Zum 100. GeburtstagFelix Wankel - ein genialer Quereinsteiger
Für den einen war er der begnadete Tüftler, für den anderen das verkannte Genie. Felix Wankel hatte eine brilliante Idee und setzte sie in die Tat um, doch der Durchbruch blieb ihm verwehrt.
Von Axel Busse
Für den einen war er der begnadete Tüftler, für den anderen das verkannte Genie. Auch gibt es gute Gründe, ihn als tragischen Helden zu sehen. Eines war Felix Wankel ganz bestimmt: Ein Konstrukteur, der unbeirrt eine brillante Idee in die Tat umsetzte, letztlich jedoch an der Zeit scheiterte, in die seine Erfindung nicht hineinzupassen schien.
Zweifelsohne gehört Wankel in eine Reihe mit Nikolaus Otto, dem die Welt den heute allgegenwärtigen Hubkolbemotor verdankt, oder Rudolf Diesel, der aus dem Selbstzünder mit seinen Glühkerzen einen drehmomentstarken Dauerläufer machte. Der nach Wankel benannte Dreh- oder Kreiskolbenmotor fand jedoch niemals die Verbreitung, die den beiden anderen Motorenkonzepten vergönnt war. Bis zum Tode seines Konstrukteurs im Jahre 1988 waren kaum mehr als 1,6 Millionen Einheiten produziert.
Vor dreißig Jahren schien es dagegen noch möglich, dass die neue Erfindung den Konkurrenten den Rang ablaufen könnte: Der Wankel-Motor, der als einfacher, leichter und leiser gilt, verblüffte durch geringe bewegte Massen und entsprechend geringen Verschleiß. Doch zur Revolution der Automobilgeschichte kam es nicht.
Vom Kaufmann zum Bastler
Wankel war ein klassischer Tüftler, der sein Hobby zum Beruf machte. Am 13. August 1902 im badischen Lahr (Ortenaukreis) geboren, verlässt er 1921 das Gymnasium in Weinheim bei Heidelberg. Seine Berufsausbildung hat mit Motoren nichts zu tun: Er absolviert in Heidelberg eine Lehre als Verlagskaufmann. Jedoch interessieren ihn besonders die Biografien von Technik- und Wissenschaftspionieren. In den 20er Jahren eröffnet Wankel mit Freunden eine kleine Werkstatt und experimentiert mit Motoren. 1927 tuckert hier die erste Fahrmaschine. Eine Ausbildung als Konstrukteur oder ein Ingenieurspatent hat Wankel zeit seines Lebens nie erworben - ebenso wenig wie einen Führerschein.
Erste Ähnlichkeit mit dem später legendären Wankel-Motor hat ein Gerät, das 1933 zum Patent angemeldet wird: eine Drehkolben-Maschine mit der Typenbezeichnung DKM 32. Ein Jahr später wird eine große Firma aufmerksam: 1934 bekommt er einen Forschungsauftrag für Drehschieber-Steuerungen und Rotationskolben- Motoren von BMW in der "Versuchsabteilung Lahr", die in Wahrheit aus einem Büro und einer Werkstatt im elterlichen Haus Wankels besteht.
Mit der Expansion der Rüstungsindustrie unter den Nationalsozialisten zieht Wankels Forschung die Aufmerksamkeit der Mächtigen auf sich. Die Unterstützung ermöglicht ihm, ein eigenes Labor in Lindau am Bodensee einzurichten und dort neuartige Motoren weiterzuentwickeln. Prompt folgen 1945 Haft und Forschungsverbot durch die Alliierten. Wankels Werkstatt wird von den Franzosen zerstört.
Vom Prototyp zum Welterfolg
Mit Hilfe aus der Industrie kann er seine Versuche fortsetzen. Nach zahllosen Experimenten mit verschiedenen Übersetzungsverhältnissen und Kolbenformen findet Wankel im April 1954 die optimale Lösung. Er steht nun kurz vor der Realisierung einer genial einfachen Idee - eines Motors, der praktisch ohne Ventile auskommt. Doch es dauert noch drei weitere Entwicklungsjahre, bis der DKM 54 zum ersten Mal wirklich läuft: Am 1. Februar 1957 und nur für ein paar Minuten auf dem Prüfstand. Mit der damals noch selbstständigen Firma NSU hat Felix Wankel inzwischen einen Partner gefunden, der an sein Konzept glaubt. Weitere drei Jahre später ist der Prototyp eines NSU Prinz fahrbereit. Der Motor leistet 30 Pferdestärken.
Zum Ende des neuen Jahrzehnts ist der Autodidakt endlich auch von der etablierten Forschung und Wissenschaft anerkannt. 1969 wird Felix Wankel die Ehrendoktorwürde der TH München verliehen, ein Jahr später erhält er das große Bundes-Verdienstkreuz. Auch in der Industrie feiert der neue Motor Erfolge: Die Zahl der Lizenznehmer wächst rasant. Neben den NSU-Modellen (allen voran die einzige Kreiskolben-Limousine aus deutscher Produktion, der Ro80) sind nun auch mehrere andere Fabrikate auf dem Weltmarkt.
Enttäuschung und Abstieg
Über die Gründe des Verkaufs der Wankel GmbH an die britische Lonrho Ltd. Gruppe im Jahre 1971 sind die Informationen spärlich. Wenig später stellt sich jedenfalls heraus, dass sich der so euphorisch begrüßte Motor wohl doch nicht durchsetzen wird. Trotz allseits gepriesener Vorteile wie Laufruhe und Verschleißarmut, trotz des geringen Gewichts und der niedrigen Kosten, ist der relativ hohe Verbrauch ein Makel, der sich mit der 1973 beginnenden Ölkrise nicht in Einklang bringen lässt. Die Autokonzerne sind nicht bereit, Millionensummen in neue Fertigungsanlagen zu investieren, der revolutionäre Motor gerät ins Abseits.
Wankel war es nicht gelungen, eine dauerhafte Koalition aus Befürwortern seines Motors zu bilden. "Das hat ihn nicht interessiert ", erzählt sein Weggefährte Dankwart Eiermann. Der heute 69-jährige Ingenieur arbeitete mehr als 20 Jahre lang mit Wankel zusammen. "Er war immer ein bisschen ein Wunschdenker." Eiermann kaufte die Firma in den neunziger Jahren gemeinsam mit dem Unternehmer Jürgen Bax von Lonrho zurück und verlegte den Sitz von Lindau am Bodensee nach Korb in der Nähe von Stuttgart. Dort entwickelte man Klimakompressoren und Motoren für Go-Karts und Leichtflugzeuge. Als ein militärischer Auftrag aus Israel nicht genehmigt wurde, musste die Wankel Rotary GmbH mit ihren 85 Patenten vor zwei Jahren Insolvenz anmelden.
Wankel selbst blieb ein anerkannter Konstrukteur und tüftelte weiter, von Ehrungen überhäuft. Auch der Bayerische Verdienstorden und der Goldenen Ehrenring des Deutschen Museums werden ihm zuerkannt. 1976 eröffnet ein Wankel-Museum in Lindau am Bodensee. Am 9. Oktober 1988 stirbt Felix Wankel in Heidelberg.