Wirtschaft

"Gedanken zum Sozialismus" Xi ist Gift für Chinas Wirtschaft

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Xi hat seine Macht ausgebaut.

(Foto: REUTERS)

Xi Jinping ist der unumstrittene Herrscher Chinas. Er legt Tech-Firmen an die Leine, demütigt seinen Vorgänger und setzt den Machtanspruch der von ihm geführten Kommunistischen Partei durch. Das sind schlechte Aussichten für die Wirtschaft.

Xi Jinping triumphiert. Chinas Staats- und Parteichef hat seine Macht auf Jahre hinaus zementiert. Aus der Führungsriege der Kommunistischen Partei sortierte er potenzielle Gegner aus und ersetzte sie durch loyale Gefolgsleute. Auf dem Parteitag musste Vorgänger Hu Jintao den Platz auf dem Podium neben Xi räumen und wurde offenbar gegen seinen Willen aus dem Saal geführt.

Für die Entwicklung der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft sind das keine guten Nachrichten. Als Xi vor fünf Jahren wiedergewählt wurde, brummte Chinas Wirtschaft. Heute sieht es völlig anders aus. Und das hat viel dem 69-Jährigen zu tun. Rund zwei Jahrzehnte war die Volksrepublik der größte und zuverlässigste Wachstumsmotor der Weltwirtschaft. Nach dem Tod von Mao Zedong hatte die Kommunistische Partei einen pragmatischen Ansatz gewählt, um das Land reicher zu machen und marktwirtschaftliche Reformen mit staatlicher Kontrolle gepaart - und das sehr erfolgreich.

Doch Chinas Herrscher hat das geändert. Er setzt nicht auf Pragmatismus, sondern auf Ideologie - auf eine von ihm geprägte Ideologie. Xis "Gedanken zum Sozialismus chinesischer Prägung" sind nicht nur Teil der Parteisatzung, sondern finden sich sogar in Lehrplänen. Xi will den Staatskapitalismus reformieren, der jahrelang einen brummenden Privatsektor nicht nur ermöglicht, sondern gefördert hatte. Das oberste Ziel: Wie alle anderen Bereiche der Gesellschaft soll auch die Wirtschaft der vollen Kontrolle der Partei unterworfen werden.

Strikte Null-Covid-Politik

Dabei leidet die Wirtschaft bereits wegen der weltweiten Konjunkturabkühlung. Hinzu kommt eine schwere Immobilienkrise. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, nach offiziellen Angaben haben fast ein Fünftel der jungen Chinesen keinen Job.

Xi hat der wirtschaftlichen Entwicklung noch zwei heftigere Schläge zugefügt. Das ist zum einen seine Null-Covid-Politik, bei der einzelne Ausbrüche sofort durch Abriegelungen ganzer Stadtteile bekämpft werden. Eine Folge: Millionen Menschen kommen nicht an ihren Arbeitsplatz, Fabriken schränken die Produktion ein oder machen vorübergehend ganz dicht. Für die Wirtschaft ist das eine Katastrophe.

Doch Xi hat diese Strategie zu einem wesentlichen Grundsatz seiner Politik gemacht. Die Staatspropaganda betont, dass er damit hohe Todeszahlen wie in den USA und Europa verhindert habe. Doch spätestens bei der hochansteckenden Omikron-Variante des Coronavirus ist der Null-Covid-Ansatz an seine Grenzen gestoßen. Eine Exit-Strategie hat Xi offenbar nicht: Viele Millionen - vor allem ältere - Menschen sind nicht vollständig geimpft. Hohe Infektionszahlen dürften zu zahlreichen Toten führen, zumal das chinesische Gesundheitssystem schnell überlastet sein dürfte.

