
Startups können die Wohnungsnot zwar nicht lösen, aber durchaus für mehr Transparenz sorgen.
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Digitalisierung ist für die Immobilienwirtschaft lange kein Thema gewesen. Dabei ist es für Startups sehr einfach, ein lukratives Geschäftsmodell zu entwickeln, von dem nicht nur die jungen Unternehmen profitieren. Das erkennen jetzt auch die die schlafenden Riesen der Immobilienbranche.
Mietenexplosion und Wohnungsnot lassen den Immobilienmarkt ächzen. Profitiert haben davon in der Vergangenheit vor allem große Unternehmen. Der Branche ging es in den vergangenen Jahren sehr gut. Nirgendwo sonst wird hierzulande so viel Kapital angelegt wie in der Immobilienwirtschaft, die 18 Prozent der Bruttowertschöpfung ausmacht.
Eigentlich drängt die Branche nichts, sich groß zu verändern. Anders als zum Beispiel im Online-Handel, wo die Digitalisierung schon vor zehn Jahren neue Konzepte verlangte, gibt es auf dem Immobilienmarkt keine großen Veränderung bei den Nutzungsgewohnheiten – und dementsprechend auch keinen Innovationsdruck.
Doch die schlafenden Riesen wachen langsam auf und erkennen, dass sie von Startups, die die Immobilienbranche als Nische für sich entdeckt haben, durchaus profitieren können. In Deutschland gibt es inzwischen schätzungsweise rund 400 sogenannter Proptechs - eine Zusammensetzung aus den englischen Worten property and technology.
McMakler wurde im Jahr 2015 von Lukas Pieczonka und Hanno Heintzenberg gegründet. Das Makler-Startup aus Berlin organisiert die Vermietung und den Verkauf von Immobilien und übernimmt dafür auch die Erstellung eines Exposés und die Organisation von Besichtigung und Schlüsselübergabe.
Thermondo wurde im Jahr 2012 von Philipp Pausder, Florian Tetzlaff und Kristofer Fichtner gegründet. Das Startup aus Berlin digitalisiert den Austausch von Heizungen und sucht anhand eines Fragebogens für den Kunden eine passende Heizung mit möglichst wenig C02-Emissionen.
KIWI wurde im Jahr 2012 von Christian Bogatu, Claudia Nagel und Peter Dietrich gegründet. Das Startup aus Berlin bietet ein schlüsselloses Zugangssystem an.
"Das Grundproblem eines verknappten Angebots und einer zu großen Nachfrage können solche Startups natürlich nur bedingt lösen", sagt Nikolas Samios vom Wagniskapitalgeber Proptech1 Ventures n-tv.de. Schließlich bekämen sie keine neuen Flächen ausgewiesen und könnten nur in einen vorhandenen Bestand eingreifen. "Aber sie können das Zusammenspiel von Mieter und Vermieter effizienter und transparenter machen."
Viele Proptechs vermitteln und verwalten
In der Immobilienwirtschaft wird mit so großen Volumina jongliert, dass es für Proptechs sehr einfach ist, ein lukratives Geschäftsmodell zu entwickeln. Das erkennen auch große Immobilienkonzerne. Vor zwei Jahren haben sich namenhafte Unternehmen wie Union Investment oder Vonovia schon an Startups aus der Immobilienbranche beteiligt. Zuletzt hat die börsennotierte Immobiliengesellschaft Deutsche Wohnen in die digitale Infrastruktur investiert. Mit Hilfe des Proptechs KIWI sollen insgesamt 160.000 Wohnungen mit einem digitalen schlüssellosen Zugangssystem ausgestattet werden. Der Konzern erhofft sich davon, Hausverwaltern unnötige Wege zu ersparen.
Egal ob das intransparente Geschäft mit Maklern, die mangelhafte Kommunikation zwischen Mieter und Vermieter oder verklausulierte Nebenkostenrechnungen: Vorgänge zu optimieren und Transparenz zu schaffen, indem Abläufe komplett digitalisiert werden, ist für Proptechs verhältnismäßig einfach.
Laut dem Frankfurter Accelerator Blackprintpartners entfällt mit Abstand der größte Anteil an Proptechs in Deutschland auf die Bereiche "Vermitteln" und "Verwalten". Eine Erklärung dafür: Sie haben durch das 2014 eingeführte Bestellerprinzip, also der Regelung, dass derjenige der den Makler beauftragt auch die Rechnung übernimmt, einen deutlichen Wachstumsschub bekommen. Im vergangenen Jahr gab es demnach 50 Finanzierungsrunden über eine Million Euro.
Deutschland nimmt eine Vorreiterrolle ein
Doch das Volumen in Deutschland blieb im vergangenen Jahr mit 182 Millionen Euro weit hinter dem zurück, was in den USA und China investiert wird. Selbst die höchste veröffentlichte Investmentsumme von 50 Millionen Euro in Tado, ein Startup, mit dem sich Heizungen und Klimaanlagen digital steuern lassen, hat im internationalen Wettbewerb das Nachsehen. Proptechs ist es hierzulande bislang nicht gelungen dreistellige Millionensummen einzusammeln. "Die USA verfügt einfach über mehr Wagniskapital im Markt." Außerdem können auch große Versicherungen und Pensionskassen investieren. Das sei in Europa gar nicht erlaubt.
Ein Vorteil Deutschlands sei hingegen seine Vorreiterrolle. Während andere Branchen sich oft vom Silicon Valley inspirieren lassen, hat sich bei Proptechs herausgestellt: Gerade wenn es ums Bauen und die dazugehörigen Regularien geht, werden Trends in Deutschland geboren, sagt Samios. "Die Proptech-Szene steht ganz am Anfang. Wir kratzen gerade an der Oberfläche. In den nächsten Jahren werden wir noch ein massives Wachstum sehen."
Eine Einschätzung, die man auch beim Accelerator in Frankfurt teilt. "Aus unserer Sicht ist der Höhepunkt der Proptech-Entwicklung keinesfalls vorüber." Im Gegenteil. Die Branche habe gerade eine erste Welle von Geschäftsmodellen erlebt. Die nächste Welle brauche wegen komplexerer Technologien und einem höheren Kapitalbedarf eine etwas längere Anlaufzeit. Der Markt sei inzwischen nicht mehr so leicht zu durchdringen.
Da die Immobilienbranche hauptsächlich von Fremdkapital finanziert wird, ist sie besonders abhängig von der Zinslage. "Die Angst vor steigenden Zinsen, dass die Margen in den Keller gehen oder schlicht ein Generationswechsel in den Chefetagen begünstigen Innovationen in die Digitalisierung", sagt Samios.
Quelle: ntv.de