Eurobonds für Italien Die Überdosis für den Kredit-Süchtigen
07.04.2020, 16:10 Uhr
Nach Ansicht von Matteo Salvini würde der ESM Italien versklaven.
(Foto: imago images/Insidefoto)
Im Interesse Italiens sollte das von der Coronavirus-Pandemie schwer getroffene Land jede Hilfe bekommen - aber keine Eurobonds. Stattdessen braucht das Land einen Moment der Wahrheit und der nähert sich jetzt.
Opposition und Regierung in Rom sind sich endlich wieder einmal einig: Italien will die Eurobonds und lehnt den Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) vehement ab. Angesichts eines Schuldenberges von 136 Prozent der Wirtschaftsleistung vor der Coronavirus-Pandemie und wohl 180 Prozent danach braucht Italien dringend Hilfe. Jede "Einmischung in die italienischen Angelegenheiten" lehnt das Land aber weiterhin ab.
Seit dem Beginn der Krise trommelt die nationalistische Lega unter Führung von Matteo Salvini gegen Deutschland, und für Eurobonds. Salvinis wirtschaftspolitischer Berater, Claudio Borghi, greift dafür tief in die Tasche der anti-deutschen Vorurteile (um es freundlich auszudrücken): Er veröffentlichte ein Plakat aus den Zeiten der deutschen Besatzung Italiens, erstellt von Mussolinis "Repubblica Sociale Italiana", in den sozialen Medien. "Deutschland ist dein wahrer Freund", steht da. Borghi übertitelte das Plakat der italienischen Kollaborateure mit den Worten: "Die Zeit vergeht, aber die Taktik ist dieselbe".
Borghi ist nicht irgendwer, er ist Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Parlament, neben Salvini der wichtigste Sprecher der "Lega Salvini Premier", wie die Partei des einstigen Innenministers seit Dezember 2019 heißt. Salvini selbst sagt, der ESM versklave Italien, weil man das Geld, das dem Land darüber geliehen würde, ja "zurückerstatten müsste, mit Zins". Und das sei "Diebstahl an den Ersparnissen der Italiener". Der Regierungschef Giuseppe Conte ist im Umgangston freundlicher, aber in der Substanz ändert sich nichts: "Entweder Eurobonds, oder wir machen es alleine". Auch die 5-Sterne-Bewegung will kein Geld vom ESM, weil, so der Außenminister Di Maio, das dann ja italienische Schulden wären. "Wir aber wollen Eurobonds".
Kein Blankoscheck gegen Verleumdungen
Dass die italienischen Politiker mit solchen Erklärungen den Verdacht nähren, sie wollten die Schulden in Eurobonds überhaupt nie zurückzahlen, liegt nahe. "Ich kann es nicht verstehen, dass jemand wie Claudio Borghi solche Hass-Posts ins Netz stellt, und sich dann wundert, wenn die verleumdeten Deutschen Italien keinen Blankoscheck ausstellen wollen", sagt Wirtschaftsprofessor Riccardo Puglisi aus Padua. "Aber vielleicht ist der Zweck ja auch gar nicht die Eurobonds zu bekommen, sondern den Ital-Exit vorzubereiten."
Die Bank Unicredit schätzt den Schuldenberg Italiens bei baldiger Überwindung der Krise auf 167 Prozent der Wirtschaftsleistung, andere weniger optimistisch auf 180 Prozent. Italien braucht also unbedingt die Garantie der Triple-A-Länder Europas, allen voran Deutschlands, damit der Schuldenberg überhaupt bedienbar bleibt. Italiens Politik stehe am Scheideweg, urteilt der bekannte italienische Wirtschaftsprofessor Sandro Brusco. Das Land müsse sich entscheiden, "ob die Schulden von heute mit Ausgabenkürzungen und neuen Steuern von morgen bezahlt werden sollen". Dieser Zwang komme nicht von der EU, "sondern aus einer übergeordneten Kraft heraus, und die heißt: Arithmetik."
Natürlich dämmert es längst auch vielen Italienern, dass es nicht Angela Merkel - das Hassobjekt der Nationalisten Italiens - war, die die Region Lombardei zur Privatisierung der Krankenhäuser gezwungen hat. Wahlgeschenk Nummer eins der Lega war es, 5500 Angehörige des Gesundheitswesen mit 58 Jahren früh zu verrenten und dafür die Anzahl der Intensivbetten zu reduzieren. Wahlgeschenk Nummer zwei der 5-Sterne-Bewegung war es, ein allgemeines Bürgergeld einzuführen oder die jährliche Steuerhinterziehung von 114 Milliarden Euro als lässliche Sünde durch andauernde Steuerablässe anzufeuern.
Getrost darf man davon ausgehen, dass mit bedingungslosen Eurobonds weiterhin Pleite-Unternehmen wie Alitalia finanziert werden sollen - eine Linie, die mit dem allerersten Hilfspaket der Coronavirus-Dekrete gleich nationalisiert wurde. Für 500 Millionen Euro werden nun 25 Flugzeuge gekauft. Ein absoluter Irrsinn, der aber Methode hat: Alitalia kostete den italienischen Steuerzahler bis heute 10 Milliarden Euro. Genau so soll es weitergehen, deswegen sperrt sich ganz Italien einhellig gegen "Bedingungen" bei der Kreditvergabe.
Italien will, dass die Nordländer - allen voran Deutschland - die Eurobonds garantieren: ohne sie gibt es kein AAA-Rating für die Bonds, sondern nur BBB-Minus wie für Italien. Nun sollte Deutschland Italien auf keinen Fall "hängen lassen". Das ist nicht nur ethisch-moralisch eine gebotene Pflicht, sondern auch im schnöden Eigeninteresse. Aber die Eurobonds sind heute, in finanzieller Hinsicht, noch gar nicht nötig und leider dürften sie in Italien die Wirkung eines "Weiter so" haben. Sie sollte es nur geben, wenn Steuern auch gemeinsam erhoben und die Ausgaben gemeinsam beschlossen werden. Sonst wirken sie wie ein Brandbeschleuniger, sind die Überdosis für einen Kredit-Süchtigen.
Quelle: ntv.de