Wirtschaft

A bis Z zum Prozess Verteidiger fordern Freispruch für Middelhoff

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Thomas Middelhoff wohnt in Bielefeld und arbeitete in Essen. Die Strecke überbrückte er gerne mit dem Hubschrauber.

(Foto: picture alliance / dpa)

Thomas Middelhoff fliegt in seiner Zeit als Arcandor-Manager aus Angst mit dem Privatjet und nimmt den Hubschrauber, um den Stau zu umfliegen. Sein Arbeitgeber, der inzwischen ruinierte Arcandor-Konzern, soll all das bezahlen. Um was es in dem Prozess noch geht.

Im Untreue-Prozess gegen Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff fordert die Verteidigung einen Freispruch. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft seien maßlos und polemisch, sagte Middelhoffs Anwalt Udo Wackernagel vor dem Essener Landgericht. Middelhoff müsse freigesprochen werden.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Manager vor, den inzwischen insolventen Handelskonzern mit betriebsfremden Kosten für überwiegend private Charterflüge und eine Festschrift belastet zu haben. Den Gesamtschaden beziffert die Staatsanwaltschaft auf 1,1 Millionen Euro. Deshalb hatten die Ankläger in der vergangenen Woche eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten für den 61-Jährigen gefordert.

Damit müsste Middelhoff ins Gefängnis - eine Strafe in dieser Höhe kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Middelhoff weist die Vorwürfe entschieden zurück. Mit einem Urteil wird Mitte November gerechnet.

Für Thomas Middelhoff war der Essener Untreue-Prozess bisher eine demütigende Erfahrung. Er verbrachte viele Tage auf der Anklagebank, eine Gerichtsvollzieherin nutzte das Verfahren für eine Pfändung. Der Manager fühlte sich zeitweise wie in einem "apokalyptischen Traum". Aber worum geht es in dem Verfahren genau, und was ist bisher geschehen? Ein A bis Z.

A wie Arcandor: Die Pleite des Arcandor-Konzerns (Karstadt, Quelle, Thomas Cook) im Jahr 2009 war einer der spektakulärsten Firmenzusammenbrüche der Nachkriegszeit. Thomas Middelhoff leitete das Unternehmen bis wenige Monate vor dessen Ende. Im Essener Prozess geht es aber nicht um die Pleite selbst, sondern "nur" um den Verdacht, dass der Manager Arcandor Kosten in Höhe von 1,1 Millionen Euro zu Unrecht in Rechnung gestellt haben soll - vor allem für teure Flüge in Privatjets. Middelhoff weist diese Vorwürfe entschieden zurück.

B wie Bombendrohung: Auslöser für die umfangreiche Nutzung von Privatjets war Middelhoff zufolge eine Bombendrohung gegen ein Linienflugzeug, in dem er gesessen hatte. Danach sei er aus Sicherheitsgründen auf Charterjets umgestiegen. Insgesamt nutzte Middelhoff in seiner Zeit bei Arcandor nach eigenen Angaben 610 Mal Privatjets. Er selbst habe 210 Flüge bezahlt, die übrigen 400 seien Arcandor in Rechnung gestellt worden. Im Prozess geht es allerdings nur um 48 dieser Flüge, bei denen die Staatsanwaltschaft die dienstliche Veranlassung bezweifelt. Deren Gesamtkosten beziffert die Anklage auf 945.000 Euro.

C wie Cornelie Middelhoff: Thomas Middelhoffs sonst eher öffentlichkeitsscheue Ehefrau Cornelie erinnerte sich als Zeugin im Essener Prozess vor allem an die hohe Arbeitsbelastung ihres Mannes in der Arcandor-Zeit: "Er hat eigentlich immer gearbeitet, immer, immer."

D wie Dauerstau: Dauerstau auf dem Weg zur Arbeit ist für viele Pendler ein Ärgernis - nicht aber für Middelhoff. Als eine Baustelle am Kamener Kreuz die Fahrt zwischen seinem Wohnsitz in Bielefeld und der Konzernzentrale in Essen zur stundenlangen Quälerei machte, stieg er auf Hubschrauber um. Die Rechnung ging an Arcandor. Zu Recht, findet Middelhoff: Er habe so nämlich effizienter arbeiten können. Zu Unrecht, findet die Anklage: Die Kosten für den Arbeitsweg seien Sache des Arbeitnehmers.

