Nord Stream 1 bei 20 Prozent Russland dreht Deutschland den Gashahn weiter zu
27.07.2022, 12:38 Uhr
Die erneuten Kürzungen machen es Deutschland schwerer, wie geplant die Gasspeicher für den Winter füllen.
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Über die Gas-Pipeline Nord Stream 1 strömt ab sofort nur ein Fünftel der eigentlichen Kapazität. Deutschland gerät damit weiter unter Druck. Allerdings sieht die Bundesnetzagentur bereits Erfolge beim Gassparen.
Wie angekündigt, hat Russland die Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 weiter eingeschränkt. Seit acht Uhr flössen 1,28 Millionen Kubikmeter pro Stunde und damit 20 Prozent der eigentlichen Kapazität durch die Röhre, teilte der deutsche Netzwerkbetreiber Gascade mit. Auch der größte deutsche Gasimporteur Uniper erhält nur ein Fünftel der vereinbarten Liefermenge von dem russischen Gasriesen Gazprom, wie das Unternehmen erklärte.
Die erneuten Kürzungen machen es Deutschland schwerer, wie geplant die Gasspeicher für den Winter füllen. Die Bundesregierung sucht händeringend nach Alternativen zu russischem Gas und Möglichkeiten, Gas einzusparen. Die Bundesnetzagentur sieht dabei erste Erfolge. Gazprom hatte am Montag angekündigt, wegen einer weiteren fehlenden Turbine nur noch 20 Prozent der Gas-Kapazität von Nord Stream 1 nach Westeuropa zu liefern.
Vor und nach einer zehntägigen Wartungspause, in der gar kein Gas geflossen war, hatte Gazprom 40 Prozent der Kapazitäten durchgeleitet. Die Kürzungen haben den Gaspreis in die Höhe getrieben und den Gasimporteur Uniper in Bedrängnis gebracht, dem nun der Bund mit Staatshilfe unter die Arme greift. Uniper hat rechtliche Schritte gegen Gazprom angekündigt.
"Das Entscheidende ist das Gaseinsparen"
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sieht erste Erfolge bei der Gaseinsparung. Die privaten Haushalte, aber auch die Industrie verbrauchten "fünf, sechs, sieben Prozent weniger", sagte er im Deutschlandfunk. Alle Sparanstrengungen der Bundesregierung, der Wirtschaft, der Länder seien notwendig. "Deutschland muss weniger Gas verbrauchen." Jetzt müsse in allen Bereichen der Gesellschaft etwas getan werden, sei es technische Innovation, sei es das Diversifizieren von Energiequellen.
"Aber das Entscheidende ist das Gaseinsparen. Und da möchte ich gern weniger sozusagen Klagen hören, sondern mehr Meldungen, wo jemand sagt, wir als Branche, wir als Stadt, wir als Region tragen dazu bei, Gas zu sparen", sagte Müller. Zugleich müssten sich die Verbraucher auf höhere Energiepreise einstellen. "Es ist eine Preisentwicklung auf Ansage." Auf die Frage, ob in einigen Wochen die dritte Gasnotfallstufe ausgerufen werden müsse, antwortete Müller zurückhaltend. "Das kann ich schlicht nicht vorhersagen." Dies hänge von bestimmten Bedingungen ab, wie etwa der Temperaturentwicklung im Spätsommer.
Eine unmittelbar bevorstehende dritte Gasnotfallstufe sieht Müller angesichts der derzeit 20 Prozent Gasdurchleitung in Nord Stream 1 nicht. "Wenn Sie mich gefragt hätten, ob sie unmittelbar vor der Tür steht, dann hätte ich gesagt: Wenn es bei diesen 20 Prozent bleibt und wenn es bei meiner Prognose bleibt, dass wir womöglich auch in den nächsten Tagen und Wochen noch einspeichern können, dann haben wir noch keine physikalische Gasmangellage." Diese ist die Voraussetzung für die dritte Notfallstufe.
Ausgleich über alternative Route?
Unterdessen wurde bekannt, dass Gazprom deutlich mehr Kapazität bei der Transgas-Leitung durch die Slowakei gebucht hat als in den vergangenen Tagen. Das berichtete der Pipelinebetreiber Eugas. Im slowakischen Grenzort Velke Kapusany, dem Startpunkt des slowakischen Abschnitts, wurde die Durchleitung von 68,6 Millionen Kubikmeter Gas angemeldet. Am Vortag waren es 36,8 Millionen Kubikmeter. Die Buchung deutet darauf hin, dass Gazprom die bei Nord Stream 1 ausfallenden Gaslieferungen nach Europa über die Route durch die Slowakei ausgleicht.
Transgas ist eine Leitung, die von Russland über die Ukraine in die Slowakei und nach Österreich und Deutschland führt. Die zusätzlich nominierten Gasmengen entsprechen ungefähr der Drosselung durch die Pipeline Nord Stream 1, die Gazprom mit einer Reparatur einer weiteren Turbine begründet hatte.
Die Buchung von zusätzlicher Kapazität ist allerdings noch kein Beweis dafür, dass Gazprom tatsächlich mehr Gas über die Leitung schicken wird. Allerdings gibt es weitere Indizien dafür. So hatte sich der Betreiber des ukrainischen Pipeline-Abschnitts TSOU am Dienstag beschwert, dass der russische Gasriese dort ohne Vorwarnung den Druck in den Leitungen erhöht habe. Das spricht dafür, dass Gazprom mehr Gas durch die Pipeline pumpt.
Quelle: ntv.de, kst/rts/dpa