Wirtschaft

"Aggressiver Akt" Die Unicredit führt die Bundesregierung vor

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Die Commerzbank könnte italienisch werden.

Die Commerzbank könnte italienisch werden.

(Foto: IMAGO/Bihlmayerfotografie)

Unicredit-Chef Andrea Orcel macht sich bei der Ampel-Koalition derzeit richtig unbeliebt. Die Italiener sichern sich heimlich weitere Commerzbank-Anteile. Ein feindlicher Übernahmeversuch wird damit wahrscheinlicher.

Die Bundesregierung hat der Unicredit zwar deutlich gemacht, dass sie gegen eine Übernahme der Commerzbank durch die Italiener ist. Doch deren Chef Andrea Orcel scheint das nicht besonders zu beeindrucken. Seine Bank sicherte sich über spezielle Finanzmarktinstrumente unter dem Radar weitere Anteile und hat nun Zugriff auf rund 21 Prozent der Commerzbank-Aktien. Damit wäre die Unicredit mit Abstand größte Aktionärin bei Deutschlands zweitgrößter börsennotierter Bank - vor dem Bund, der noch rund zwölf Prozent hält.

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Unicredit 67,76

Die Unicredit hatte die Führung der Commerzbank und die Bundesregierung bereits vor zwei Wochen überrascht, als sie bekannt gab, neun Prozent an der Commerzbank zu halten. Rund die Hälfte der Aktien hatte die Unicredit vom deutschen Staat gekauft und dabei sowohl die zuständige Finanzagentur des Bundes als auch das Finanzministerium überrumpelt.

Der Bund will schrittweise bei der Commerzbank aussteigen, die er in der Finanzkrise ab 2008 mit Milliarden an Steuergeld vor dem Kollaps gerettet hatte. Am 10. September hatte er damit begonnen und sich von den ersten Aktien getrennt. Dafür wählte er allerdings ein Verfahren, das den Italienern in die Karten spielte.

Knapp 4,5 Prozent der Commerzbank-Aktien wurden in einem Auktionsverfahren versteigert, das es einem einzigen Bieter erlaubte, das gesamte Paket zu kaufen. Am Anfang der Versteigerung habe es noch so ausgesehen, als ob mehrere Käufer zum Zuge kommen würden, verlautete aus dem Finanzministerium. Doch dann habe sich herausgestellt, dass die Unicredit alle Anteile erhalten würde.

"Sieht nach kompletter Übernahme aus"

Erst als der Zuschlag an Unicredit schon feststand, wurde bekannt, dass sich die Italiener weitere 4,7 Prozent der Commerzbank-Aktien an der Börse gesichert hatten, einen Teil davon über Derivate - deshalb wurde nach den gültigen Regeln die Meldeschwelle von drei Prozent zunächst nicht erreicht und der Aktienkauf blieb verborgen.

Genau diese Finanzinstrumente hat die Unicredit nun wieder genutzt, um sich weitere 11,5 Prozent der Anteile zu sichern. Dabei handelt es sich um sogenannte "Total return swaps". Die italienische Bank hat damit das Recht, die Anteile in Zukunft zu übernehmen - besitzt sie aber noch nicht. Bei unerwünschten Übernahmen sind diese Finanzinstrumente ein übliches Mittel, um unbemerkt Unternehmensanteile zu kaufen.

Derzeit fehlt der Unicredit die erforderliche Genehmigung der EZB, ihren Anteil über die Schwelle von zehn Prozent hinaus zu erhöhen. Diese Erlaubnis hat sie bereits beantragt. Mit ihr hätte die Unicredit freie Bahn, ihre Beteiligung auch heimlich bis auf 29,9 Prozent zu erhöhen. Erst ab 30 Prozent müsste das Mailänder Institut ein öffentliches Übernahmeangebot für alle Commerzbank-Aktien abgeben.

"Das sieht ganz klar nach einer kompletten Übernahme der Commerzbank aus, das wäre eine feindliche Übernahme", sagte Michael Grote, der Professor für Corporate Finance an der Frankfurt School of Finance & Management. Dass Unicredit so schnell nachgelegt und den Anteil kräftig aufgestockt habe, deute darauf hin, dass man in Mailand Fakten schaffen wolle. "Damit wird ein gewisses Momentum geschaffen, während Berlin noch überlegt, wie das einzuschätzen ist", so der Finanzexperte.

Gewerkschaft will Widerstand leisten

Derweil ließ Unicredit-Chef Orcel offen, ob er eine Übernahme des Frankfurter Geldhauses auch gegen den Widerstand der Bundesregierung in Angriff nimmt - oder die Anteile irgendwann wieder abstößt. Das weitere Vorgehen hänge von den Ergebnissen der Gespräche mit Vorstand und Aufsichtsrat der Commerzbank sowie weiteren Beteiligten in Deutschland ab, teilte die Unicredit mit. Sie habe die Käufe so abgesichert, dass sie ihre Beteiligung mit begrenztem Abschlag wieder veräußern könne. Fest steht allerdings: Der Bund will bis auf Weiteres keine weiteren Aktien verkaufen.

"Der deutsche Staat könnte sagen, dass Sicherheitsinteressen berührt sein könnten, die Commerzbank also als eine Art kritische Infrastruktur und als sicherheitsrelevant eingestuft wird", sagte Finanzexperte Grote. "Dann könnte der Bund die Transaktion untersagen."

Die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat des Frankfurter Geldhauses kündigte Widerstand gegen eine mögliche Übernahme an und bezeichnete den heimlichen Kauf weiterer Commerzbank-Anteile als "völlig unangemessenen aggressiven Akt". Es bestärkt uns darin, diese versuchte Übernahme abzulehnen und jetzt erst recht für eine unabhängige Commerzbank zu kämpfen", sagte Aufsichtsratsmitglied und Verdi-Gewerkschaftssekretär Stefan Wittmann. "Wir erwarten das auch von unserer Regierung."

Scholz lehnt Übernahmeversuch ab

Kanzler Olaf Scholz wurde am Nachmittag in New York auf den neuesten Coup von Unicredit angesprochen. "Unfreundliche Attacken, feindliche Übernahmen sind nicht das, was für Banken eine gute Sache ist", sagte der Regierungschef. "Deshalb hat die Bundesregierung sich auch in dieser Richtung klar positioniert", fügte er hinzu. Die Regierung mache sehr klar, "dass wir das nicht für ein angemessenes Vorgehen halten in Europa und in Deutschland, dass man gewissermaßen ohne jede Kooperation, ohne jede Rücksprache, ohne jede Rückkopplung versucht, mit unfreundlichen Methoden sich an Unternehmen aggressiv zu beteiligen".

Die Commerzbank sei eine Bank, die erfolgreich wirtschaftlich tätig und sehr wichtig für die deutsche Wirtschaft sei. So bekomme der Mittelstand seine Finanzierungen durch diese Bank. "Es ist eine Bank, die das auch in ihrer Unabhängigkeit gut kann", betonte Scholz. Wie Berlin Unicredit einen Riegel vorschieben will, ließ der SPD-Politiker in seinem kurzen Pressestatement indes offen.

Quelle: ntv.de, mit rts/dpa

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