Stable Coins verlieren Vertrauen Welche Währungen der Krypto-Crash trifft
14.05.2022, 10:22 Uhr
Das Image sogenannter Stable Coins wird zurzeit ramponiert.
(Foto: REUTERS)
Stable Coins sollen sich im Gegensatz zu anderen Kryptowährungen durch Wertstabilität auszeichnen. Doch der Crash von TerraUSD zerstört fast 30 Milliarden Dollar Vermögen. Und das ist erst der Anfang.
Wer in Kryptowährungen investiert, braucht starke Nerven - oder eben sehr viel Geld. Kursfeuerwerke gehören zum Tagesgeschäft, mal geht es mehrere Tausend Dollar rauf, mal Tausende Dollar runter. Was seltener vorkommt: Komplette Crashs wie am Mittwoch. Da brach der Stable Coin TerraUSD - auch UST genannt - auf 36 Cent pro Coin ein und riss die Kryptowährung Luna gleich mit. Auch der Bitcoin war betroffen und rutschte erstmals seit Dezember 2020 unter 27.000 US-Dollar. Investoren fürchten nun einen Flächenbrand, der andere Stable Coins wie den Tether anstecken könnte.
TerraUSD war vor dem Crash fast 20 Milliarden US-Dollar wert und damit der drittgrößte Stable Coin. Am Donnerstag lag der Wert bei rund 60 Cent pro Coin, obwohl dieser eigentlich per Definition bei einem Dollar pro Coin liegt. Das löste Kaskadeneffekte aus, die fast 30 Milliarden Dollar Vermögen zerstörten - und damit beinahe so viel wie die Marktkapitalisierung von Adidas. Dabei sollten Stable Coins eigentlich genau das, einen Kryptocrash, verhindern. Im Gegensatz zu anderen Digitalwährungen schwanken sie kaum, sondern ihr Wert ist stabil an eine gängige Leitwährung, zum Beispiel den Dollar, gekoppelt. Kurz gesagt: Ein Coin kostet normalerweise einen US-Dollar. Die Idee von Stable Coins war ursprünglich, die Liquidität im Markt zu sichern und den Zahlungsverkehr zwischen einzelnen Digitalwährungen zu vereinfachen.
Warum also der Fall auf 60 Cent pro Coin? Die kurze Antwort darauf lautet: Die Anleger haben das Vertrauen in Terra verloren - und Vertrauen ist bei Digitalwährungen nun einmal das wichtigste Asset. "Festzuhalten bleibt, dass das Vertrauen in Stable Coins insgesamt massiv beschädigt worden ist. Das Image einer ganzen Branche wird ramponiert", sagt Analyst Timo Emden gegenüber dem "Handelsblatt".
Verschwörungsmythen in Krypto-Foren
Die technische Antwort ist länger: Damit der Stable Coin konstant einen US-Dollar wert ist, müssen die Verantwortlichen die Käufe der Anleger ausgleichen, indem sie in gleichem Maß in Dollar investieren. Für jeden Coin hinterlegen sie also einen Dollar auf einem anderen Konto. Das ist jedenfalls bei den beiden größeren Stable Coins Tether und USD Coin so. TerraUSD zählt allerdings zu den sogenannten "algorithmischen Stable Coins". Hinter Terra stehen also keine echten Dollar, sondern Kryptowährungen - in diesem Fall Luna. Ein Terra hat dabei immer den Gegenwert eines Dollars in Luna. Besitzer können jederzeit zu einem fixen Wechselkurs Stable Coins im Wert von einem Dollar verbrennen ("burnen") und Luna im gleichen Wert erschaffen ("minen").
Lag der Kurs nun in der Vergangenheit über einem Dollar, tauschten Anleger Luna in Stable Coins und verkauften diese dann an der jeweiligen Börse gewinnbringend. Genauso funktionierte es umgekehrt. So wurde der Kurs lange Zeit konstant gehalten. Bis zu dieser Woche, als beide Kurse deutlich ins Minus gingen. Als Terra unter einen Dollar fiel, tauschten Investoren folgerichtig den Stable Coin in Luna. Als aber auch der Luna-Kurs fiel, stießen die Investoren zusätzlich Luna ab. Die Negativspirale startete und traf am Ende vor allem Luna. In der Spitze brach der Kurs auf 0,70 US-Dollar ein, ehe Investoren ihn wieder auf über 4,50 US-Dollar hievten. Noch am Dienstag lag er allerdings bei über 20 US-Dollar.
Die Stiftung hinter Terra kolportierte zunächst, dass es sich um einen Angriff auf das Projekt handele. Um die Deckung zu halten, wurden anschließend große Mengen eigener Bitcoins verkauft, die die Stiftung in der Vergangenheit zur Absicherung gekauft hatte. Das schwächte aber wohl auch den Bitcoin-Kurs, der am Donnerstag auf den tiefsten Stand seit Dezember 2020 fiel. Investoren befürchten daher eine Ansteckungsgefahr für den gesamten Markt.
Zentralbanken warnen vor Stable Coins
Tatsächlich sind auch schon andere Stable Coins betroffen. So fiel Tether, der wichtigste Anbieter, am Donnerstagmorgen auf 0,95 US-Dollar. Zwar gibt Tether an, vollständig über Dollar-basierte Vermögenswerte abgesichert zu sein - genaue Angaben macht die Gruppe allerdings hierzu nicht. Im vergangenen Jahr wurde sie zu einer Geldstrafe von 41 Millionen Dollar verurteilt, weil sie angeblich irreführende Angaben zu ihren Dollarreserven gemacht haben soll.
Sowohl die amerikanische Notenbank Fed, die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die Bank of England warnten zuletzt vor Stable Coins und ihrer vermeintlich sicheren Bindung an Fiat-Währungen wie den Dollar. Die Fed warnte in ihrem jüngsten Bericht zur Finanzmarktstabilität gar, dass "Stable Coins möglicherweise ihren Wert verlieren oder unter Druck illiquide werden". Kurz gesagt: Die Zentralbanken halten nicht viel von Stable Coins. Durch Krypto-Foren geistert derweil ein anderes Narrativ: Nutzer vermuten eine Verschwörung zwischen großen Fonds und Aufsichtsbehörden, die einen Crash provozieren, um letztlich eine stärkere Regulierung durchzusetzen.
Dass andere Stable Coins vom Terra- und Luna-Crash angesteckt werden, ist angesichts der mangelnden Transparenz und dem offensichtlich fehlenden Vertrauen aber nicht mehr auszuschließen. Wie realistisch das ist? Schwer zu sagen. Die renommierte "Financial Times" kommt in dieser Frage wohl zum treffendsten Fazit. Sie schreibt kurz und knapp: "Wir wissen es nicht."
Dass gleich die ganze Kryptoszene unter Druck gerät, erscheint unrealistisch. Doch die Kurse von Bitcoin und Ethereum dürften kurz- bis mittelfristig allemal den Crash spüren, da die Stiftung hinter Terra kurzfristig rund 1,3 Milliarden TerraUSD verbrennen will - darunter etwa 371 Millionen in der Cross-Chain von Ethereum. Das könnte zwar den Angebotshang bei TerraUSD minimieren und den Kurs kurzfristig nach oben bringen. Für Terra und Luna-Inhaber ist das aber mit hohen Kosten verbunden.
Dieser Text ist zuerst bei "Capital" erschienen.
Quelle: ntv.de