Nervenzellen mit sechstem Sinn? Tasthaare funktionieren ohne Berührung
31.03.2015, 18:41 Uhr
Über die Tasthaare können Ratten erkennen, ob sich ein Artgenosse oder ein Objekt in der Nähe befindet.
(Foto: Evgeny Bobrov, 2015)
Tasthaare sind für viele Tiere überlebensnotwendig. Die sogenannten Vibrissen erleichtern die Nahrungssuche und die Orientierung. Dass diese auch andere Stimuli außer Berührung verarbeiten, beweisen Forscher mit einem besonderen Blick ins Rattenhirn.
Die Vibrissen im Gesicht der Ratten sind in vielen Bereichen von entscheidener Bedeutung. Sie helfen dabei, Artgenossen von Rattenfallen zu unterscheiden und tragen dazu bei, dass sich die Tiere im Dunkeln orientieren oder Hindernisse wahrnehmen können. Jedes Tasthaar sendet dabei Informationen an Nervenzellen im Gehirn der Tiere weiter. Dieser Teil der somatosensorischen Hirnrinde, wird als barrel cortex bezeichnet und soll primär die Berührungen verarbeiten, die die Tasthaare erfahren. So viel zur Theorie. Dass die Nervenzellen im barrel cortex bereits aktiviert werden, obwohl es noch keine Berührung an den Tasthaaren gegeben hat, finden Forscher des Bernstein Zentrums Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin heraus.
"Für diese Untersuchung haben wir die elektrische Spannung, die über der Zellmembran der Gehirnzellen herrscht, gemessen. Sie ist Grundlage für die Weiterleitung von Signalen", erklärt Constanze Lenschow den Untersuchungsansatz in einem Gespräch mit n-tv.de. "Dabei stellten wir fest, dass sich die Membranspannung bereits vor der Berührung veränderte", so Lenschow weiter. Bisher war man der Auffassung, dass im barrel cortex lediglich Tastinformationen ankommen und verarbeitet werden. Diese Auffassung muss nun geprüft werden.
Düfte, Laute oder Schnüffeln
Für die bereits vor der Berührung auftretende Aktivität der Nervenzellen, können sich die Forscher mehrere Gründe vorstellen. Es könnte sein, dass das Schnüffeln der Ratten, von den Tieren wahrgenommene Pheromone oder von den Tieren ausgestoßene akustische Laute im Ultraschallbereich zur Aktivierung der Nervenzellen beitragen. Diese These wird gestützt von der Tatsache, dass der Kontakt mit Artgenossen eine andere Wirkung auslöste, als der Kontakt zu Gegenständen oder Nichtartgenossen. "Wurden die Tasthaare durch eine andere Ratte berührt, so hatte dies messbar größere Spannungsschwankungen zur Folge, als wenn sie durch eine ausgestopfte Ratte oder die Hand des Versuchsleiters berührt worden waren", erläutert Lenschow.
Die Rolle des barrel cortex wurde bisher vor allem mit künstlichen und sehr einfach Reizen an den Tasthaaren untersucht. In zukünftigen Untersuchungen wird man die jüngsten Studien-Ergebnisse beim Versuchsaufbau berücksichtigen müssen.
Quelle: ntv.de, jaz