Wirtschaft

EZB-Präsident stellt sich Mario Draghi betritt die Höhle des Löwen

EZB-Präsident Mario Draghi.

EZB-Präsident Mario Draghi.

(Foto: AP)

Es ist ein bemerkenswerter Schritt: EZB-Chef Mario Draghi verteidigt die ultra-lockere Geldpolitik vor Bundestagsabgeordneten. Kritik dürfte vor allem aus Reihen der CSU kommen.

Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Und so steht EZB-Präsident Mario Draghi am Nachmittag Bundestagsabgeordneten Rede und Antwort – und es gibt angesichts von ultra-lockerer Geldpolitik im Allgemeinen und Nullzinsen im Besonderen ganz offensichtlich erheblichen Gesprächsbedarf.

Oder wie es der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach ausdrückt: "Ich erwarte, dass er ungeschminkt Auskunft über die negativen Folgen der ultra-lockeren Geldpolitik gibt. Vor allem möchte ich von ihm hören, wie er es sich erklärt, dass es trotz seiner expansiven Geldpolitik nicht zu Erfolgen gekommen ist und stattdessen nur neue Probleme heraufbeschworen wurden."

Draghi mache die Euro-Zone zu einer Schulden-Haftungsunion und die EZB durch ihre Anleihenkäufe zu einer Bad Bank, sagt der Finanzpolitiker im Gespräch mit n-tv.de. "Das setzt falsche Anreize und wird dazu führen, dass die Krisenländer notwendige Strukturreformen weiter verschleppen. Sie werden durch Draghis Politik nur noch stärker dazu animiert, neue Schulden zu machen. Hier findet eine dauernde Übertreibung der Verschuldungsgrenzen ohne Sanktionen statt."

"Auf Kosten deutscher Sparer"

Michelbach hatte Draghi einst als Fehlbesetzung bezeichnet - und diese Einschätzung hat sich nicht geändert: "Der einzige Grund für die Niedrigzinsen ist doch, Staatspleiten in Südeuropa zu Lasten anderer Staaten zu vermeiden. Zudem setzt er Banken und Versicherungen damit erheblich unter Druck. Das geht auf Kosten der deutschen Sparer. Sie werden durch die nicht demokratisch legitimierte EZB-Politik enteignet."

So weit geht Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, im Gespräch mit n-tv.de zwar nicht. Doch auch die CDU-Politikerin wünscht sich Klarheit über den Kurs der EZB: "Ich erwarte, dass Herr Draghi am konkreten Beispiel erklärt, wo seine Niedrigzinspolitik erfolgreich wirkt. Und ich erwarte auch, dass er uns ein realistisches Szenario präsentiert, wie man wieder zu einer Normalzinsphase kommen kann."

Draghi wird darauf vermutlich entgegnen: Die Zinsen werden erst dann wieder normal sein, wenn die Finanzkrise überwunden ist – und dazu könne die Geldpolitik zwar beitragen, doch gefordert sei die Politik. Michelbach lässt das aber nicht gelten: "Er fördert doch gerade durch seine Politik, dass es nicht zu den notwendigen Strukturreformen kommt."

Auf Kritik muss sich Draghi nicht nur von der Union, sondern auch von der Linken einstellen. "Ich werde Herrn Draghi fragen, welche Instrumente die EZB noch parat hat", sagt ihr europapolitischer Sprecher Andrej Hunko n-tv.de. "Bislang setzt sie bekanntlich darauf, Unmengen Geld in den von der Realwirtschaft entkoppelten Finanzsektor zu pumpen, in der Hoffnung, dass dies zu Investitionen führt. Das ist jedoch kaum der Fall. Die Ursachen der Krise werden nicht angegangen, und der Finanzsektor wird weiter aufgebläht."

Die Schuld an der Krise sieht er allerdings nicht bei der EZB. Das größte Problem der Euro-Zone sei die "maßgeblich von [Bundeskanzlerin Angela] Merkel und [Bundesfinanzminister Wolfgang] Schäuble erzwungene Austeritätspolitik." Sie richte Europa zugrunde.

"Die knallharte Kürzungspolitik, auf der die deutsche Bundesregierung beharrt, zerstört jede Möglichkeit, die Krise zu überwinden. Anstatt den absurden und ineffektiven Umweg über den Finanzsektor zu gehen, bedarf es öffentlicher Investitionen im großen Stil (…). Doch diese werden durch Deutschland und die EU-Eliten verhindert. Mit enormen sozialen und wirtschaftlichen Kosten", so Hunko.

"Sind keine Diplomaten"

Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, findet derweil durchaus anerkennende Worte für den EZB-Präsidenten. "Draghi hat mit seiner berühmten Aussage vor zwei Jahren, dass er alle Notwendige tun werde, um den Euro zu erhalten, einen großen Beitrag zur Stabilität des Euro und der Eurozone geleistet. Das ist mit Sicherheit einer der großen Verdienste von Herrn Draghi."

Doch auch Binding sieht Klärungsbedarf. Draghi bleibe bislang eine Antwort schuldig, "warum die die massive Ausweitung des geldpolitischen Instrumentenkastens durch das 'quantitative easing' noch nicht zu einer spürbaren Verbesserung der Beschäftigungs- und Wachstumssituation in den südeuropäischen Mitgliedstaaten geführt hat".

Draghi stellt sich im Europa-Ausschuss des Bundestags den Fragen der Parlamentarier – auch die Mitglieder der Ausschüsse für Haushalt und Finanzen sind eingeladen. "Wir sind Parlamentarier und keine Diplomaten", sagt Gunter Kirchbaum, der Vorsitzende des Europa-Ausschusses. "Da werden sicherlich kritische Fragen kommen, aber damit wird er umgehen können."

Quelle: ntv.de

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