VW-Konzernchef im Interview Können Sie nachts noch schlafen, Herr Blume?
23.09.2024, 14:04 Uhr Artikel anhören
Oliver Blume will den Sparkurs bei VW verschärfen.
(Foto: IMAGO/Jens Schicke)
Die angekündigten harten Einschnitte bei Volkswagen hält Konzernchef Blume für unvermeidlich. Die aktuelle Lage der Marke würde er derzeit schlechter als mit der Schulnote Vier bewerten. Beim Autogipfel will er sich wohl für eine neue Kaufprämie für E-Autos starkmachen.
VW-Konzernchef Oliver Blume hat den neuen Sparkurs verteidigt. Das wirtschaftliche Umfeld habe sich dramatisch verändert, sagte er den Sendern RTL/ntv. Die Marke Volkswagen sei bei den derzeitigen Kosten international nicht mehr wettbewerbsfähig. Volkswagen hatte Anfang September angekündigt, den Sparkurs bei der Kernmarke VW deutlich zu verschärfen. Betriebsbedingte Kündigungen und selbst Werksschließungen werden nicht länger ausgeschlossen. Die seit 30 Jahren geltende Beschäftigungssicherung wurde aufgekündigt.
Er könne die Zukunftssorgen vieler VW-Mitarbeiter verstehen, sagte Blume auf die Frage, ob er manchmal nachts nicht schlafen könne. Er trage die Verantwortung für den Konzern und dessen Marken. Der Automobilhersteller werde "um jeden Arbeitsplatz kämpfen", betonte Blume. Am Ende gelte jedoch, "den Volkswagenkonzern wirtschaftlich erfolgreich aufzustellen."
Blume sprach von einem "erheblichen Preisdruck" und führte das vor allem auf zwei Entwicklungen zurück: Zum einen würden in Europa insgesamt weniger Autos verkauft, zum anderen nehme die Konkurrenz in China zu. "Wir können nicht mehr auf die Erträge aus China setzen", so Blume. " Der Kuchen ist kleiner geworden, und wir haben mehr Gäste am Tisch." In China verkauft der VW-Konzern gut ein Drittel seiner Autos.
Vor allem bei der Marke Volkswagen sieht Blume Handlungsbedarf. Bei den Kosten müsse es harte Einschnitte geben. In den kommenden Wochen werde man alle Hebel prüfen, um die Kostenposition zu verbessern. "Wir können Kapazitätsreduzierungen nicht ausschließen. Auf der gleichen Linie werden wir uns für jeden Arbeitsplatz einsetzen. Maßgeblich dabei ist, wie es uns gelingt, die Kosten zu reduzieren", sagte der VW-Konzernchef. "Je mehr wir dort schaffen, desto besser können wir Kapazitäten erhalten."
"Luft nach oben"
Auf die Frage nach einer Schulnote für die aktuelle Lage des VW-Konzerns antwortete Blume selbstkritisch: "Wenn ich die Gesamtsituation sehe, würde ich mich eher bei einer Vier sehen. Eine Vier ist nicht aussichtslos, aber wir haben deutlich Verbesserungspotenzial und Luft nach oben." Für die Marke VW fiel seine Bewertung noch schlechter. "Die ist schon deutlich kritischer, und deswegen haben wir dort kurzfristig Handlungsbedarf."
Im ersten Halbjahr hatte der Konzern unter dem Strich 8,5 Milliarden Euro verdient - und damit 14 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Verhagelt wurde das Ergebnis vor allem durch die ohnehin renditeschwache Kernmarke Volkswagen, deren operativer Gewinn um 41 Prozent zusammenschmolz. Grund waren auch die Kosten für den dort laufenden Personalabbau. 900 Millionen Euro hat der Konzern für Abfindungen von bis zu 474.000 Euro pro Mitarbeiter zurückgelegt, die Hälfte davon ist bereits fest verplant.
Im vergangenen Geschäftsjahr hatte Volkswagen 4,5 Milliarden Euro an seine Aktionäre ausgeschüttet. Auf die Frage wie sich diese Dividenden mit den Sparankündigungen vereinbaren lassen, betonte Blume, dass der Konzern "nach wie vor erfolgreich unterwegs sei". Dazu würden 13 Marken beitragen. Jeder Anleger erwarte, dass er einen Ertrag bekomme. "Dafür werden dann Dividenden gezahlt, die sich daran orientieren, wie erfolgreich ein Unternehmen ist."
Den am Nachmittag stattfindenden Autogipfel mit Branchenvertretern und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hält Blume für eine gute Idee. Dort will er sich offenbar für eine neue Kaufprämie für E-Autos starkmachen.
Prämien könnten "kurzfristig stimulieren, gerade in den Einstiegssegmenten", sagte er. Es gehe vor allem darum, "sich über Steuermodelle Gedanken zu machen für betrieblich genutzte Fahrzeuge" und auch darum, "die Erstzulassung von Elektrofahrzeugen steuerlich zu begünstigen und sich dann natürlich auch Kostenthemen anzuschauen wie Strompreise, die beim Laden eine erhebliche Rolle spielen." Der sogenannte Umweltbonus für die Anschaffung von E-Autos war Ende 2023 im Zuge der Haushaltskrise kurzfristig abgeschafft worden. Das Subventionsprogramm war ursprünglich bis Ende 2024 geplant gewesen.
Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa/AFP