Interview mit Frank Thelen "Ich kann den Frust nachvollziehen"
17.09.2022, 10:25 Uhr
Frank Thelen gilt als einer der bekanntesten Investoren Deutschlands. Im September 2021 legte der Startup-Unternehmer seinen Fonds 10xDNA auf.
(Foto: picture alliance / Alexander Schuhmann)
Vor einem Jahr geht Frank Thelen mit seinem Fonds 10xDNA an den Start. Bisher lief es nicht wie erhofft. "Ich bin davon überzeugt, dass wir in den nächsten Jahren gute Returns liefern werden", sagt der Investor im Interview. ntv.de spricht mit Thelen über irrationale Märkte, Startup-Finanzierung und darüber, was seine Frau von der Performance des Fonds hält.
ntv.de: So richtig rund lief es nicht für Ihren Fonds 10xDNA. Den Fonds gibt es seit einem Jahr, er hat rund 35 Prozent an Wert verloren. Sie hatten beim Start in Aussicht gestellt, in vier bis acht Jahren das Geld ungefähr verdreifacht zu haben. Gilt das immer noch?
Frank Thelen: Das waren meine persönlichen Erwartungen, und an denen halte ich fest. Ich habe zehn Millionen Euro in den Fonds gesteckt. Auch meine Frau ist dort investiert. Der Start war nicht optimal, er fiel mit einem historischen Ausverkauf von Wachstumsaktien zusammen. Unser Portfolio besteht - von Kryptowährungen abgesehen - zu 100 Prozent aus solchen Aktien. Schnell wachsende Unternehmen sind unsere DNA. Ich bin davon überzeugt, dass wir in den nächsten Jahren gute Returns liefern werden.
Was macht Sie so optimistisch?
Die Unternehmen und die Unternehmer. Man muss sich nur anschauen, wie sich die Firmen entwickelt haben, die in unserem Portfolio sind. Das ist insgesamt eine großartige Performance, die sich in den Aktienkursen überhaupt nicht widerspiegelt. Bei den Fundamentaldaten - etwa bei den Verkaufszahlen, der Marge, bei Ergebnissen von Forschung und Entwicklung - läuft es zusammengenommen sogar leicht besser als von uns erwartet.
Heißt das, dass der Markt sich irrt und das Potenzial der Unternehmen, in die ihr Fonds investiert hat, völlig unterschätzt? Das würde ja bedeuten, dass selbst Tesla unterbewertet ist. Sehen Sie bei dem mittlerweile etablierten E-Auto-Hersteller tatsächlich immer noch exponentielle Chancen?
Absolut. Sonst wäre Tesla nicht Teil unseres Portfolios und nicht unsere größte Position. Tesla ist nicht nur der profitabelste Autohersteller der Welt und unserer Einschätzung nach auf dem Weg, der weltweit größte Autohersteller zu werden. Tesla hat die Autoproduktion revolutioniert und kann günstiger und schneller produzieren als die Konkurrenz. Was Apple beim Smartphone und Google mit der Suchmaschine erreicht haben, kann Tesla auf dem Automobilmarkt erreichen. Zusätzlich ist Tesla mit dem Energiebereich, AI-Plattformen und eigenen Chips auf dem Weg zum Multi-Tech-Unternehmen. Da ist also noch viel Luft nach oben bei der Bewertung des Unternehmens.
Der Markt spiegelt das nicht wider.
Der Markt ist nicht immer rational. Selbst bei Amazon und Google, die sich unternehmerisch gut entwickeln, ist der Börsenwert gefallen. Als Erklärung wird dann gerne das veränderte makroökonomische Umfeld angeführt …
… also steigende Zinsen, hohe Inflation und schwache Konjunkturentwicklung.
Ja. Aber so richtig erklärt das Umfeld die Kursentwicklung nicht. Es gibt Tech-Unternehmen, da können wir uns die Bewertung nicht erklären. Ein Beispiel ist Baidu aus China, das dort unter anderem die führende Suchmaschine betreibt.
Inwiefern?
Ich weiß, dass das politische und wirtschaftliche Umfeld in China derzeit schwierig ist. Aber trotz extrem hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung bei Baidu, liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis lediglich bei etwa 13. Und das bei einem Wachstumsunternehmen, das Chips, Künstliche Intelligenz und selbstfahrende Autos entwickelt. Wir empfinden das nicht als rational.
In Ihren Fonds haben Kleinanleger investiert, die jetzt - zumindest auf dem Papier - viel Geld verloren haben. Haben Sie Verständnis für deren Frust?
