Tautz warnt vor "Misstrauen" Post-Arzt verteidigt telefonische Krankschreibungen
02.11.2024, 09:02 Uhr Artikel anhören
"Wer an solche Korrelationen glaubt, denkt auch, dass der Storch die Kinder bringt", sagt Tautz.
(Foto: picture alliance/dpa)
Nicht erst der hohe Krankenstand derzeit hat eine Debatte ausgelöst: Sorgt die telefonische Krankschreibung dafür, dass viele Arbeitnehmer in Deutschland blaumachen? Der Chefmediziner der Deutschen Post erklärt, warum daran wenig dran ist.
Der Chefmediziner der DHL Group, Andreas Tautz, sieht die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung nicht als Ursache für die hohe Zahl der Krankentage in Deutschland. "Wer an solche Korrelationen glaubt, denkt auch, dass der Storch die Kinder bringt. Davon auszugehen, würde einer Misstrauenserklärung an die Arbeitnehmer gleichkommen", so Tautz im "Spiegel".
Eine Krankschreibung aus der Ferne habe viele Vorteile, etwa, dass infektiöse Patienten nicht im Wartezimmer sitzen müssten, so der Arbeitsmediziner. Dass der telefonische Weg das Krankfeiern fördere, hält Tautz für abwegig. "Man kann heute schon ohne Krankschreibung ein paar Tage fehlen, wer absolut unmotiviert ist, zu arbeiten, geht dann kurz zum Arzt."
Die tatsächlichen Ursachen für den derzeit hohen Krankenstand sieht Tautz woanders. "Man arbeitet nicht nur für Geld. Sinn, Zugehörigkeit und Selbstwirksamkeit sind wichtige Faktoren. Wenn solche Bedürfnisse nicht ausreichend berücksichtigt sind, erhöht das die Wahrscheinlichkeit krankheitsbedingter Ausfälle", sagte er. Ein weiterer Auslöser sei, dass sich Deutschlands Wirtschaft in der Transformation befinde. "Das ist ein gesellschaftliches Gesamtgefühl. Branchen, die das sehr betrifft, haben hohe Krankenstände", so Tautz.
Ampel will Telefon-Krankschreibungen überprüfen
Zuletzt hatten auch die Krankenkassen dafür plädiert, die telefonische Krankschreibung beizubehalten. "Für den hohen Krankenstand der letzten Monate und Jahre gibt es eine Vielzahl von Gründen. Die telefonische Krankschreibung gehört nach allem, was wir wissen, nicht dazu", sagte AOK-Vorstandsvorsitzende Carola Reimann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Erfahrungen aus der Pandemie hätten gezeigt, dass die telefonische Krankschreibung verantwortungsvoll genutzt worden sei. Daher solle diese Möglichkeit beibehalten werden.
Eine Krankmeldung per Anruf möge niedrigschwelliger sein als der Gang in die Arztpraxis, sagte Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse. Allerdings sei sie auch nur für die Patientinnen und Patienten eine Option, die der Arztpraxis bekannt seien. "In der Abwägung bringt die telefonische Krankschreibung aus meiner Sicht mehr Vorteile mit sich", so Baas. "Bei der persönlichen Arztpraxis anzurufen, anstatt krank im Wartezimmer sitzen zu müssen, entlastet das Praxispersonal und reduziert die Ansteckungsgefahr."
Die Möglichkeit, sich per Telefon krankschreiben zu lassen, war in der Corona-Pandemie eingeführt worden. Im Dezember 2023 beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken eine dauerhafte Regelung. Patientinnen und Patienten können sich dann telefonisch krankschreiben lassen, wenn sie in der Praxis bekannt sind und keine schweren Symptome haben. Im Zuge ihrer Wachstumsinitiative für die Wirtschaft hat die Bundesregierung wegen des erhöhten Krankenstands eine Überprüfung der Maßnahme vereinbart.
Quelle: ntv.de, ses/dpa