Tag Team an der Wall Street WWE und UFC bilden neuen Börsenkoloss der Showbranche


Ein Milliardendeal mit der WWE und Endeavor prangt groß an der Wall Street.
(Foto: REUTERS)
Der größte Wrestling- und der größte MMA-Veranstalter tun sich zusammen. Es entsteht ein milliardenschwerer Börsenriese, der die Stärken von Sport und Unterhaltung bündeln soll. Die drei großen Bosse des neuen Sport-Entertainment-Riesen bergen allerdings Potenzial für Skandale.
Die Konstellation klingt kolossal: Aus der World Wrestling Entertainment (WWE), dem größten Wrestling-Veranstalter der Welt, und der Ultimate Fighting Championship (UFC), dem größten globalen MMA-Veranstalter, wird ein neues börsennotiertes Unternehmen mit einem Wert von mehr als 21 Milliarden Dollar entstehen. Einen Namen hat der neue Sport-Entertainment-Riese noch nicht, lediglich das Börsenkürzel steht mit TKO schon fest. TKO, im Kampfsport ist das die Kurzform für "Technischer Knockout", das vorzeitige Ende eines Kampfes. Hier bleibt das Unternehmen seinen beiden Produkten treu und sendet gleichzeitig ein Signal an die Konkurrenz.
Den Deal eingefädelt hat der UFC-Mutterkonzern Endeavor, der die WWE beim Kauf mit 9,3 Milliarden Dollar bewertet und mit 51 Prozent die Kontrollmehrheit an dem neuen Konzern halten wird. Die restlichen 49 Prozent verbleiben bei den bestehenden WWE-Aktionären. In der zweiten Jahreshälfte soll der Börsengang dann vollzogen werden. "Dies ist eine einmalige Gelegenheit, zwei führende Sport- und Unterhaltungsunternehmen zusammenzubringen", sagte der Endeavor-CEO, Ari Emanuel, in einer Investorenpräsentation und bezeichnete die Übernahme als "transformativen Schritt" für Endeavor.
Transformativ ist der Schritt in erster Linie deshalb, weil Endeavor zuvor kein klares Portfolio vorweisen konnte. Der Konzern investierte bislang in Bullenreiten, Modeschauen und Tennisturniere wie die Miami Open und Madrid Open. Mit der UFC und der WWE schnürt Endeavor nun zwei ähnliche Produkte zusammen, die auf ihrer Ebene die Spitze des Eisbergs darstellen und sich gegenseitig in Sachen Vermaktung fördern können.
Klar, es sind unterschiedliche Unterhaltungsformen: Die WWE schickt athletische Wrestler in einen Ring und führt nach Skript Schaukämpfe durch, die wie in einer Seifenoper in eine bestimmte Storylinie verpackt sind. Dramen und Fehden werden mal eben im Ring geregelt. Die UFC dagegen lässt Mixed-Martial-Arts-Kämpfer in einem achteckigen Käfig aufeinander los. Es gibt Ringrichter, Punktrichter und ein detailliertes Regelwerk, aber dafür kein Skript. In diesem Sport kann tatsächlich alles passieren, von einem K.o. nach wenigen Sekunden bis hin zu blutigen Gefechten, die 15 oder 25 Minuten dauern.
"Live" ist Trumpf
Ähnlich sind sich die beiden Veranstalter dafür in der Vermarktung ihrer Kämpfe: Egal ob WWE oder UFC, beide lieben die große Show. Egal ob im Ring oder im Oktagon, Duelle werden über Wochen und Monate mit Eigenproduktionen auf den Social-Media-Kanälen angekündigt, gestützt von TV-Partnern oder unabhängigeren Medien. Dazu werden besondere Charaktere unter den Athletinnen und Athleten auch besonders gefördert. Wer als Typ polarisiert oder außerordentliches Talent hat, der wird schnell zum Star in einer der Organisationen und zum Gesicht der Unternehmen - die WWE hat John Cena, die UFC einen Conor McGregor. Solche Namen sollen einen Hype kreieren und dafür sorgen, dass die Leute einschalten und im Bestfall - für die ganz großen Fights - die digitale Eintrittskarte, die Pay-Per-View (PPV), kaufen.
