Selbst- und Fremdwahrnehmung Mein Wille ist freier als deiner
14.12.2010, 10:42 Uhr
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Inwieweit die Einschätzung des eigenen freien Willens mit einer vorhersagbaren Zukunft zu tun hat, erklären Forscher durch verschiedene Befragungen in den USA. Die meisten Menschen glauben demzufolge, dass ihre Zukunft für andere nicht vohersehbar sei, weil sie selbst und aus freien Willen entscheiden, was passiert. Ob es tatsächlich einen freien Willen gibt, wurde nicht untersucht.
Menschen glauben gerne, ihr eigener Wille sei freier ist als jener anderer Menschen. Einer entsprechenden Untersuchung von US-Wissenschaftlern zufolge ist jeder von uns der Ansicht, seine eigene Zukunft sei weniger vorhersehbarer als jene der anderen Menschen. Auch sähen wir für unser eigenes Leben mehr Wahlmöglichkeiten und glaubten, unsere eigenen Absichten und Wünsche seien die maßgeblichen Triebfedern unserer Handlungen.
Ob ein freier Wille überhaupt existiert, beantworte ihre Untersuchung nicht, schreiben die Forscher in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften. Die Wahrnehmung des freien Willens jedenfalls unterscheide sich je nachdem, ob wir über uns selbst oder über Andere urteilten.
Vorhersagbarkeit von Ereignissen einschätzen
In einem ersten Versuch hatten Emily Pronin und Matthew Kugler von der Princeton University 50 Studenten gebeten, einen Fragebogen auszufüllen. Darin sollten sie angeben, wie stark vergangene oder zukünftige Ereignisse vorhersehbar waren oder sind: Etwa die Entscheidung für die Princeton University als Studienort oder den künftigen Wohnort. Einige der Probanden füllten den Fragebogen für sich selbst aus, andere mussten darüber entscheiden, wie vorhersehbar diese Ereignisse bei ihrem Zimmergenossen waren oder sind.

In welche Stadt man zieht, hängt, laut Probanden, vom freien Willen ab.
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Ihre Einschätzung gaben die Studenten auf einer siebenstufigen Skala an, die von "überhaupt nicht vorhersehbar" bis "total vorhersehbar" reichte. Es zeigte sich, dass die Befragten ihr eigenes Leben grundsätzlich als weniger vorhersehbar beurteilten als das ihrer Mitbewohner. Das galt sowohl für die vergangenen Ereignisse als auch für jene in der Zukunft.
Veränderungen in alle Richtungen möglich
In einer zweiten Befragung unter den Angestellten eines Restaurants zeigte sich, dass die Teilnehmer für ihr eigenes Leben auch stets mehr Wahlmöglichkeiten sahen als für das Leben des Arbeitskollegen. Sie schätzten häufiger, dass diese in zehn Jahren noch am selben Ort und im selben Job seien werden, während sie für ihr eigenes Leben mehr Veränderungen erwarteten.

Je besser man jemanden kennt, umso freier schätzt man seinen Willen ein, mutmaßen die Forscher.
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Die Befragten erwarteten dabei aber für sich nicht nur Veränderungen zum Guten, sondern durchaus auch zum Schlechteren. Sie sahen ihr Leben einfach weniger "in Stein gemeißelt" als das der anderen, schreiben die Forscher.
Verhalten als Ergebnis der Innenwelt
Im dritten und letzten Experiment zeigten die Wissenschaftler schließlich, dass die Versuchspersonen glaubten, ihr Verhalten würde vor allem von ihren Wünschen und inneren Absichten gesteuert. Für ihre Mitbewohner hingegen gaben sie an, dass eher die äußeren Umstände oder deren wenig veränderbare Persönlichkeit deren Verhalten steuerten.
Ein Grund für die beobachteten Unterschiede liege möglicherweise in dem Hang zur Selbstbeobachtung. Während man über seine eigenen Motive oder widerstreitende Gefühle und Gedanken sehr gut Bescheid wisse, bliebe vieles im Dunkeln, was bei anderen Menschen zu einer Entscheidung geführt habe, schreiben die Forscher. Möglicherweise verändere sich die Einschätzung über den freien Willen der Mitmenschen, je mehr man über ihr Innenleben wisse. Interessant sei es auch herauszufinden, ob sich die Wahrnehmung des freien Willens mit dem Alter verändere.
Quelle: ntv.de, dpa