Ist das die Trendwende? In den Chefetagen wächst die Zuversicht
27.07.2020, 12:55 Uhr
Die deutsche Wirtschaft scheint sich nach den vergangenen Krisenmonaten langsam wieder zu erholen. Entgegen aller Prognosen steigt der Ifo-Geschäftsklimaindex - und auch die Geschäftserwartungen und die allgemeine Lage der Unternehmen verbessern sich. Experten warnen aber vor Optimismus.
Die Stimmung in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft hat sich im Juli stärker erholt als erwartet. Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg um 4,2 auf 90,5 Punkte, wie das Münchner Ifo Institut nach seiner monatlichen Umfrage unter rund 9000 Managern mitteilte. Das ist der dritte Anstieg in Folge. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte hatten nur eine Steigerung auf 89,0 Punkte erwartet.
"Die Unternehmen waren mit ihrer aktuellen Lage merklich zufriedener. Zudem blicken sie vorsichtig optimistisch auf die kommenden Monate", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. "Die deutsche Wirtschaft erholt sich schrittweise." Der Ifo-Index ist das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer und gilt als zuverlässiger Indikator für die Entwicklung der nächsten sechs Monate.
Der Index zur Beurteilung der aktuellen Lage der befragten Unternehmen kletterte im Juli um 3,2 auf 84,5 Punkte. Die Prognose der Ökonomen hatte auf einen Stand von 85,0 gelautet. Der Index für die Geschäftserwartungen stieg um 5,4 auf 97,0 Zähler. Die befragten Volkswirte hatten lediglich einen Anstieg auf 93,2 Punkte erwartet. Im verarbeitenden Gewerbe hat sich das Geschäftsklima erneut deutlich verbessert. Die aktuelle Lage wird von den Industrieunternehmen nicht mehr ganz so schlecht eingeschätzt wie in den Vormonaten. Zudem erwarten die Unternehmen in den kommenden Monaten bessere Geschäfte.
Im Dienstleistungssektor ist der Geschäftsklimaindex nach einem starken Anstieg wieder im positiven Bereich angekommen. Auch im Handel setzte sich die Aufwärtsbewegung fort. Die Händler korrigierten ihre Einschätzungen zur aktuellen Lage und die Erwartungen für die kommenden Monate merklich nach oben. Vor allem im Einzelhandel hat sich die Lage verbessert. Auch im Bauhauptgewerbe hat sich das Geschäftsklima erneut verbessert.
Experten zwischen Zuversicht und Skepsis
"Die Erholung schreitet voran, doch es ist weiterhin Sand im Getriebe", sagt Deka-Experte Andreas Scheuerle. Zwar werde die Produktionstätigkeit wieder hochgefahren, doch die Normalität lasse noch auf sich warten. "Steigende Infektionszahlen – nicht nur weltweit, sondern auch in Teilen Europas –, der US-amerikanisch-chinesische Konflikt sowie der Brexit haben das Potenzial, den Unternehmen die Stimmung und die Geschäfte zu vermiesen."
Von einer Trendwende spricht derweil Thomas Gitzel von der VP Bank. "Der wirtschaftliche Tiefschlag ist vorerst beendet. Jetzt sind stellenweise kräftige Aufholprozesse am Werk. Dies wird auch noch in den kommenden Monaten der Fall sein." Dennoch sollte weiter Demut herrschen. "Solange kein Impfstoff verteilt wird, kann sich die globale Konjunktur nicht nachhaltig erholen. Und vor allem: Die USA hat das Virus nicht im Griff."
Fritzi Köhler-Geib von der KfW ist ebenfalls zuversichtlich. Doch für eine Entwarnung sei es zu früh. "Das Vorkrisenniveau bleibt noch auf absehbare Zeit in weiter Ferne, und das unverändert heftige Wüten der Pandemie in großen Teilen der Welt ist ein enormes Risiko für die Exportnation Deutschland."
Deutlich zurückhaltender äußert sich Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe. "Die Laune bessert sich zwar, allerdings nur behäbig." Die Konjunkturerholung werde zäh bleiben.
Quelle: ntv.de, jru/DJ/rts