Die Zahl der verkauften PPVs sind für beide Marken der Gradmesser für ihren Erfolg, in der Regel finden Veranstaltungen dieser Größenordnung aber nur einmal im Monat statt. Drumherum stricken beide ein Netz aus Live-Events. Die WWE hat mit RAW und Smackdown wöchentlich zwei feste TV-Termine, bei denen sie wie ein großer Zirkus durch die Welt ziehen und große Hallen ausverkaufen. Dazu tritt ein kleinerer Tross aus Wrestlern in "House Shows" auf, die nicht medial aufbereitet werden und nur ganz selten Einfluss auf die Stories haben. Die UFC dagegen macht das lediglich einmal am Wochenende. Sie produziert eine Art Castingshow für Käfigkämpfer und hat wie die WWE auch einen eigenen Streamingdienst. Dort bekommen aber auch kleinere Organisationen eine Plattform, um MMA-Events zu zeigen.
Aushängeschild bleiben aber auch künftig die Live-Veranstaltungen. Das neu gegründete Unternehmen wolle versuchen, "aus dem Wunsch der Verbraucher, an Live-Erlebnissen teilzunehmen und aus ihrem Appetit, auf Sport zu wetten, Kapital schlagen", sagte Endeavor-Präsident Mark Shapiro, der in der gleichen Funktion im neuen Unternehmen tätig sein wird. Selbst für die gescripteten Wrestlings-Matches sollen künftig Wetten möglich sein - zumindest macht sich die WWE in einigen Bundesstaaten für eine Legalisierung stark.
Cross-Promotion für die ganz große Welle
Was die Größenordnung der Veranstaltungen angeht, ist die WWE das große Vorbild in der neuen Unternehmensehe. Erst vor wenigen Tagen waren bei "Wrestlemania 39" in Los Angeles an zwei Tagen insgesamt 160.000 Zuschauer im Stadion. Der Ring in der Mitte wirkt auf Bildern so weit weg, dass man ohne die Videowall auf den "billigen Plätzen" kaum etwas von der Action erkennen kann. Vor solchen Szenarien hatte die UFC bislang immer zurückgeschreckt, nur selten gastierte der Veranstalter in Stadien. Mit ein Grund dafür ist Boss Dana White, der an eine bessere Atmosphäre, eine bessere Sicht und weniger wetterbeidingte Unwegsamkeiten bei geschlossenen Arena glaubt. So beschränken sich die Events der Käfigkämpfer auf eine Größenordnung von 15.000 bis 30.000 Zuschauern - ausverkauft sind die Events immer innerhalb weniger Minuten.
Die ganz große Welle wird aber Cross-Promotion schlagen. Bedeutet: Die Stars der WWE tauchen bei Veranstaltungen der UFC auf, die UFC-Fighter steigen wiederum mal bei den Show-Kämpfen in den Ring. Das gab es in der Vergangenheit bereits, allerdings mit gemischten Resultaten. Mit Brock Lesnar schaffte es eines der bekanntesten WWE-Gesichter sogar zum Schwergewichtschampion der UFC, der Wrestler CM Punk scheiterte dagegen kläglich beim Versuch im MMA-Bereich Fuß zu fassen und gilt seitdem als abschreckendes Beispiel.
Der Wechsel aus dem Käfig in den WWE-Ring lief da schon vielversprechender. UFC-Stars wie Ken Shamrock, Ronda Rousey oder Matt Riddle haben diesen Schritt bereits in der Vergangenheit erfolgreich gewagt. Selbst Conor McGregor meldete sich nach der angekündigten Fusion zu Wort und postete auf Twitter ein Bild von sich, das ihn mit dem Champion-Gürtel der UFC auf der einen und dem Champion-Gürtel der WWE auf der anderen zeigt. Dazu der Text: "Es ist unvermeidbar".
Eine Win-Win-Idee?
Den größeren Benefit aus dem Endeavor-Deal hat in jedem Fall die WWE. Dort werde man nach dem gleichen Schema vorgehen, wie bei der UFC, hieß es in dem Statement: Verbesserung der betrieblichen Effizienz und Aushandlung von Lizenzvereinbarungen sollen den Wrestlingveranstalter wirtschaftlich ähnlich nach vorne bringen, wie zuvor den MMA-Riesen. Denn seit 2017, ein Jahr nachdem Endeavor eine Mehrheitsbeteiligung an der UFC erworben hatte, konnte das Unternehmen seinen Umsatz um mehr als das Anderthalbfache steigern und sein bereinigtes EBTIDA verdoppeln.
