Fachkräftemangel und Demografie IfW-Chef: "Wir brauchen eine Million Migranten"
09.07.2023, 14:43 Uhr Artikel anhören
Besonders im Handwerk herrscht zurzeit ein großer Mangel.
(Foto: picture alliance/dpa)
Der demografische Wandel und der Fachkräftemangel bringen Deutschland in eine schwierige Lage. In der Dienstleistungsbranche und im Handwerk sind inzwischen Tausende Arbeitsplätze frei. Der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft setzt auf mehr Zuwanderung.
Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, wirbt für mehr Zuwanderung als Maßnahme gegen den Fachkräftemangel. "Unser größter Wettbewerbsnachteil sind nicht Unternehmenssteuern, sondern Fachkräftemangel und Demografie. Wir brauchen eine Million Migranten", sagte Schularick der "Rheinischen Post".
Dafür müsse es eine entsprechende Offenheit im Land geben. "Das wäre die wichtigste Strukturreform. Das erfordert Mut zum Wandel", sagte der Ökonom. "Zudem müssten wir die frühkindliche Erziehung ausbauen, um Mütter im Arbeitsmarkt zu halten. Wenn wir beides schaffen, bin ich optimistisch für den Standort."
Aus Sicht der "Wirtschaftsweisen" Monika Schnitzer benötigt Deutschland sogar 1,5 Millionen Zuwanderer im Jahr, "wenn wir abzüglich der beträchtlichen Abwanderung jedes Jahr 400.000 neue Bürger haben und so die Zahl der Arbeitskräfte halten wollen".
Tausende offene Stellen
Insgesamt habe es 2022 durchschnittlich 236.818 offene Stellen in überwiegend handwerklichen Berufen gegeben - so viele wie noch nie seit Beginn des Beobachtungszeitraums im Jahr 2010, berichtete das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Und auch in der Dienstleistungsbranche herrsche eine große Knappheit, regional sei besonders Ostdeutschland betroffen. Bei Rechts- und Steuerberatern berichten sogar rund drei Viertel von Fachkräftemangel. Das geht aus dem aktuellen Fachkräftebarometer der staatlichen Bankengruppe KfW für das erste Halbjahr 2023 hervor.
Daher sei dringend eine Willkommenskultur nötig. "Wenn Intel eine Fabrik in Magdeburg baut und dafür auch ausländische Fachkräfte gewinnen will, müssen die sich dort willkommen fühlen", hatte die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung jüngst der "Süddeutschen Zeitung" gesagt. Das neue Fachkräftegesetz gehe in die richtige Richtung.
Quelle: ntv.de, can/dpa