Zum anderen geht es Xi darum, den absoluten Machtanspruch der von ihm geführten Kommunistischen Partei durchzusetzen. Er hat eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt, um die Privatwirtschaft unter die Kontrolle der KP zu bringen. Das offensichtlichste Beispiel ist der viele Jahre boomende Technologie-Sektor. Seit zwei Jahren überzieht Xi die Tech-Unternehmen mit immer mehr Regularien. Sie zielen etwa auf E-Commerce-Giganten, Finanzdienstleister, Social-Media-Riesen, Nachhilfe-Anbieter, die Lieferservice-Branche und den Online-Videospielebereich.

Xi will absolute Macht

In den vergangenen Jahren sind viele Milliardäre und Unternehmenschefs in China verschwunden. Bei einigen von ihnen ist bis heute unklar, was aus ihnen geworden ist. Die meisten tauchen jedoch wieder auf. Einem Teil von ihnen wird der Prozess - zumeist wegen Korruption - gemacht. Andere kehren in ihre Firmen zurück. Bekanntestes Beispiel: Jack Ma. Vom Gründer des Online-Imperiums Alibaba gab es wochenlang öffentlich kein Lebenszeichen. Drei Monate später war er in einer Video-Botschaft zu sehen, in der er ankündigte, sich verstärkt um seine wohltätigen Aktivitäten zu kümmern. Noch immer ist nicht bekannt, wo er steckte und warum er so lange nichts von sich hören ließ.

Unternehmer wie Ma galten in der Volksrepublik lange als Symbol für den rasanten ökonomischen Aufstieg Chinas. Ihre Milliardenvermögen wurden dort nicht nur als Ausdruck der wirtschaftlichen Potenz Chinas gesehen, sondern auch als Versprechen, dass jeder Chinese ebenfalls reich werden könne. Das ist nicht mehr der Fall. Sie gelten nun als Bedrohung der Stabilität - des Finanzsektors, der Gesellschaft, des politischen Systems - und als Bedrohung des Machtanspruchs der Kommunistischen Partei.

Seit Xi an die Macht kam, hat er seinem Land einen immer autoritäreren Kurs verordnet. Im Zentrum stehen staatliche Kontrolle und das Versprechen eines "gemeinsamen Wohlstands". Die Ziele sind durchaus nachvollziehbar: Bekämpfung von Ungleichheit, Monopolen, undurchsichtigen Firmengeflechten und gigantischer Schuldenberge. China will in vielen Technologien weltweit führend sein.

Xi stärkt dafür staatlich kontrollierte Unternehmen, die wenig produktiv sind. Er schwächt die produktivere, innovativere Privatwirtschaft. Eine Konsequenz: Dem "Economist" zufolge stecken Wagniskapitalgeber Geld mittlerweile verstärkt in chinesische Firmen, die mit den höchsten Subventionen rechnen können, und nicht in Firmen mit den besten Ideen. Hinzu kommt, dass Xis autoritärer Kurs, sein "China First" und seine Außenpolitik vor allem den Westen vorsichtiger macht. Firmen haben begonnen, ihre Lieferketten unabhängiger von China zu machen.

Chinas Wirtschaft wird 2022 dem Internationalen Währungsfonds zufolge nur um 3,2 Prozent zulegen. Das wäre eine der schwächsten Wachstumsjahre seit fast einem halben Jahrhundert. Was auf das Land zukommt, zeigt die verzögerte Veröffentlichung der Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt des dritten Quartals, die ohne Begründung verschoben wurden.

Über die Hintergründe gibt es zwei Vermutungen: Entweder wollte Xi sich von den Daten nicht den triumphalen Parteitag verderben lassen - schließlich ist das ausgegebene Ziel von 5,5 Prozent Wachstum in diesem Jahr aller Voraussicht nach nicht mehr zu erreichen. Oder - das berichtet "Bloomberg" - die leitenden Beamten, die das Datenwerk unterzeichnen mussten, konnten das wegen strikter Corona-Maßnahmen nicht. Egal, ob Xis Eitelkeit oder seine Covid-Politik hinter der Verzögerung stehen: In China bestimmt alleine der Staats- und Parteichef, in welche Richtung sich das Land entwickelt.

Quelle: ntv.de

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