F wie Festschrift: Ein weiterer Vorwurf der Anklage: 180.000 Euro habe Arcandor auf Veranlassung Middelhoffs für eine Festschrift zu Ehren des ehemaligen Bertelsmann-Chefs Mark Wössner spendiert. Für die Staatsanwaltschaft ist das Buch ein "persönliches Geschenk" Middelhoffs an seinen früheren Mentor. Der Manager hätte demnach für das teure Präsent selbst zahlen müssen. Nach Middelhoffs Worten diente die Festschrift dagegen der Verbesserung des Arcandor-Images und der Netzwerkpflege.

G wie Gerichtsvollzieher: Für Middelhoff wurden nach eigener Aussage vor allem die Besuche der Gerichtsvollzieher im Gerichtssaal zur Belastung. Sie nutzten die Gelegenheit, um den im südfranzösischen Saint-Tropez lebenden Manager mit Millionenforderungen seiner Gläubiger zu konfrontieren. In einem Fall pfändete ein Gerichtsvollzieher sogar eine wertvolle Armbanduhr. Die Pfändungsversuche seien demütigend, sagte Middelhoff selbst am Rande des Verfahrens: "Das ist wie ein apokalyptischer Traum."

H wie Haftbefehl: Zeitweise wurde das Verfahren in Essen von einem drohenden Haftbefehl gegen Middelhoff überschattet. Eine Gerichtsvollzieherin hatte diesen laut einem "Spiegel"-Bericht beantragt, um den Manager im Zusammenhang mit Zahlungsforderungen des Arcandor-Insolvenzverwalters zur Offenlegung seiner Vermögensverhältnisse zu zwingen. Das Thema erledigte sich nach Angaben der Middelhoff-Anwälte aber von selbst, als dessen Managerversicherung eine Haftungsgarantie für 3,4 Millionen Euro übernahm.

K wie Katze: Für Schlagzeilen sorgte Middelhoff, als er im Juli nach einem Besuch beim Gerichtsvollzieher über ein Garagendach vor den wartenden Journalisten flüchtete. Middelhoff selbst schien stolz auf die Aktion: "Ich bin wie die Katze übers Dach. Ich musste drei Meter tief auf eine Garage springen und dann noch einmal drei Meter auf die Straße", berichtete der 61-Jährige danach. Der Manager hatte beim Gerichtsvollzieher seine Vermögensverhältnisse offenlegen müssen.

L wie Limousine: Trotz des Ärgers mit diversen Gläubigern fuhr Middelhoff an den Verhandlungstagen standesgemäß mit einer Limousine und eigenem Fahrer vor. Allerdings musste er sich nach dem Aussteigen mit allen anderen Anwesenden in die Warteschlange an der Sicherheitsschleuse einreihen.

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Middelhoff erscheint zu Gerichtsterminen in einer Limousine mit Fahrer. Das Mittagessen nimmt er aber in der Kantine des Essener Landgerichts ein.

(Foto: picture alliance / dpa)

M wie Mittagessen: Beim Mittagessen zeigte sich Middelhoff an den Prozesstagen bodenständig: Er nahm es in der Regel in der Gerichtskantine ein.

P wie Panne: Der Untreue-Prozess gegen Thomas Middelhoff begann gleich mit einer Panne. Wegen eines Formfehlers des Gerichts am ersten Tag musste das Verfahren am zweiten Tag noch einmal von vorn beginnen. Sowohl die mehr als einstündige Verlesung der Anklage als auch die weit umfangreichere persönliche Erklärung Middelhoffs mussten wiederholt werden. Middelhoff zeigte sich verärgert über die Zeitvergeudung.

V wie Verteidigung: Die Verteidigung Middelhoffs hat bereits angekündigt, einen Freispruch für den Angeklagten fordern zu wollen. Dagegen verlangte die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer am vergangenen Donnerstag eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten wegen schwerer Untreue - Middelhoff habe den früheren Karstadt-Quelle-Konzern "nach Gutdünken" mit Kosten seiner zahlreichen externen Nebentätigkeiten belastet. Mit einem Urteil wird Mitte dieses Monats gerechnet.

Z wie Zwangsvollstreckung: Eine bei Middelhoff bei einer Taschenpfändung im Essener Landgericht gepfändete Armbanduhr der Nobelmarke Piaget wurde von der Gerichtsvollzieherin nach Zwangsvollstreckungsrecht im Internet versteigert. Der prominente Vorbesitzer ließ die Uhr für die Bieter offensichtlich attraktiv erscheinen: Obwohl ihr Wert in einem Gutachten lediglich auf 2800 Euro geschätzt wurde, erzielte sie bei der Online-Auktion am Ende einen Preis von 10.350,99 Euro.

Quelle: ntv.de, bko/dpa

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