Wirtschaft

Markus Braun attackiert Justiz Ex-Wirecard-Chef: "Der Prozess war von Beginn an eine Farce"

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Markus Braun steht seit fast drei Jahren vor Gericht.

Markus Braun steht seit fast drei Jahren vor Gericht.

(Foto: picture alliance / SVEN SIMON)

Seit fünf Jahren sitzt Markus Braun in U-Haft. Im ersten Interview seit der Pleite von Wirecard spricht dessen ehemaliger Chef von einer "absoluten Grenzerfahrung". Der Justiz wirft er vor, ihn zu Unrecht hinter Gittern zu halten. Die Zuversicht hat er demnach aber nicht verloren.

Der ehemalige Wirecard-Chef Markus Braun macht der Justiz schwere Vorwürfe, wie er dem "Stern" in seinem ersten Interview seit der Pleite von Wirecard vor fünf Jahren erklärte. "Nüchtern formuliert" sei davon auszugehen, dass "ich nur in Untersuchungshaft gehalten werde, um meine Verteidigungsfähigkeit einzuschränken", meint Braun. Das Interview wurde wegen der Haft schriftlich geführt.

Weder könne bei objektiver Würdigung der Beweislage ein dringender Tatverdacht aufrechterhalten werden noch habe jemals Fluchtgefahr bestanden, schreibt Braun: "Ich habe mich nicht nur vor meiner ersten Verhaftung freiwillig aus dem Ausland gestellt, sondern auch hinterher, als ich auf Kaution wieder freikam. In Summe habe ich mich vier Mal aus dem Ausland gestellt und bin allen meinen Meldeauflagen nachgekommen. In diesem Kontext Fluchtgefahr anzunehmen, ist einfach absurd."

Braun sitzt seit mehr als fünf Jahren in Untersuchungshaft, der Prozess gegen ihn und zwei mitangeklagte frühere Wirecard-Manager läuft seit fast drei Jahren und mehr als 200 Verhandlungstagen vor dem Landgericht München. Braun, der fast 20 Jahre Vorstandschef war, ist der Hauptangeklagte. Ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft, unter anderem wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, Untreue und Bilanzfälschung. Nun bewegt sich der Strafprozess langsam in Richtung Ziellinie, und viele Beobachter rechnen mit einer Verurteilung. "Natürlich sind fünf Jahre Untersuchungshaft eine absolute Grenzerfahrung. Man muss lernen, mit der Isolation umzugehen. Aber ich komme mit dem Alltag zurecht", sagt Braun.

Arbeiten "bis ins hohe Alter"

Wirecard war als erster Dax-Konzern im Juni 2020 zusammengebrochen, als aufflog, dass dem Zahlungsabwickler auf Treuhandkonten in Asien 1,9 Milliarden Euro fehlten. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Braun gemeinsam mit Ex-Vertriebsvorstand Jan Marsalek und weiteren Komplizen die Wirecard-Bilanzen über Jahre mithilfe nicht vorhandener Umsätze und Gewinne fälschte und so die kreditgebenden Banken betrog. Die Anklage beziffert deren Schaden auf drei Milliarden Euro. Braun sagte nun dem "Stern": "Der Prozess war von Beginn an eine Farce."

Im Austausch mit ehemaligen Wirecard-Kollegen ist er nach eigener Aussage nicht: "Ich habe ausschließlich Kontakt zu meiner Familie und meinen Anwälten. Selbstverständlich halte ich mich an alle Kontaktverbote." Auf die Frage, ob er noch einen Freispruch anstrebe, antwortete er: "Ja, selbstverständlich." Braun besteht darauf, dass er als Vorstandsvorsitzender nichts von illegalen Machenschaften bei Wirecard wusste. "Ich bin bis zuletzt davon ausgegangen, dass die Bilanzen von Wirecard richtig sind und dass alle Treuhandkonten vollständig existieren", schreibt er. "Das wahre Tatgeschehen" habe er erst im Prozess in den Ermittlungsakten gesehen.

Auf die Zeit nach seiner Haftentlassung angesprochen, sagte Braun: "Ich fühle noch viel Kraft und Energie in mir. Ich glaube, die Kunst des Lebens besteht darin, aus jeder Situation das Bestmögliche zu machen." Nach seiner Entlassung aus der Haft will er nach eigenen Angaben "bis ins hohe Alter" arbeiten. Darauf freue er sich schon.

Braun: Weiß nicht, wo Marsalek steckt

Nach eigenem Bekunden weiß Braun nicht, wo sich sein früherer Vorstandskollege Marsalek aufhält: "Ich habe keine Kenntnisse von seinem Aufenthaltsort und werde dazu keine Mutmaßungen anstellen." Marsalek ist seit Sommer 2020 auf der Flucht und wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Möglicherweise hält er sich in Russland auf.

Darauf angesprochen, dass Marsalek enge Kontakte auch zu russischen Nachrichtendiensten unterhalten haben soll, entgegnete Braun: "Auch darüber habe ich keine Kenntnisse. Marsalek hat diese Seite vor dem Restvorstand verborgen. Er war neben dem Digital- und dem Drittpartnergeschäft auch für das Asien- und das Russlandgeschäft zuständig."

Quelle: ntv.de, chl/dpa/rts

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