Wachstum anschieben Netflix nimmt die Schwarzseher ins Visier
19.10.2022, 09:52 Uhr
Netflix will, dass zahlt, wer schaut.
(Foto: picture alliance / NurPhoto)
Netflix meldet für den Sommer wieder mehr Nutzer. Und die Zahl soll weiter wachsen. Dazu öffnet sich das Unternehmen nach langem Überlegen für Werbung - und will an der Mehrfachnutzung bestehender Accounts mitverdienen.
Der Streamingdienst Netflix will an der Mehrfachnutzung von Accounts stärker mitverdienen. Hintergrund ist das Ziel, das Wachstum wieder anzuschieben. Dazu soll es ab kommendem Jahr möglich sein, bestehende Profile auf neue Abonnements zu übertragen, wie das Unternehmen mitteilte. Ferner soll es Nutzern ermöglicht werden, sogenannte Unter-Accounts - Netflix spricht von extra member - anzulegen, wenn diese für Freunde oder Familienmitglieder zahlen wollen. Preise nannte das Unternehmen nicht. Ob eine andauernde Mehrfachnutzung von Accounts in der bisherigen Form künftig sanktioniert oder technisch unterbunden werden soll, blieb zunächst offen.
Zudem startet das Unternehmen in mehreren Ländern ein werbefinanziertes Abo. In Deutschland soll dies ab 3. November verfügbar sein und drei Euro weniger als das bislang günstigste Angebot kosten. Pro Stunde sollen höchstens fünf Minuten Werbung gezeigt werden. Netflix erhofft sich davon einen weiteren Anstieg der Nutzerzahlen und rechnet damit, bisherige Mitnutzer so zu einem eigenen Abonnement bewegen zu können. Für Analyst Paolo Pescatore vom Research-Haus PP Foresight zielt das neue Angebot eher darauf, Kunden zu halten oder zurückzulocken statt neue zu gewinnen.
Der Plan ist Teil der Strategie, künftig die Umsätze zur wichtigsten Unternehmensgröße zu machen. Dazu zählen sowohl die Werbeeinnahmen als auch die Einnahmen durch Abonnements. In Deutschland gibt es ab November vier Preismodelle, dabei betragen die monatlichen Kosten zwischen 4,99 und 17,99 Euro.
Ungewohnte Einlassungen zur Konkurrenz
Im Sommer hat Netflix den Angaben zufolge den Kundenschwund vorerst gestoppt. Die Zahl der zahlenden Nutzer stieg um 2,4 Millionen auf insgesamt 223,1 Millionen. Für das Gesamtjahr peilt das Unternehmen 4,5 Millionen zusätzliche Abonnenten an. In der ersten Hälfte des Jahres hatte Netflix 1,2 Millionen Kunden verloren, weil diese wegen der schwächelnden Konjunktur den Gürtel enger schnallten und der Druck von Konkurrenten wie Amazon Prime oder Disney+ wuchs.
Der Quartalsumsatz lag Netflix zufolge bei 7,9 Milliarden Dollar und der Gewinn bei 3,10 Dollar je Aktie - jeweils mehr als von Analysten erwartet. Für das Schlussquartal prognostiziert das Unternehmen allerdings einen Rückgang der Erlöse auf 7,8 Milliarden Dollar und begründet dies mit dem starken Dollar.
Netflix leistete sich im Geschäftsbericht diesmal auch einen ungewohnten Seitenhieb an seine Rivalen, die bei der Jagd nach Marktanteilen im Streaming-Geschäft mitunter tiefrote Zahlen in Kauf nehmen: "Wir schätzen, dass sie alle Geld verlieren." Insgesamt dürften der versammelten Konkurrenz 2022 operative Verluste von deutlich mehr als zehn Milliarden Dollar entstehen, während Netflix für sich selbst einen Betriebsgewinn von fünf Milliarden bis sechs Milliarden erwarte. "Unsere Wettbewerber investieren kräftig, um ihr Abonnenten-Wachstum und -Engagement anzutreiben, doch ein großes und erfolgreiches Streaming-Geschäft aufzubauen, ist hart", erklärte der langjährige Marktführer. Netflix hat offenbar genug eigene Baustellen.
Quelle: ntv.de, jwu/rts/dpa