Ja, den kann ich nachvollziehen. Ich kann verstehen, wenn man sich über Buchverluste ärgert. Wofür ich etwas weniger Verständnis habe: Wenn Anleger verkauft haben. Dann ist das wirklich unglücklich gelaufen, weil wir entweder nicht gut genug kommuniziert haben, wie dieses Produkt funktioniert. Wir haben immer wieder betont, dass es sich um ein langfristiges Produkt mit einer hohen Volatilität handelt. Oder aber einzelne Investoren mussten verkaufen, weil sie im gegenwärtigen Umfeld mehr Liquidität brauchen als geplant. Dann ist das sehr schade. Bei diesem Produkt muss man Geduld haben. Der Fonds ist als Satellit in Portfolios gedacht, quasi als Hightech-Modul.
Wäre es vor diesem Hintergrund nicht besser, wenn Anleger ihr Geld direkt in einen günstigen ETF stecken, der Indizes stur abbildet? Tech-Indizes wie der Nasdaq 100 haben deutlich weniger verloren als etwa Ihr Fonds.
Die spannende Frage ist ja: Brauchen wir überhaupt noch aktiv gemanagte Fonds oder können Anleger alles mit passiven, breit gestreuten ETFs abdecken? Meine Antwort ist: Beides ergibt Sinn und hat seinen Platz in einem diversifizierten Portfolio. Unser Fonds hat seine Daseinsberechtigung, weil er einen sehr speziellen Ansatz hat, den wir übrigens auch offen kommunizieren. Wir können - hoffentlich - disruptive Technologien besser einschätzen als das andere können. Wir kommen aus der Softwareentwicklung, haben selbst mit Start-ups Batterien und Energiespeicher entwickelt. Wir haben jahrzehntelange Erfahrung aus der Praxis mit disruptiven Unternehmen, die wir aufgebaut haben. Nun müssen wir zeigen, dass wir bessere Portfolios zusammenstellen können als ein ETF. Ich glaube, aktive Fondsmanager haben eine große Zukunft. Aber es wird weniger geben als bisher, weil es wirklich schwierig ist, den Markt zu schlagen. Ich bin davon überzeugt, dass wir das schaffen.
Sie haben Ihre Frau erwähnt, die auch in den Fonds investiert hat. Haben Sie sich beim Abendessen nie die Kritik anhören müssen: Frank, die Performance des Fonds ist wirklich nicht gut?
Ich verwalte einen Teil des liquiden Vermögens meiner Frau schon länger. Der Fonds ist ja aus der Idee entstanden, dass ich das, was ich als Venture-Capital-Investor gelernt habe, auf den Publikumsmarkt übertrage. Bisher war meine Frau recht zufrieden mit der Rendite. Solche Marktphasen wie jetzt, die gehören einfach dazu. Die haben wir auch schon vorher gesehen. Von daher ist meine Frau sehr entspannt.
Steigende Zinsen, hohe Inflation, schwache Konjunktur. Das Umfeld für Startups ist schwierig geworden, auch in Deutschland. In der Zeit des billigen Geldes hatten Investoren viel Geld in Startups gepumpt, um schnelles Wachstum zu finanzieren - in der Hoffnung, dass diese Unternehmen irgendwann so dominant sind, dass sie profitabel sind. Die Zeiten haben sich geändert. Plötzlich stehen Startups unter Druck, so schnell wie möglich ihre Kosten in den Griff bekommen. Droht aus Ihrer Sicht ein Startup-Sterben?
Das gilt nicht nur für Startups. Wir sehen ja bereits, dass auch Traditionsunternehmen in die Insolvenz gehen. Zu einer solchen Phase gehört, dass Unternehmen verschwinden.
Was heißt das für Ihr Unternehmen Freigeist, das in Startups investiert?
Wir sehen weiterhin die Chance und die Notwendigkeit, kluge Köpfe zu finanzieren. Es wird zwar schwieriger, Geld einzusammeln. Aber das sehen wir sportlich. Wir arbeiten jetzt zum Beispiel nicht nur mit Risikokapitalgebern zusammen, sondern gehen verstärkt auf erfolgreiche Unternehmer zu, die Cash haben, und fragen sie, ob sie nicht investieren wollen. Es wird bei dem einen oder anderen Startup vielleicht mehr Wert darauf gelegt, schneller profitabler zu werden als bisher. Es gibt Veränderungen - aber sie sind insgesamt durchaus gesund.
Mit Frank Thelen sprach Jan Gänger
Quelle: ntv.de