nachschießen, wie es etliche Male seit 2009 der Fall gewesen war, sondern die Bank kann wieder Kapital in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen ausschütten.
Reicht das, um die Commerzbank interessant für einen Investor wie Unicredit zu machen?
Der Einstieg von Unicredit, die sogar noch einen deutlichen Aufschlag auf den Börsenkurs bezahlt hat, um das Aktienpaket vom Bund zu übernehmen, beantwortet diese Frage offenkundig mit "ja"! Tatsächlich ist der Bankingmarkt in Deutschland aus zwei Gründen für die meisten ausländischen Akteure nicht sonderlich attraktiv: Zum einen verzerrt der starke öffentliche Sektor mit den Sparkassen und den Landesbanken, die nicht auf maximale Gewinnorientierung ausgerichtet sind, den Wettbewerb und sorgt dafür, dass die Profitabilität insgesamt niedrig bleibt. Zum anderen ist die Eigenkapitalausstattung der Banken im Vergleich zur Größe der Bilanz gering. Schon vergleichsweise geringe Wertberichtigungen in der Bilanz können zu Schieflagen führen, die die Aktionäre ausgleichen müssen. Das ist besonders für ausländische Investoren ein schwer einzuschätzendes Risiko.
Bei Unicredit scheint das anders zu sein.
Unicredit hat zwar ihren Hauptsitz in Italien, ist seit der Übernahme der Hypovereinsbank (HVB) vor 20 Jahren aber in Deutschland stark vertreten. Sie kennen den Markt hier genau und können die Risiken abschätzen. Zudem bietet ihnen eine Übernahme der Commerzbank und eine Verschmelzung mit ihrem bestehenden Deutschlandgeschäft die Aussicht auf hohe Effizienzgewinne.
Sie rechnen damit, dass die Commerzbank im Fall einer Übernahme vom Markt verschwinden würde?
Die Marke dürfte durchaus erhalten bleiben. Aber alle Zentralfunktionen in Frankfurt bei der Commerzbank würden sicher mit denen der HVB zusammengelegt werden. Auf der Einnahmeseite lassen sich auf diesem Markt keine großen Verbesserungen erzielen. Das heißt, die Profitabilität kann nur über die Kostenseite gesteigert werden und der größte Kostenblock im Banking ist das Personal.
Arbeitnehmervertreter und Management der Commerzbank kündigen also nicht ohne Grund Widerstand gegen eine Übernahme an?
Commerzbank-Management und Mitarbeiter haben allen Grund, in Panik zu geraten. Aber die Commerzbank ist ein börsennotiertes Unternehmen. Das Management hat es nicht in der Hand, wer dort Großaktionär wird, wenn der Bund seinen Anteil verkauft.
Damit läuft alles auf eine feindliche Übernahme hinaus?
Ich denke, das wahrscheinlichste Szenario ist folgendes: Unicredit wird auch die weiteren Anteile vom Bund übernehmen wollen und damit bald zum größten Aktionär der Commerzbank werden. Als Erstes werden sie dann wohl Jens Weidmann, den Ex-Bundesbankpräsidenten und Vertreter des Bundes als Chef des Aufsichtsrats durch einen eigenen Vertreter ersetzen. Spätestens Ende 2025, wenn der Vertrag des Vorstandschefs Knof ausläuft, wird auch das Management mit Unicredit-freundlichen Leute besetzt. Die werden dann natürlich den derzeit als feindlich empfundene Übernahmeversuch freundlich betrachten. Ich denke, die Tage der Commerzbank als eigenständiges Unternehmen sind gezählt.
Mit Dieter Hein sprach Max Borowski
Quelle: ntv.de