Lagarde-Liste mit Steuersündern Ex-Finanzminister verliert Immunität
16.07.2013, 07:35 Uhr
Die Namen von Verwandten aus der Lagarde-Liste gelöscht? Ex-Finanzminister Papakonstantinou muss sich verantworten (Archivbild).
(Foto: picture alliance / dpa)
Für Giorgos Papakonstantinou wird es immer enger: Die dunklen Schatten einer Geheimliste aus Frankreich holen den Spitzenpolitiker aus der früheren Athener Führungsriege nun offenbar doch noch ein. Der ehemalige Finanzminister aus der Regierungszeit Papandreous muss sich auf peinliche Fragen vor Gericht gefasst machen.
Der Skandal um die sogenannte Lagarde-Liste mit Namen griechischer Steuersünder und deren Kontodaten in der Schweiz nimmt eine neue Wendung: Mit Griechenlands Ex-Finanzminister Giorgos Papakonstantinou steht dabei eine zentrale Figur der Athener Schuldenkrise im Mittelpunkt der Aufarbeitung. Papakonstantinou muss sich aller Voraussicht nach vor Gericht für seinen Umgang mit der Liste verantworten. Massive Steuerhinterziehungen gelten als einer der wesentlichen Gründe für die griechische Haushaltsmisere.
Das griechische Parlament hat seine Immunität nach einer mehrstündigen Nachtdebatte in den frühen Morgenstunden mit großer Mehrheit aufgehoben. Der einstige oberste griechische Kassenhüter muss sich damit nun vor der Justiz wegen eines Skandals um eine Liste mit mutmaßlichen Steuersündern verantworten. Vorangegangen waren mehrmonatige Ermittlungen eines Untersuchungsausschusses des Parlaments.
Die Vorwürfe sind hart: Dem früheren Finanzminister werden Datenfälschung und Pflichtverletzung vorgeworfen. Papakonstantinou soll die Namen von Verwandten aus einer Datei mit mutmaßlichen griechischen Steuersündern mit Geldeinlagen in der Schweiz gelöscht haben. Er leitete das Finanzressort 2010, als die Liste erstmals von der damaligen französischen Finanzministerin Christine Lagarde an Griechenland übergeben wurde - Berichten zufolge soll das in Form eines USB-Sticks geschehen sein. Papakonstantinou streitet die Vorwürfe ab.
Die Justiz wird in den nächsten Wochen entscheiden, ob Papakonstantinou vor ein Sondergericht gestellt wird. In juristischen Fachkreisen gilt dieser Schritt mittlerweile als so gut wie sicher. Bei einer Verurteilung drohen Papakonstantinou bis zu 20 Jahre Gefängnis.
Journalist siegt vor Gericht
Die Lagarde-Liste stand schon einmal im Mittelpunkt juristischer Auseinandersetzungen: Im vergangenen Herbst sprachen griechische Richter den Journalisten Kostas Vaxevanis vom Diebstahlvorwurf frei. Vaxevanis hatte zuvor Teile der Liste mit den Namen von Inhabern zweifelhafter Auslandskonten veröffentlicht. Der 46-Jährige hatte während der Verhandlung bestritten, die Privatsphäre griechischer Inhaber von Schweizer Konten verletzt zu haben.
Die Staatsanwaltschaft hatte Vaxevanis "Diebstahl persönlicher Daten" vorgeworfen. Vor dem Hintergrund der internationalen Anstrengungen zur Stabilisierung der griechischen Staatsfinanzen hatte der Prozess auch international erheblich Aufmerksamkeit auf sich gezogen. "Ich habe das Risiko auf mich genommen, ich habe meine Arbeit gemacht und werde vom Gesetz geschützt", hatte Vaxevanis unmittelbar vor Prozessbeginn erklärt.
Im Fall Papakonstantinou kritisiert nun fast die gesamte griechische Presse seit Monaten, dass der Krach im Parlament rund um den Steuersünderskandal zwar groß sei, es bisher aber noch zu keinen konkreten Maßnahmen gekommen sei. Der Staat habe bislang keinen einzigen Euro mehr an Steuern kassiert, heißt es aus Athen.
Im nach wie vor fragilen griechischen Bankensystem kommen die Stabilisierungsbemühungen unterdessen offenbar zumindest in kleinen Schritten voran: Die Eurobank hat die New Hellenic Postbank (TT) und die Proton Bank übernommen, wie der heimische Bankenrettungsfonds HFSF zu Wochenbeginn mitteilte. Mit der Fusion erfüllt Athen Auflagen der internationalen Geldgeber.
Sowohl TT als auch Proton Bank mussten bis zum 15. Juli verkauft sein, damit das südeuropäische Land weitere Kredittranchen aus dem insgesamt 240 Mrd. Euro schweren Rettungspaket erhält. TT und Proton gehören wegen der Folgen der Schuldenkrise dem HFSF ganz, die Eurobank zu 93,6 Prozent. Der Fonds wurde geschaffen, um die größten griechischen Geldhäuser zu rekapitalisieren. Ein TT-Verkauf war zu Jahresbeginn zunächst gescheitert. Seither wurde die Bank entschlackt und faule Kredite wurden aus dem Portfolio genommen.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts