Wirtschaft

Pleitestaat druckt größere Scheine Venezuela kämpft gegen die Inflation

Auf dem Schwarzmarkt werden für ein Kilo Mehl mittlerweile zwischen 2000 und 8000 Bolívar fällig.

Auf dem Schwarzmarkt werden für ein Kilo Mehl mittlerweile zwischen 2000 und 8000 Bolívar fällig.

(Foto: REUTERS)

Gerade mal drei US-Cent ist der derzeit größte Geldschein in Venezuela wert. Größere Banknoten sollen den Alltag nun einfacher machen. Am rasanten Verfall der Währung ändert das nichts. Die Gründe für die Wirtschaftskrise im Land liegen tiefer.

Hotelgäste bezahlen in Venezuela ihre Rechnungen mit prall gefüllten Plastiktüten voller Geld, das Rattern von Geldzählmaschinen ist in dem südamerikanischen Land so alltäglich wie anderswo das Klimpern von Kleingeld. Bislang ist der 100-Bolívar-Schein die größte Geldnote - und auf dem Schwarzmarkt gerade einmal drei US-Cent wert. Selbst eine Flasche Wasser muss mit dicken Geldbündeln bezahlt werden.

Angesichts der Inflation führt die venezolanische Zentralbank nun größere Geldscheine ein. Zunächst werden 500-Bolívar-Scheine in Umlauf gebracht. Banknoten im Wert von 1000, 2000, 5000, 10.000 und 20.000 Bolívar sollen dann nach und nach in den kommenden Tagen oder Wochen ausgegeben werden. "Das hätten sie schon viel früher machen sollen", sagt Rodolfo Rodríguez, der im Zentrum der Hauptstadt Caracas eine Bäckerei betreibt. "Wenn man zuvor 50 oder 100 Scheine im Wert von 100 Bolívar dabei hatte, kann man jetzt mit einem oder zwei Scheinen bezahlen. Das macht Einkäufe sehr viel einfacher."

In Venezuela gibt es mindestens drei verschiedene Wechselkurse. Der offizielle liegt bei etwa 1:10 zum US-Dollar. Bei Zahlung mit einer Kreditkarte wird der Kurs 1:660 zugrunde gelegt. Auf dem Schwarzmarkt kostet der Dollar derzeit etwa 3270 Bolívar. Venezuela leidet seit Monaten unter einer schweren Wirtschafts- und Versorgungskrise. Wegen des niedrigen Ölpreises verfügt das Land mit den größten Erdölreserven der Welt kaum noch über Devisen, um Waren zu importieren. Viele Unternehmen mussten wegen Misswirtschaft und staatlicher Gängelung aufgeben. In den Supermärkten fehlt es an Dingen des täglichen Bedarfs, in den Krankenhäusern an Medikamenten und Verbandszeug.

Bis zu 8000 Bolívar für ein Kilo Mehl

Inflation

Die Inflation bezeichnet die allgemeine Teuerung der Güter, was mit einer Entwertung des Geldes einhergeht. Gemessen wird die Inflation durch einen repräsentativen Warenkorb. Eine leichte Inflation von bis zu fünf Prozent gilt als Nachfrage-fördernd, bei Werten über fünf Prozent verliert das Geld schneller seinen Wert als die Güter und damit seine Funktion als Wertmaßstab.

Inflation nutzt übrigens vor allem Schuldnern, denn mit der Entwertung des Geldes sinkt auch der Wert der Forderungen. Ein besonders großer Schuldner ist der Staat. Der freut sich besonders, wenn die Inflationsrate höher ist, als die Zinsen, zu denen er sich Geld geliehen hat. Dann schmelzen seine Schulden nämlich einfach dahin.

Die Preise von Grundnahrungsmitteln sind zwar staatlich reguliert, allerdings herrscht in den Regalen der Geschäfte oft gähnende Leere. Ein Kilo Maismehl kostet offiziell 190 Bolívar, doch die Venezolaner brauchen viel Geduld und ein bisschen Glück, um ein Paket zu diesem Preis zu ergattern. Auf dem Schwarzmarkt werden für ein Kilo Mehl zwischen 2000 und 8000 Bolívar fällig. Auch das Weihnachtsessen dürfte in diesem Jahr teuer werden: Die Preise für die Zutaten für das traditionelle "Hallaca" - mit Fleisch und Gemüse gefüllte Maismasse, in Bananenblättern gedünstet - haben zuletzt kräftig zugelegt, das typische "Pan de Jamón" - mit Schinken und Oliven gefülltes Brot - wird für 15.000 bis 20.000 Bolívar verkauft.

Der Mindestlohn beträgt derzeit 27.091 Bolívar im Monat. Präsident Nicólas Maduro erhöht ihn immer mal wieder, um seine Klientel bei Laune zu halten. Die unteren Schichten sind der Rückhalt der Sozialisten, da sie am ehesten von den Sozialprogrammen der Regierung profitieren. Angesichts schwindender Öleinnahmen und steigender Staatsverschuldung ist allerdings fraglich, wie lange sich die Regierung die üppigen Wohnungsbau- und Subventionsprogramme noch leisten kann.

Teuerungsrate von 1600 Prozent erwartet

Schon seit Dienstag ziehen die Behörden den 100-Bolívar-Schein aus dem Verkehr. "Damit werden wir der Mafia das Handwerk legen", sagt Präsident Maduro. Angeblich wird die bislang größte Banknote gezielt aus dem Ausland aufgekauft, um dem Land Liquidität zu entziehen und die Wirtschaft zu destabilisieren. Nun kommen also die größeren Geldscheine. Ein probates Mittel im Kampf gegen die Hyperinflation ist das Gelddrucken allerdings nicht. In diesem Jahr rechnen Experten mit einer Teuerungsrate von 600 bis 700 Prozent, für 2017 erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar über 1600 Prozent.

Der Alltag der Venezolaner dürfte allerdings etwas einfacher werden. "Zum Glück ist der Regierung ein Licht aufgegangen", sagt der Bankangestellte José Santander. "Es ist sehr umständlich, so viele Geldscheine mit sich herumzutragen. Allein um einen Kaffee trinken zu gehen, brauche ich mindestens zehn 100-Bolívar-Scheine."

Quelle: ntv.de, Denis Düttmann und Néstor Rojas, dpa

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