So richtig interessant wird die Kooperation aus wirtschaftlicher Sicht aber erst in den nächsten zwei Jahren, wenn die Fernsehdeals der beiden Parteien in den USA ausgelaufen sind. Die Partnerschaft der WWE mit Fox und NBC endet 2024, die UFC und ESPN sind noch bis 2025 aneinander gebunden. Im Anschluss könnte das neue Unternehmen beide Marken lukrativ in Paketen anbieten - und so das Live-Sport- sowie Unterhaltungsprogramm eines Senders aufwerten.
Was wie eine Win-Win-Idee wirkt, hat zunächst nicht die große Begeisterung bei Anlegern ausgelöst. Das könnte an der komplexen Struktur der Transaktion, die ausschließlich aus Aktien besteht, liegen. Viele Analysten hatten hier mit einer Bargeldtransaktion gerechnet. Dazu wurde die WWE-Aktie mit einem Aufschlag von 16 Prozent gegenüber dem letzten Schlusskurs bewertet, wohl eher ein Schritt, um die beiden Marken auf Augenhöhe zu präsentieren.
Dazu bringen die UFC und die WWE im Rahmen der Vereinbarung, die einer Quelle zufolge intern als "Project Stunner" bezeichnet wird, auch Barmittel in das neue Unternehmen ein. So sollen fast 150 Millionen Dollar zur Verfügung stehen. In welche Projekte das Geld investiert wird, ist aber noch völlig unklar. Die WWE-Aktien schlossen entsprechend am Tag der Verkündung mit einem Minus, ebenso wie die Endeavor-Aktien. In den Tagen darauf kletterten beide wieder stetig in Richtung Vor-Fusions-Niveau.
Die unaufhaltesamen alten weißen Männer
Eine unkalkulierbare Variable bei dem neuen Börsenkoloss sind ausgerechnet die Bosse, die den Erfolg der letzten Jahrzehnte zu verantworten hatten. Denn jeder hatte in der Vergangenheit seinen ganz eigenen Skandal gehabt, der irgendwie unter den Teppich gekehrt wurde. WWE-Boss Vince McMahon war im Juli letzten Jahres nach einer Untersuchung wegen angeblichen Fehlverhaltens als Geschäftsführer und Vorsitzender des Unternehmens zurückgetreten. Er soll mit Firmengeldern Millionen an mehrere Frauen gezahlt haben, um Untreue und Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens zu vertuschen. Regelmäßig kamen neue Details ans Licht, die der Aktie einen Kursknick verpassten. Im Januar 2023 stand der 77-Jährige dann plötzlich wieder auf der Matte und kehrte als Geschäftsführer zurück. Die Begründung: Er werde für Verhandlungen für TV-Rechte und Investorengespräche gebraucht.
UFC-Boss White hatte in der Silvesternacht auf einer Party eine handgreifliche Auseinandersetzung mit seiner Ehefrau, bei der er sie mehrfach ohrfeigte. Das Ganze wurde von einem Gast auf der Party gefilmt und veröffentlicht. Die Endeavor-Aktie fiel daraufhin um sechs Prozent. White, der in den Jahren zuvor immer wieder betont hatte, dass es keine Entschuldigung für einen Mann gebe, der eine Frau schlägt, musste sich erklären. Es tue im Leid, er sei beschämt, lautete die Entschuldigung. Der Alkohol sei schuld gewesen und er könne sich kaum an die Geschehnisse erinnern. Der UFC-Macher ist bis dato weiterhin im Amt.
Und auch Ari Emanuel hat keine blütenweiße Weste. Eine Klage der Ex-Managerin Sandra Epstein gegen die Agentur Endeavor vom April 2002 brachte Anschuldigungen gegen den Endeavor-Chef ans Licht. In den Gerichtsakten wird behauptet, Emanuel habe einem Freund erlaubt, eine pornografische Website in den Büros von Endeavor zu betreiben. Laut Epstein soll Emanuel rassistische und schwulenfeindliche Bemerkungen gemacht haben. Das Verfahren wurde dann mit einer Zahlung von 2,25 Millionen Dollar beigelegt. An der Börse war Endeavor damals noch nicht.
Das Trio soll in seinen Funktionen weiterhin im jeweils angestammten Bereich bleiben. Emanuel, der sich um die gemeinsame Vermarktung kümmern soll sagte dazu: "Dana [White] hat das Sagen, wenn es um die UFC geht. Mit dem kreativen Prozess haben wir nichts zu tun." McMahon kümmere sich um die WWE. "Wir haben da Vince, einen Visionär der über den Tellerand hinausschaut. Und wir haben Dana White und das, was er geschaffen hat. Das ist ziemlich unaufhaltam."
Quelle: ntv.de